Kritik am Verfassungsschutzbericht: CDU diskreditiert Linke Szene
Die CDU vermisst im Bremer Verfassungsschutzbericht den nicht gewaltorientierten Linksextremismus. Sie zielt auf die Delegitimation der Linkspartei.
F ragen zum erstarkenden Rechtsextremismus? Das kann ja jeder, angesichts von Deportations- und mehreren bekannt gewordenen Umsturzplänen von Rechts. Die CDU Bremen ist da mit ihrem Aufklärungsdrang ein bisschen gründlicher und will auch den abseitigeren Fragen, den Orchideen unter den Sicherheitsthemen, mehr Platz einräumen im Verfassungsschutzbericht.
So fragt sie sich und gleich auch den Senat Bremen in einer Großen Anfrage, warum der „nicht gewaltorientierte Linksextremismus“ im Bremer Verfassungsschutzbericht so wenig Platz bekommt. Ja, richtig: der nicht gewaltorientierte.
Denn, potz Blitz: Diese friedlichen Linken kommen im Verfassungsschutzbericht des Landes gar nicht vor. Zumindest nicht gebührend, mit eigenem Kapitel und Überschrift und so. Das sei beim Rechtsextremismus anders gelöst, dort habe der Verfassungsschutz (VS) auch das nicht-gewaltorientierte Potenzial aufgeführt, prangert die CDU an. Bei der Bekämpfung von Rechts- und Linksextremismus dürfe aber „kein unterschiedlicher Maßstab angelegt werden“. So weit, so Hufeisentheorie.
Um das klarzustellen: Der Verfassungsschutz Bremen beschränkt sich in seiner Darstellung von Linksextremismus keineswegs auf Gewalttäter im eigentlichen Sinn. Ausführlich berichtet er auch über jene Gruppierungen, die seines Erachtens Gewalt befürworten oder zumindest billigend in Kauf nehmen.
Der Interventionistischen Linken und der Basisgruppe Antifaschismus ist jeweils ein Kapitel gewidmet. Kritisch beäugt werden dort deren Aktivitäten beim „Bündnis gegen Preissteigerungen“ (Demos) oder bei Ende Gelände, die weit in die Mitte der Gesellschaft Akzeptanz gefunden haben.
Was also bleibt faktisch an extremistischem Potenzial, das die CDU gerne genauer beobachtet wissen möchte? In anderen Bundesländern werden unter dem Schlagwort „nicht-gewaltorientierte Linksextremisten“ vor allem parteilich organisierte Kommunist*innen und Marxist*innen geführt: die DKP, die MLPD und deren Jugendorganisationen.
Auf eine Art erhellend sind die Verfassungsschutzberichte zu diesen Organisationen tatsächlich. Etwa in Hamburg 2022: Dort hat laut Bericht die linksextremistische Szene das Sondervermögen der Bundeswehr als Aufrüstungspaket kritisiert. Und: Es gab „Lesekreise zu Stamokap“ (Lenins These zum Staatsmonopolistischen Kapitalismus). Mehr noch: Auch an Streiks und Demos, etwa am 1. Mai und am Ostermarsch, haben die Linksextremisten teilgenommen. Hört, hört!
Will die CDU das wirklich wissen? Wichtiger ist der Partei vermutlich die ganz grundsätzliche Delegitimation des politischen Gegners. Denn in die Große Anfrage zu „nicht gewaltorientierten Linksextremisten“ mischt die CDU noch so einiges anderes: einerseits eine ganze Menge Fragen zum faktisch gewaltbereiten und auch gewalttätigen Teil des linken Spektrums; andererseits Fragen zur nicht extremistischen Partei Die Linke, die in Bremen an der Regierung beteiligt ist.
Delegitimation der Partei Die Linken
Sieben der 31 Fragen beschäftigen sich mittel- oder unmittelbar mit der Linken. „Alles eine Soße!“, wird damit mittelmäßig geschickt ausgedrückt. Irgendein Schmutz wird schon hängen bleiben. Die jährliche Gedenkfeier zur Bremer Räterepublik etwa pickt sich die CDU mit spitzen Fingern heraus. Waren dort neben Linke und Gewerkschaft nicht auch Vertreter der MLPD zugange? Auch ein paar alte Vorwürfe werden aufgekocht – hat die Linke Bremen doch 2022 ein Medientraining mit Emily Laquer gemacht.
Der Bremer Senat antwortet sehr ernsthaft und ganz humorlos auf die Fragen nach Klassenkampf und linken Kundgebungen. Wer ein bisschen den Anschluss verloren hat, kann sich in der Antwort informieren, wo in Bremen sich die Linke Szene trifft und wo man sich online austauscht. Das Potenzial an nicht gewaltorientierten Linksextremist*innen wird übrigens auf eine mittlere zweistellige Zahl geschätzt. Über die Große Anfrage dürften sich am meisten MLPD und DKP freuen, die endlich einmal wieder zur Kenntnis genommen werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“