piwik no script img

Krisenmanagement in JapanDer unsichtbare Tepco-Chef

Masataka Shimizu, der Chef des Betreibers des AKW Fukushima Daiichi, war einst Chef der Kommunikationsabteilung. Ausgerechnet er versagt bei der Krisenkommunikation.

Seltener Auftritt: Tepco-Präsident Masataka Shimizu scheut die Öffentlichkeit. Bild: dapd

BERLIN taz | Seit Beginn der Katastrophe im AKW Fukushima Daiichi ist der Chef des Betreiberkonzerns Tepco, Masataka Shimizu, erst einmal öffentlich aufgetreten. Zwei Tage nach dem Beben und dem anschließenden Tsunami trat der 66-Jährige vor die Presse und sagte: "Wir entschuldigen uns aufrichtig dafür, so viele große Sorgen und Unannehmlichkeiten verursacht zu haben."

Dabei verbeugte sich Shimizu auch in demutsvoller Weise. Doch schuld sei einfach die Natur, so Shimizu, denn: "Wir könnten argumentieren, dass wir angemessen auf einen Tsunami entsprechend unserer Projektionen vorbereitet waren. Aber der letzte Tsunami hatte einfach ein Ausmaß, das weit über unsere Annahmen hinausging."

Diese konnte weder die Öffentlichkeit beruhigen noch das Vertrauen in den bereits in der Vergangenheit in Skandale verwickelten Betreiber von 17 Reaktoren stärken. Deshalb legte Tepco am Tag darauf mit einer Äußerung des Bedauerns nach. Doch diese kam jetzt nur noch von einem Sprecher und nicht mehr vom Chef persönlich. Der Sprecher erklärte lapidar: "Wir haben einfach gemerkt, dass unsere Entschuldigung nicht ausreicht und wollten deshalb das tiefe Bedauern der Firma ausdrücken."

Das Bedauern wurde am Folgetag wiederholt, ohne dass Tepco mit den damit einhergehenden dürftigen Informationen die Bevölkerung beruhigen konnte. Die war inzwischen durch die Explosion in einem der Reaktoren alarmiert. Am Abend des 14. März stürmte Japans Ministerpräsident Naoto Kan dann mit den Worten "Was zum Teufel ist hier los?" persönlich in die Tepco-Zentrale. Er beschwerte sich bei Shimizu, dass er viel schneller per Fernsehen informiert worden sei als von Tepco.

Kan ließ darauf in der Tepco-Zentrale ein Krisenzentrum einrichten, zu dessen Chef er sich selbst ernannte. Zu Stellvertretern machte er Wirtschaftsminister Banri Kaieda sowie Tepco-Präsident Shimizu. Doch seitdem hat Shimizu nicht nur bei jeder Tepco-Pressekonferenz Untergebene vorgeschickt, sondern sich im Unterschied zu Minister Kaieda auch nie als Vize-Chef des Krisenzentrums zur Lage geäußert. Auch einen Besuch seiner havarierten Reaktoren hielt Shimizu bisher für so überflüssig wie ein Treffen mit Evakuierten aus der Umgebung des AKW.

Shimizus Verhalten ist umso erstaunlicher, als er einst die Kommunikationsabteilung des Stromkonzerns mit mehr als 38.000 Mitarbeitern leitete. Shimizu kam nach dem Uni-Abschluss bereits mit 23 Jahren zu Tepco. Er stieg zum Leiter der Beschaffungsabteilung auf und machte sich einen Namen als Kostendrücker. Er wurde Vizepräsident, bevor er schließlich ganz an die Spitze gelangte, weil sein Vorgänger für eine Vertuschung abtreten musste. 2007 war nach einem Beben in Tepcos Atomkomplex Kashiwazaki Radioaktivität ausgetreten, was Tepco aber verleugnete.

