Kritik an Kohle-Gesetz: Verzögerung bei Ausstieg befürchtet
Kurz vor der Verabschiedung des Kohleausstiegsgesetzes wächst die Kritik – auch weil der entscheidende Vertrag mit den Betreibern noch fehlt.
Grund dafür ist, dass sich die Bedingungen für den Betrieb von Kohlekraftwerken in den letzten Wochen deutlich verschlechtert haben: Zum einen rechnet sich die Kohlenutzung wirtschaftlich oft nicht mehr. Die Kombination aus höheren Preisen für CO2-Zertifikate und steigender Einspeisung von Wind- und Sonnenstrom, die die Kohle schon im letzten Jahr zurückgedrängt hatte, ist durch den Corona-bedingten Rückgang des Stromverbrauchs zuletzt noch einmal verstärkt worden: Im Mai wurde dadurch nur halb so viel Kohlestrom produziert wie ein Jahr zuvor.
Zum anderen hat die EU angekündigt, ihr Klimaziel für 2030 deutlich zu verschärfen: Statt um 40 Prozent sollen die Emissionen um 50 bis 55 Prozent reduziert werden. Das würde bedeuten, dass die CO2-Zertifikate weiter verknappt werden müssten, was die Kohle weiter aus dem Markt drängen würde, schreibt etwa der Thinktank E3G in einer aktuellen Analyse. „Ohne Nachbesserung könnte der Gesetzentwurf die Kohle sogar kostspielig am Leben halten“, warnen die AutorInnen.
Diese Sorge hatte bei einer Expertenanhörung im Wirtschaftsausschuss des Bundestags bereits die auf Umweltrecht spezialisierte Anwältin Roda Verheyen geäußert. Denn eine Entschädigung fürs Abschalten bekommen die Betreiber nur, wenn ihre Kraftwerke bis zum vereinbarten Termin tatsächlich weiter Strom produzieren; anderenfalls würde die EU die Zahlungen als unzulässige Beihilfe werten.dena „Durch die späten Abschaltzeitpunkte verbunden mit Entschädigungszahlungen ist für den Betreiber trotz steigendem CO2-Preis gegebenenfalls wirtschaftlich, ihr Kraftwerk weiter zu betreiben“, warnte Verheyen.
Handlungsmöglichkeiten eingeschränkt
Auch Kai Niebert, Präsident des Umwelt-Dachverbands DNR, äußerte bei einem Fachgespräch im Umweltausschuss des Bundestags am Montag die Sorge, „dass das Gesetz in der jetzigen Form die Verstromung aus Braunkohle zementiert, statt sie zu beenden“. Kritik gibt es zudem an anderen Aspekten des geplanten Vertrags, der auch spätere Regierungen binden würde: Dem Gesetz zufolge soll dieser auch „die Kriterien und Rechtsfolgen unzulässiger gezielter nachträglicher Eingriffe in die Braunkohleverstromung“ regeln und die „energiewirtschaftliche Notwendigkeit des Tagebaus Garzweiler“ festschreiben. Dies könne die künftigen Handlungsmöglichkeiten der Politik stark einschränken, hatte Felix Matthes vom Öko-Institut schon zuvor gewarnt.
Wirklich beurteilt werden können diese Befürchtungen derzeit aber nicht. Denn die Entschädigungen und ihre genauen Bedingungen werden in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag zwischen der Bundesregierung und den Kohlekonzernen festgeschrieben – und der liegt noch nicht vor. Wann der Vertrag veröffentlicht wird, konnte das Wirtschaftsministerium am Montag nicht sagen.
Niebert hält diese Situation für skandalös. „Liegen die Verträge nicht rechtzeitig zur gründlichen Prüfung vor, darf dem Gesetz aus Sicht des DNR nicht zugestimmt werden“, erklärte er. Auch die Grünen üben Kritik. „Wenn sich die Bundesregierung für 18 Jahre binden will, sollte dem Parlament unverzüglich der Vertrag offengelegt werden, und zwar ohne Schwärzungen“, sagte Fraktionvize Oliver Krischer der taz. „Wenn die Konzerne Milliarden bekommen, müssen auch die Details auf den Tisch.“
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