Krisengipfel wegen Territorialkonflikt: Dialog nach dem Säbelrasseln
Venezuela und Guyana verkünden im Streit um die ölreiche Region Essequibo einen Gewaltverzicht. Das ändert aber nichts am Problem.
![Guyanas Präsident Irfaan Ali präsentiert ein Lederarmband mit der Karte seines Landes Guyanas Präsident Irfaan Ali präsentiert ein Lederarmband mit der Karte seines Landes](https://taz.de/picture/6714318/14/Guyana-1.jpeg)
Bei Krisengesprächen im Karibik-Inselstaat St. Vincent und die Grenadinen am Donnerstag haben beide Seiten dann nach Wochen der verbalen Eskalation doch noch das schlimmste Szenario ausgeschlossen: Unter keinen Umständen werde man einander mit Gewalt drohen oder diese anwenden. So steht es in der gemeinsamen Abschlusserklärung, die elf Punkte umfasst.
Bei der Beilegung des Konflikts werde man sich an internationales Recht halten, versprachen beide Präsidenten. Das aber in Grenzen: Während Guyana festhält, dass es das Verfahren des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag im Grenzstreit für verbindlich hält, lehnt Venezuela das weiterhin ab.
Mit am Tisch auf dem Gelände des internationalen Flughafens Argyle saßen ein Gesandter der brasilianischen Regierung, mehrere Premierminister von Karibikstaaten, der kolumbianische Außenminister sowie ein Vertreter der Vereinten Nationen.
Verhandlungen ohne Vertreter der USA und Großbritanniens
St. Vincent und die Grenadinen haben derzeit den Vorsitz der Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten (Celac) inne. Präsident Ralph Gonsalves wird die Vermittlerrolle auch nach Ablauf seines Celac-Mandats weiter ausüben. Wer nicht dabei war: Großbritannien und die USA – beide neben Brasilien Unterstützer von Guyana.
Das englischsprachige Guyana war zuletzt britische Kolonie. Seine derzeitigen Grenzen wurden 1899 auf Betreiben der USA und Großbritanniens von einem Schiedsgericht festgelegt.
Venezuela beruft sich hingegen auf ein Abkommen mit dem Vereinigten Königreich von 1966. Das entstand wenige Monate, bevor die damalige Kolonie Britisch-Guayana unabhängig wurde.
Alle Anwesenden betonten in der Erklärung ihren Willen, dass Lateinamerika und die Karibik eine „Friedenszone“ bleiben solle.
Das alles passt wenig zum bisherigen Gebaren von Caracas. Auslöser der Krisengespräche ist das offiziell nicht bindende Referendum, das Präsident Maduro angestrebt hatte. Vor knapp zwei Wochen hatten angeblich mindestens 95 Prozent der venezolanischen Wählerïnnen für die Annexion der Essequibo-Region gestimmt.
Maduro nutzt Konflikt für Vorgehen gegen Opposition
Die Region macht aktuell zwei Drittel des Staatsgebiets Guyanas aus. Venezuela erhebt seit gut hundert Jahren Anspruch darauf. Besonders attraktiv ist das Gebiet allerdings seit 2015. Da wurden in Essequibo riesige Ölvorkommen entdeckt. Der US-Konzern Exxon hat dafür eine Konzession bekommen, die er gerne ausbauen würde.
Auch wenn das venezolanische Referendum als nicht bindend galt, hatte es unmittelbare Folgen. Maduro stellte danach neue Karten für den Schulunterricht vor, auf dem der neue Bundesstaat namens „Guayana Esequiba“ verzeichnet ist. Der wäre doppelt so groß wie Portugal. Am Donnerstag zog Ali ostentativ ein Lederarmband mit der Karte Guyanas aus der Jacke – inklusive Essequibo.
Außerdem nutzte Maduros Regierung wie befürchtet das Referendum, um anschließend Oppositionelle festzunehmen – wohl als Vorgeschmack aufs Wahljahr 2024. Die Vorwürfe: eine Verschwörung gegen Venezuela. Der US-Konzern Exxon Mobile habe diese finanziert, wegen seiner Interessen in Guyana. Der prominenteste Fall: Juan Guaidó, der einstige Interimspräsident, von dem sich mittlerweile selbst die Opposition abgewandt hat.
Maduro gibt schon Konzessionsvergabe in Auftrag
Zudem beauftragte Maduro den staatlichen Energiekonzern, „unverzüglich“ Konzessionen für den Abbau von Öl, Gas und Bergbau in der Essequibo-Region zu vergeben.
Auch wenn viele Expertïnnen vermuten, dass es Maduro bei Essequibo vor allem um Innenpolitik geht: Die USA führten nach dem Referendum Luftwaffenmanöver über Guyana durch, um ihre Verbundenheit mit dem Land zu demonstrieren. Die Nachbarländer in der Region sind alarmiert und warnten vor „einseitigen Aktionen“, ja sogar Krieg.
Man werde weiter im Gespräch bleiben, hieß es am Donnerstag. Das nächste Treffen soll in drei Monaten in Brasilien stattfinden.
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