Krise in der Ukraine: Die Krim wird russisch
Verwaltung, Geheimdienst, Militärstützpunkte: Russland besiegelt die Krim-Annexion. Deutschlands Außenminister Steinmeier warnt vor einer Ausweitung der Krise.
MOSKAU dpa/afp | Kremlchef Wladimir Putin hat nach der umstrittenen Aufnahme der Krim in die Russische Föderation die Einführung neuer Verwaltungsstrukturen auf der Halbinsel bis zum 29. März angeordnet. Demnach müssen bis Ende der Woche die Polizei und der Zivilschutz, aber auch der Inlandsgeheimdienst FSB und andere Staatsorgane nach russischem Recht errichtet werden. Das geht aus einer am Sonntag vom Kreml veröffentlichten Anordnung hervor.
An diesem Montag soll auf der Krim neben der ukrainischen Währung Griwna offiziell der Rubel als Zahlungsmittel eingeführt werden. Russland hat außerdem die militärische Kontrolle auf der Krim.
Medien am Sitz der russischen Schwarzmeerflotte in Sewastopol berichteten, dass nun auf dem ukrainischen Kriegsschiff „Slawutitsch“ die neue Staatsflagge gehisst worden sei. Insgesamt waren von der unblutigen Machtübernahme mehr als 70 ukrainische Militäreinrichtungen und mehr als 30 Schiffe der Marine betroffen.
Am Samstag hatten russische Truppen zwei Krim-Stützpunkte gestürmt. Es war die bisher spektakulärste Machtdemonstrantion, seit die ersten russischen Truppen vor drei Wochen auf der ukrainischen Halbinsel gelandet waren. Bewaffnete mit gepanzerten Fahrzeugen feuerten Schüsse in die Luft, als sie den Fliegerhorst Belbek nahe Sewastopol in ihre Gewalt brachten. Ein Fahrzeug durchbrach das Tor, zwei weitere durchbrachen die Mauern des Geländes. Daraufhin stürmten Bewaffnete auf das Gelände, feuerten Schüsse in die Luft und hielten ukrainische Soldaten mit ihren Automatikwaffen in Schach. Unter Gewaltandrohung wurde der Stützpunkt evakuiert.
Warnung vor „Spaltung Europas“
Die Basis in der Stadt Nowofedorowka wurde ebenfalls schwer attackiert. Prorussische Demonstranten rissen die ukrainische Flagge herunter und hängten eine russische Flagge auf, anschließend stürmten sie das Gebäude und warfen mehrere Fenster ein. Vom Dach warfen ukrainische Militärs Rauchbomben. Nach Verhandlungen mit russischen Soldaten gaben sie aber auf.
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) warf Moskau bei einem Kiew-Besuch vor, die „Spaltung Europas“ voranzutreiben, und warnte in einem Interview mit einer Verschärfung der Strafmaßnahmen. Er war zunächst mit Regierungsvertretern in Kiew zusammengetroffen und reiste später ins ostukrainische Donezk weiter. Dort forderte er die militärischen Einheiten der Ukraine und Russlands zu Gesprächen über den Umgang miteinander auf.
Es sei „keine gute Idee, dass jetzt abschnittsweise Mannschaften entwaffnet oder technische Einheiten übernommen“ würden. In der Welt am Sonntag (WamS) drohte er Moskau mit schärferen Sanktionen. „Sollte Russland über die Krim hinausgreifen, werden wir in Europa einschneidende Maßnahmen beschließen, selbst wenn wir hierfür wirtschaftliche Nachteile in Kauf nehmen müssen.“
Er warnte zudem vor einer Ausweitung der Krim-Krise. „Ich mache mir große Sorgen, dass der völkerrechtswidrige Versuch, 25 Jahre nach Ende des Kalten Kriegs international anerkannte Grenzen in unserer europäischen Nachbarschaft zu korrigieren, die Büchse der Pandora öffnet“, sagte er der WamS.
Hoffnung setzt die internationale Diplomatie auch auf die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Deren Mission soll am Sonntag starten, „um die Deeskalation zu unterstützen“, wie Steinmeier in Kiew sagte. Moskau hatte der Mission nach langem Widerstand zugestimmt, weil die Krim ausgeklammert bleibt.
Deutsche befürworten Annexion
Unterdessen berichtet der Spiegel, dass die Bundesregierung der Ukraine derzeit keine direkten Finanzhilfen gewähren will. Sämtliche geplanten Hilfen der Europäischen Union sollten den Bundeshaushalt nicht belasten, berichtete das Magazin unter Berufung auf Kreise und Unterlagen des Bundesfinanzministeriums. Die Gelder für das elf Milliarden Euro umfassende Paket sollen demnach aus Darlehen und Mitteln der Entwicklungshilfe kommen.
Den Angaben zufolge könnte die EU bis zu einer Milliarde Euro als Darlehen vergeben. In den Jahren 2014 bis 2020 sei zudem Entwicklungsunterstützung in Höhe von 1,6 Milliarden Euro geplant. Schließlich sollen die Europäische Investitionsbank und die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung demnach Darlehen von insgesamt bis zu acht Milliarden Euro gewähren.
Wie der Spiegel weiter berichtete, ist eine Mehrheit von 54 Prozent der Deutschen der Meinung, der Westen solle die Angliederung der Krim an Russland akzeptieren. Laut einer Umfrage des Instituts TNS Forschung äußerten 55 Prozent der Befragten zudem viel oder etwas Verständnis dafür, dass Russland die Ukraine und die Krim als Teil seiner Einflusszone betrachte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
Mehr Zugverkehr wagen
Holt endlich den Fernverkehr ins Deutschlandticket!
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Stromspeicher für Erneuerbare Energien
Deutschland sucht die neue Superbatterie
Jette Nietzard gibt sich kämpferisch
„Die Grüne Jugend wird auf die Barrikaden gehen“