Kritik an Bahnplanung im Kämmerlein: Hamburg bleibt bei „Monsterbrücke“
Bahn und Politik wollen sich nicht mit einem Alternativentwurf für die massive Brücke im Schanzenviertel befassen. Die Diskussion sei durch, heißt es.
Der Hamburger Senat und die Deutsche Bahn wollen nicht noch einmal neu über die geplante wuchtige Eisenbahnbrücke im Schanzenviertel nachdenken. Anlass dazu hätte ein kürzlich vorgestellter Entwurf bieten können, der eine filigrane Alternative vorschlägt. Die Bahn teilte mit, die Variantendiskussion sei schon vor zwei Jahren geführt worden und „final abgeschlossen“. Oberbaudirektor Franz-Josef Höing, der in Hamburg für die Stadtgestalt zuständig ist, will von dem Vorschlag aus der Zeitung erfahren haben und nichts Näheres dazu wissen. Der Fokus der Baubehörde liege „in der Weiterentwicklung der Gestaltung der Vorzugsvariante“.
Eben diese Vorzugsvariante, eine Stabbogenbrücke mit nach innen geneigten Bögen und einer hohen Lärmschutzwand, hat für einen medialen Aufschrei gesorgt, als ihre Visualisierung publiziert wurde. Der nicht unelegante, aber massiv wirkende Bau fing sich den Namen „Monsterbrücke“ ein. Es gründete sich eine Bürgerinitiative gegen den Entwurf. Die Bahn setzte nachträglich ein Beteiligungsverfahren auf, bei dem es allerdings laut Bahn nur noch darum geht, „den bestehenden Entwurf kreativ zu gestalten“.
Kritik am Abriss der 100 Jahre alten, denkmalgeschützten, weit weniger massiven Bestandsbrücke übten auch der Denkmalverein und der Bund Deutscher Architekten (BDA). Ebenso wie die Kammern der Architekten und Ingenieure kritisierte der BDA, dass die Bahn und verschiedene Senatsbehörden es unter sich ausmachten, wie die Brücke aussehen soll.
Öffentlichkeit zu spät einbezogen
Die Öffentlichkeit habe von den konkreten Planungen erst unmittelbar vor Beginn des Planfeststellungsverfahrens erfahren, kritisierte die Ingenieurkammer Bau. „Eine solche Intransparenz ist angesichts der Tragweite der Entscheidungen und der Bedeutung des Projekts nicht akzeptabel.“ Insbesondere kritisiert die Kammer, dass die Vorzugsvariante nicht in einem Ingenieurwettbewerb gefunden wurde.
Die Baubehörde – offiziell Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen – rechtfertigt das mit der Komplexität des Projekts. Die Brücke führt mit je zwei Fernbahn- und S-Bahn-Gleisen über die Kreuzung zweier Hauptstraßen mit direkt angrenzender Wohnbebauung. 900 Züge rollen täglich über die Brücke und mit dem Deutschland-Takt der Bahn sollen es noch mehr werden.
Die Möglichkeiten der technischen Ausgestaltung seien durch die hierdurch festgelegten technischen und betrieblichen Parameter begrenzt. „Daher war auch bei der Untersuchung der Varianten nur ein sehr enger gestalterischer Spielraum gegeben“, teilt die Behörde mit.
Brücke soll ohne Stützen auskommen
Ein wesentliches Kriterium für die Planung ist, dass die Brücke ohne Stützen auf der Fahrbahn auskommen soll. Die aktuelle Brücke steht auf Stützen. Neben dem zunächst beauftragten Ingenieurbüro Vössing brachte die Baubehörde das Büro Schlaich, Bergermann und Partner ins Spiel, um Varianten zu der Stabbogenbrücke erörtern zu können. Dieses Büro entwarf eine Brücke ohne Bögen, aber dafür mit drei massiven, 1,70 bis 1,90 Meter breiten Stützen am Rand der Fahrbahn.
Diese Stützen schüfen uneinsehbare Räume und beeinträchtigten das Sicherheitsgefühl der Passanten, stellte der Senat in seiner abschließenden Bewertung für die Bürgerschaft fest. Als „anprallgefährdete Hindernisse“ gewährleisteten sie nicht das größte Maß an Verkehrssicherheit. Die Stützenlösung füge sich zwar besser in das Stadtbild ein, sie koste aber mindestens 35 Millionen Euro mehr und dauere länger. Ihr Bau sei riskant für die Widerlager der Brücke und werde den Straßenverkehr im Hamburger Westen monatelang massiv stören.
Auch der im Mai vom Architekten Karsten Brauer veröffentlichte Gegenentwurf sieht drei Stützen vor. Diese wären aber noch weiter von der Fahrbahn entfernt als im Entwurf von Schlaich, Bergermann und Partner und träfen sich als Bögen über der Mitte der Brücke. An diesem „Bock“ würden die Brückenelemente mit vier Stäben aufgehängt. Auch die Bögen hätten anderthalb Meter breite Sockel. Ihr Bau dürfte ähnliche Schwierigkeiten aufwerfen wie bei der geprüften Drei-Stützen-Variante.
Brauer geht in seinem skizzenhaften Entwurf darauf nicht ein. Er prognostiziert aber, dass bei seiner Lösung das Tragwerk billiger, die Montage einfacher und die Bauzeit kürzer wären. Statisch zumindest sei der Vorschlag vom Büro WP-Ingenieure „in seinen Hauptelementen überprüft und in seiner Machbarkeit bestätigt“ worden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Überraschende Wende in Syrien
Stunde null in Aleppo
Liberale in der „D-Day“-Krise
Marco Buschmann folgt Djir-Sarai als FDP-Generalsekretär
Trumps Wiederwahl
1933 lässt grüßen