Kritik an Freihandels-Strategie: Weniger demokratische Kontrolle
Künftige Abkommen sollen den Investorenschutz aussparen. NGOs sind aber unzufrieden, weil Unternehmen Sonderrechte behalten.
Bereits in den geplanten Handelsabkommen der Europäischen Union mit Australien und Neuseeland ist der Investorenschutz nicht mehr enthalten. In der vergangenen Woche forderte nun die EU-Kommission die EU-Staaten auf, über einen multilateralen Gerichtshof zu verhandeln, der umstrittene Schiedsgerichte ersetzen soll. In ihm hätten bestellte Richter statt – wie bei den Schiedsgerichten – Anwälte das Sagen.
Das bewerten Cavazzini und auch Roman Huber, geschäftsführender Vorstand des Vereins Mehr Demokratie, erst einmal positiv. „Es könnte eine größere Kontinuität entstehen“, sagt Huber. Das Problem: Unternehmen behielten Sonderrechte im Gegensatz zu Privatpersonen und Staaten. Denn diese könnten vor dem entsprechenden Gerichtshof nicht klagen.
Die Klagemöglichkeiten der Unternehmen gehen laut Huber auch im geplanten Gerichtshof über nationales Recht hinaus. „Dabei gibt es keine empirischen Belege dafür, dass der Handel gebremst wird, wenn ausländische Unternehmen sich nationalen Gerichten unterwerfen müssen“, sagt Huber. Sie hätten einfach Angst, dass Investitionen sich nicht lohnten.
Kontrolle der Mitgliedstaaten wird geschwächt
Da künftige Freihandelsabkommen den Investorenschutz nicht mehr mit einschließen sollen, will die EU-Kommission darüber hinaus, dass diese künftig ohne Ratifizierung der nationalen Parlamente verabschiedet werden. Aus einem Gutachten des EuGH zum Abkommen mit Singapur geht laut Cavazzini hervor, dass nur zu verhandelnde Bereiche blieben, bei denen die EU kompetent sei oder diese Kompetenzen notfalls „dehnen kann“.
Die Verbände kritisieren dennoch, dass damit die demokratische Kontrolle der Mitgliedstaaten geschwächt wird. „Die Verträge werden die Bereiche wie Arbeits- und Umweltschutz berühren, die eigentlich den Mitgliedstaaten unterliegen“, sagt Roman Huber.
Laut Roland Süß von Attac gehen die aktuellen Vorschläge der EU-Kommission außerdem über zentrale Kritik an den Freihandelsabkommen weiterhin hinweg. So soll die Vergabe des Mandats des Europarats an eine Handelskommission für künftige Freihandelsabkommen zwar transparent werden. „Eigentlich müsste jedoch der gesamte Verhandlungsprozess offengelegt werden“, sagt Süß.
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