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Freihandelsprotest und KonzerneKampagne gegen TTIP-Kritiker

„Angstmacherei“ und „Antiamerikanismus“: Laut einer Studie versuchten Thinktanks und Lobbyisten, Protestler zu diffamieren.

Von Russland finanziert? TTIP-Protest in Brüssel Foto: dpa

Berlin taz | Es waren heftige Vorwürfe, mit denen die Kritiker der EU-Freihandelsabkommen TTIP (mit den USA) und Ceta (mit Kanada) überzogen wurden: Sie betrieben „Angstmacherei“, verbreiteten „Mythen“ und „Fehlinformationen“, und zwar aus „Antiamerikanismus“, als „Geschäftsmodell“ oder weil sie „aus Russland finanziert“ seien. So war es zu lesen, als der Streit über die Abkommen in den Jahren 2015 und 2016 seinen Höhepunkt erreichte – und zwar teils wortgleich in Veröffentlichungen diverser Lobbyverbände der Industrie und wirtschaftsnaher Thinktanks.

Das geht aus einer Zusammenstellung hervor, die die Nichtregierungsorganisationen Lobbycontrol und Corporate Europe Observatory unter dem Titel „Blaming the Messanger“ an diesem Donnerstag vorstellen. „Die Unternehmerlobby hat auf Verleumdung und üble Nachrede statt stichhaltige Argumente gesetzt“, sagt Max Blank von Lobbycontrol.

Bestes Beispiel sei der Vorwurf, TTIP-Kritiker seien vom Kreml finanziert worden. Er war zunächst vom Thinktank ECIPE im Rahmen einer Studie über die Freihandelskritiker erhoben worden. Später griff ihn sogar EU-Ratspräsident Donald Tusk auf. „Bis heute gibt es dafür keinen einzigen Anhaltspunkt“, sagt Bank.

Wichtige Akteure der Kampagne waren dem Bericht zufolge zudem die Amerikanische Handelskammer in der EU, der Lobbyverband Business Europe, die Bertelsmann-Stiftung sowie diverse Lobbyverbände aus der Pharma-, Finanz- und Chemiebranche. Einen Beleg, dass die „Diffamierungskampagne“ zentral geplant wurde, liefern die AutorInnen nicht; sie nennen aber Anhaltspunkte für eine „konzertierte Aktion“. Etwa, dass diverse Akteure von der gleichen PR-Firma – Hill & Knowlton – vertreten werden, so die „Business Alliance for TTIP“, die eigens gegründet wurde, um „Fehlwahrnehmungen“ zu korrigieren.

Die Unternehmerlobby hat auf üble Nachrede gesetzt

Max Blank, Lobbycontrol

Das Ziel, die öffentliche Meinung zu verändern, ist der Kampagne zumindest in Deutschland kaum gelungen. Die Politik griff die Behauptungen hingegen vielfach auf. Nicht nur CDU-Hardliner Joachim Pfeiffer erklärte im Bundestag, die TTIP-Kritiker würden mit „Ängsten und Emotionen“ Menschen für „ihr Geschäftsmodell instrumentalisieren“.

Auch Exwirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) warf etwa der Protestinitiative Campact, die eine wichtige Rolle beim TTIP- und Ceta-Protest spielte, vor, den Protest zum „Geschäftsmodell“ zu machen.

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4 Kommentare

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  • "Sie betrieben „Angstmacherei“, verbreiteten „Mythen“ und „Fehlinformationen“, und zwar aus „Antiamerikanismus“, als „Geschäftsmodell“ oder weil sie „aus Russland finanziert“ seien."

     

    Ironischerweise sind es fast die gleichen Begriffe, mit denen Pegida und AfD überzogen werden.

  • Ins Töpfchen oder ins Kröpfchen ?



     

    Danke der Taz und Malte Kreutzfeld für diese Trouvaille und den Mut, sie ganz gegen den Official-Mind-Strich an die große Glocke zu hängen. Nicht daß die Information eine große Überraschung wäre, aber sie in einer zitierfähigen Zeitung zu lesen, erleichtert deren Verbreitung, ohne als Verschwörungstheoretiker in die Anstalt eingewiesen zu werden. 