"Ich finde sein Verhalten in der jetzigen Krise außerordentlich", sagt Philip White, Sprecher der Anti-Atom-Organisation CNIC in Tokio zur taz. "In der ganzen Krise ist er nicht wahrnehmbar. Wenn jemand noch was retten kann, sind dies die Arbeiter vor Ort. Denen gehört unserer Hochachtung." Shimizu hatte eigentlich das Vertrauen in Tepco wiederherstellen und für mehr Sicherheit sorgen sollen. Doch laut dem Sender NHK verweigerte gestern sogar der Gouverneur der Präfektur Fukushima ein Treffen mit dem Unsichtbaren.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • C
    Conrado

    Ach was, das Problem ist aller Wahrscheinlichkeit nicht Arroganz der Macht (von spiritofbee) oder Mangel and Ehrgefuehl (von govinda) oder fehlende Einsicht (von Perle). Shimizu-san ist einfach masslos ueberfordert. Seine Karriere hat ihn nicht auf eine Situation wie die jetztige vorbereitet. Nie zuvor in seinem Berufsleben waren Fuehrungseigenschaften, wie sie jetzt noetig waeren, von ihm gefordert. Schlimmer: Seine Restenergie und -Nerven erlaubten ihm nicht mal mehr, sein Schneckenhaus (sprich: Buero) zu verlassen, bis das zu einem Politikum wurde und er mit "Bluthochdruck" in ein Sanatorium gekarrt. also aus dem Verkehr gezogen wurde. Jahrzehntelanges Malochen in japanischen Buerokratie-Muehlen hat alles zerrieben, was vor vielen Jahren vielleicht mal in dem aufstrebenen, jungen Mitarbeiter gesteckt hat. Shimizu-san wurde, wie man in Asien sagt, zu "Dead Wood". Das ist jetzt von einem Tsunami weggespuelt worden. Der Mann verdient Mitleid. Und die, die ihn immer weiter nach oben gestossen und dort gehalten haben, verdienen Ohrfeigen.

     

    Die verdiene ich natuerlich auch. Gomen nasai, ich bitte um Vergebung fuer diesen Kommentar: Ich kenne Herrn Shimizu gar nicht und habe auch keinerlei Kenntnisse ueber Tepco. Mir ist einfach in Tokio die Fantasie durchgegangen. How embarrasing.

  • P
    perle

    beim krieg gibt es verträge

    warum nicht zum glück...........

  • JM
    Jonas M Lanter

    An Einsicht und Eigenverantwortung mangelt es doch sehr bei dieser 'TEPCO' und deren Führungsriege. Keine Verantwortung übernehmen, Arbeiter unter enormen Druck zur Arbeit zu nötigen und dann auch noch den kontaminierten Arbeitern die Schuld sprichwörtlich 'in die Schuhe' zu schieben ist wohl das Frechste und Ungeheuerlichste, was ich je gehört habe!

    Das japanische Volk ist ein Beispiel an Disziplin und Höflichkeit und diese TEPCO-Riege sollte sich zutiefst schämen.

  • S
    spiritofbee

    Die Arroganz der Macht ist im Gegensatz zu vielen anderen Dingen unabhängig von der kulturellen Prägung. Da hilft auf Dauer nur eine eindeutig juristisch zugeodnete persönliche Verantwortung für die Entscheidungsträger, sowohl in der Wirtschaft als auch in der Politik für alle menschenverachtenden Technologien, und zwar weltweit. Eine lebensfreundliche Umwelt gehört zu den universellen Menschenrechten.

    Alles andere ist schlicht weiterhin untragbar und sorgt dafür, das es einfach so weitergeht. Natürlich immer mit der Zustimmung und dem Rat der gutgeschmierten Experten.....auch die sollten im übrigen in diese Haftung.

  • G
    govinda

    Wenn Herr Masataka Shimizu auch nur über ein Quentchen Ehrgefühl verfügen würde, würde er in einen Schutzanzug steigen und tatkräftig in seinem Kraftwerk selbst Hand anlegen.