Krise in der Ukraine: Russland will seine Bürger schützen
Einen Einmarsch in die Ukraine plant Moskau offenbar nicht, eine Vollmacht zum Schutz der eigenen Bürger hat Putin aber. Die Waffenruhe ist brüchig, es kommt zu Schüssen.
MOSKAU/WASHINGTON/BERLIN dpa/afp | Russland bereitet nach Angaben von Kremlsprecher Dmitri Peskow keinen Militäreinsatz in der Ukraine vor. Präsident Wladimir Putin habe sich zwar eine Vollmacht geben lassen, um russische Bürger in dem krisengeschüttelten Land notfalls zu schützen, sagte der Sprecher am Samstag im russischen Staatsfernsehen. Allerdings unternehme Russland „nichts, was von Einmarschplänen zeugen würde“, sagte Peskow.
Die vom Westen kritisierte Stationierung von russischen Streitkräften an der Grenze zur Ukraine hatte Peskow in einer anderen TV-Sendung zuvor als Sicherheitsvorkehrung verteidigt.
Wie das Außenministerium in Kiew unterdessen mitteilte, stellte die Regierung die aktive Phase ihrer Anti-Terror-Operation im prorussischen Gebiet Donezk vorläufig ein. „Die Operation selbst geht aber weiter“, teilte das Außenamt in Kiew mit. Ziel sei es, der Bevölkerung illegale Waffen zu entziehen was am Sonntag im Kleinen gelang. Innenminister Arsen Awakow teilte in Kiew mit, dass in der Stadt Lugansk drei Menschen mit Maschinengewehren ohne Blutvergießen festgenommen worden seien. Das Innenministerium rief am Sonntag angesichts des Osterfestes die Menschen in der Ost- und in der Westukraine zu Versöhnung und Einheit auf.
Doch die Waffenruhe ist brüchig. Bei einem Schusswechsel bei Slawjansk im Osten der Ukraine sind am Sonntagmorgen vier Menschen getötet worden. Wie einer der Anführer der prorussischen Milizen, Wyatscheslaw Ponomarew, vor Journalisten sagte, kam es an einer Straßensperre in dem Dorf Bilbasiwk östlich von Slawjansk zu der Schießerei. Dabei seien drei prorussische Kämpfer und einer der Angreifer getötet worden.
Der ukrainische Ministerpräsident Arseni Jazenjuk hat Putin unterdessen vorgeworfen, von der Wiederherstellung der Sowjetunion zu träumen. „Präsident Putin hat den Traum, die Sowjetunion wieder zu errichten“, sagte Jazenjuk in einem Interview mit dem US-Fernsehsender NBC, das am Sonntag gesendet werden sollte. Jeden Tag schreite er weiter und weiter voran, ohne zu wissen, wo das Endziel sei. „Ich denke, es wäre die größte Katastrophe dieses Jahrhundert, wenn die Sowjetunion unter der Federführung von Präsident Putin wieder errichtet würde.“
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) forderte eine schnelle Aufstockung der OSZE-Mission in der Ukraine und kündigte dafür deutsche Unterstützung an: „Ihren Einsatz in der Ost-Ukraine unterstützen wir personell und finanziell. Wir setzen uns dafür ein, dass möglichst bald die volle Missionsstärke von 500 Beobachtern erreicht wird“, sagte Steinmeier der Bild am Sonntag.
Steinmeier warnt vor weiteren Sanktionen
Von der Androhung weiterer Sanktionen gegen Russland hält er jedoch nichts. „Ich wünsche mir manchmal, dass dasselbe Engagement, das in der Sanktionsdebatte aufgebracht wird, auch bei der Vermeidung weiterer Zuspitzungen bestände", sagte Steinmeier der Zeitung. „Die Sanktionsdebatte haben wir doch in aller Ausführlichkeit geführt.“ Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hatte am Wochenende Russland erneut mit Wirtschaftssanktionen gedroht.
Nach Angaben der ukrainischen Regierung sollten führende Vertreter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) die Ostukraine reisen, um dort mit Mitarbeitern konkrete und praktische Schritte für eine Deeskalation des aktuellen Konflikts einzuleiten.
In vielen Städten der Ostukraine besetzen seit Wochen russisch orientierte bewaffnete Uniformierte zahlreiche öffentliche Gebäude. In Donezk haben Aktivisten sogar eine Volksrepublik ausgerufen. Sie fordern eine Föderalisierung der Ukraine mit Autonomierechten für die russischsprachigen Gebiete. Eine bei internationalen Krisengesprächen in Genf vereinbarte Entwaffnung lehnten sie ab. Die Spannungen gefährden die für den 25. Mai geplante Präsidentenwahl.
Die USA, die EU, Russland und die Ukraine hatten am Donnerstag in Genf beschlossen, dass gewaltbereite Gruppierungen entwaffnet und besetzte öffentliche Gebäude freigegeben werden müssten. Die schwer bewaffneten prorussischen Uniformierten lehnen dies ab.
Die prorussischen Aktivisten fordern, dass der „gewaltbereite Rechte Sektor sowie andere faschistische Gruppen“ ihre Waffen niederlegen. Außerdem verlangten sie eine Freigabe des seit November von prowestlichen Kräften besetzten zentralen Unabhängigkeitsplatzes in Kiew.
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