     

    A propos Verschwörungstheoretiker: So ganz nebenbei wird deren Phalanx um die Spezis der Think Thanks, kapitalaffinen Lobby-Organisationen und Ideologie-Stiftungen à la Bertelsmann bereichert, die natürlich hinter den Anti-TTIP-Protesten die lenkende und zahlende Hand des Kremls identifizieren, wen den sonst. Nach der bolschewistisch-jüdischen Weltverschwörung, den Invasionsplänen Stalins bis zum Atlantik, der “Bulgarischen Spur“ des Papstattentates 1981, den Falls Flag-Bombenattentaten in Moskau, der Anti-Fracking-Kampagne, der Warschauer Abhöraffäre, der Trump-Wahl, den Gerüchte über Macrons sexuelles Doppelleben, dem Regime-Change-Versuch in Montenegro, Hacker-Atacken usw. usw. nun also auch die Anti-TTIP-Kampagne - dubiose Kremlverschwörungen, soweit das Satelliten-Auge reicht. In diese Schußrichtung kann man also das Blaue vom Himmel mutmaßen, ohne die Männer in den weißen Kitteln befürchten zu müssen, denn auffälligerweise genießen die Theoretiker dieser Kategorie von Verschwörungen eine wundersame publizistische Immunität, die sie davor bewahrt, mit all jenen in einen Topf geworfen zu werden, die die Mondlandung für einen dreisten medialen Fake halten, Elvis noch unter den Lebenden wähnen, die Illuminaten als Hintermänner der Französischen Revolution vermuten, die Luftangriffe auf New York und Washington am 11. September 2001 für einen Deep-State-Insider-Staatsstreich halten usw., kurz, mit Leuten, die nicht alle Tassen im Schrank haben, nicht wahr. Nun wird auch klar, nach welchen Sortierkriterien die Verschwörungstheoretiker entweder ins Töpfchen oder ins Kröpfchen gehören.

  • Nicht nur aus Lobbyverbänden wurden Kritiker diffamiert, auch in den Medien, insbesondere dem ÖR (von dem man Besseres erwarten sollte, so wie der immer wieder gelobt wird), wurde zumindest bis ich angewidert abgeschaltet habe, immer nur irgendein Bullen-Dung als vorgebliche Kritikpunkte angegeben.

  • Ins Töpfchen oder ins Kröpfchen ?

     

    Danke der Taz und Malte Kreutzfeld für diese Trouvaille und den Mut, sie ganz gegen den Official-Mind-Strich an die große Glocke zu hängen. Nicht daß die Information eine große Überraschung wäre, aber sie in einer zitierfähigen Zeitung zu lesen, erleichtert deren Verbreitung, ohne als Verschwörungstheoretiker in die Anstalt eingewiesen zu werden.

     

    A propos Verschwörungstheoretiker: So ganz nebenbei wird deren Phalanx um die Spezis der Think Thanks, kapitalaffinen Lobby-Organisationen und Ideologie-Stiftungen wie Bertelsmann bereichert, die natürlich hinter den Anti-TTIP-Protesten die lenkende und zahlende Hand des Kremls identifizieren, wen den sonst. Nach der bolschewistisch-jüdische Weltverschwörung, den Invasionsplänen Stalins bis zum Atlantik, der “Bulgarischen Spur“ des Papstattentates 1981, den Falls Flag-Bombenattentaten in Moskau, der Anti-Fracking-Kampagne, der Warschauer Abhöraffäre, der Trump-Wahl, den Gerüchte über Macrons sexuelles Doppelleben, dem Regime-Change-Versuch in Montenegro, Hacker-Atacken usw. usw. nun also auch die Anti-TTIP-Kampagne - obskure Kremlverschwörungen, soweit das Satelliten-Auge reicht. In diese Schußrichtung kann man also das Blaue vom Himmel mutmaßen, ohne die Männer in den weißen Kitteln befürchten zu müssen, denn auffälligerweise genießen die Theoretiker dieser Kategorie von Verschwörungen eine wundersame publizistische Immunität, die sie davor bewahrt, mit all jenen in einen Topf geworfen zu werden, die die Mondlandung für einen dreisten medialen Fake halten, Elvis noch unter den Lebenden wähnen, die Illuminaten als Hintermänner der Französischen Revolution vermuten, die Luftangriffe auf New York und Washington am 11. September 2001 für einen Deep-State-Insider-Staatsstreich halten usw., kurz, mit Leuten, die nicht alle Tassen im Schrank haben, nicht wahr. Nun wird auch klar, nach welchen Sortierkriterien die Verschwörungstheoretiker entweder ins Töpfchen oder ins Kröpfchen gehören...