Kritik am Kampfeinsatz in Mali: Allein an der Front
Frankreich greift Malis Islamisten in ihrem Kerngebiet an – und diese weichen nun territorial aus. Das birgt Gefahr für die Nachbarländer.
GOMA taz | Die französische Militärintervention gegen Islamisten in Mali weitet sich aus – und wird dadurch immer schwieriger. Seit Sonntagnachmittag haben französische Kampfjets eine Reihe von Luftangriffen auf mutmaßliche Stellungen und Basen der Islamisten tief in ihrem Herrschaftsgebiet im Norden Malis geflogen.
In Gao, der größten Stadt Nordmalis, starben dabei nach Augenzeugenberichten mindestens 60 islamistische Kämpfer. Die Militärlager der dort starken Mujao (Bewegung für Einheit und Dschihad in Westafrika) seien zerstört, erklärte am Montag das französische Verteidigungsministerium.
Unabhängig überprüfen lässt sich das nicht. Journalisten sind in Nordmali nicht zugelassen, und Malis Regierung im Süden des Landes hat den Ausnahmezustand verhängt, was die freie Berichterstattung durch lokale Medien einschränkt. Fast alle verfügbaren Informationen berufen sich auf offizielle Verlautbarungen des französischen Militärs.
Selbst in diesen wird allmählich deutlich, dass der Kampfeinsatz komplizierter ist, als er zunächst dargestellt wurde. Nachdem die islamistischen Kämpfer bereits am Freitag einen französischen Kampfhubschrauber samt Pilot abgeschossen hatten, ließen sich Militärkreise in Frankreich mit der Aussage zitieren, die Islamisten seien nicht nur überraschend gut ausgerüstet, sondern auch überraschend versiert im Umgang mit ihrem Waffenarsenal.
Diabali in der Hand
Davor allerdings warnen Beobachter seit einem Jahr, seit islamistische Rebellen mit den ehemaligen Waffenbeständen Gaddafis aus Libyen im Norden Malis aktiv wurden. Am Montag traten die Islamisten zum Gegenangriff an. Kämpfer unter Leitung eines Führers der AQMI (al-Qaida im Islamischen Maghreb) rückten von der mauretanischen Südgrenze aus vor und eroberten am Mittag den Ort Diabali, nur 400 Kilometer nördlich der Hauptstadt Bamako, berichteten die malischen Behörden gegenüber afp.
Und nach der Zerstörung der islamistischen Basen rund um Gao haben sich die dortigen Mujao-Kämpfer nach französischen Angaben zwar verzogen, aber nicht tiefer in den Norden hinein, sondern eher in Richtung Osten und Süden, näher an die malischen Außengrenzen.
Beides deutet darauf hin, dass die islamistischen Rebellen jetzt auf Malis Nachbarländer ausweichen – während diese gerade dabei sind, Elitetruppen für die im Aufbau befindliche westafrikanische Eingreiftruppe an der Seite Frankreichs nach Mali zu schicken. Dieses Szenario lässt in Frankreich erste Kritik laut werden, vor allem seitens konservativer Militärexperten.
In Pariser Zeitungen ist zu lesen, es sei möglicherweise falsch gewesen, die Intervention zu starten, bevor der 2012 beschlossene internationale Ausbildungseinsatz zum Aufbau der malischen Streitkräfte auch nur begonnen habe. Frankreich riskiere damit, viel zu lange allein an einer Front zu stehen, zu deren Beherrschung es nicht die Mittel habe.
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