Krise in Nicaragua: Zwischen Drohung und Dialog
Präsident Daniel Ortega scheint fest im Sattel zu sitzen – noch. Denn der Druck aus den USA steigt. Dort will man einen Regimewechsel.
Tatsächlich wurde Medardo Mairena, der schon vor Jahren wegen seines Widerstandes gegen ein gigantomanisches Kanal-Projekt ins Visier von Präsident Daniel Ortega geraten war, zu 216 Jahren Haft verurteilt, zwei Kollegen zu 210 respektive 159 Jahren.
Sie sollen für den Tod von vier Polizisten bei Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Polizei im vergangenen Juli verantwortlich sein. Selbst der Ortega-treue Staatsanwalt hatte nur etwa ein Drittel dieser Strafe gefordert. Das nicaraguanische Strafgesetz sieht als Höchststrafe 30 Jahre vor.
Seit vor zehn Monaten landesweite Proteste gegen den autoritär regierenden Ortega sowie seine Frau und Vizepräsidentin Rosario Murillo begannen, sind zwischen 350 und 520 Menschen getötet worden. Mehrere hundert sitzen in Haft und warten auf ähnlich exemplarische Strafen wie Mairena.
Ins Exil geflohen
Demonstrationen und öffentliche Versammlungen sind verboten, Tausende Regime-Gegner sind ins Exil geflohen. Deswegen scheint Ortega wieder fest im Sattel zu sitzen.
Die jüngsten Drohungen aus Washington dürften aber Eindruck gemacht haben. Donald Trump hat ja gedroht, nicht nur in Venezuela, sondern auch gleich in Nicaragua für die Beseitigung eines sozialistischen Regimes zu sorgen.
Sicherheitsberater Bolton, der offenbar daran arbeitet, hatte schon in den 1980er Jahren eine unrühmliche Rolle in der Iran-Contras-Affaire gespielt. Damals hat eine Gruppe von Geheimdienstlern im Auftrag von Präsident Ronald Reagan über illegale Drogen- und Waffengeschäfte die nicaraguanischen Konterrevolutionäre finanziert.
Sei es, dass die Drohungen aus den USA Wirkung zeigen, sei es unter dem Druck einer wirtschaftlichen Talfahrt: Ortega hat am vergangenen Samstag Vertreter der Bischofskonferenz und des Unternehmerverbandes getroffen, um einen Ausweg aus der Krise zu suchen. Ein „nationaler Dialog“, an dem eine breite Oppositionsallianz beteiligt war, war im vergangenen Mai gescheitert. Keine Seite zeigte sich damals kompromissbereit.
Auschluss der Öffentlichkeit
Roberto Courtney, Chef der unabhängigen NGO Ética y Transparencia (EyT), plädiert in der Online-Zeitung Confidencial dafür, einen neuen Dialog unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu führen. Beim ersten Dialog, der live im Fernsehen übertragen wurde, seien nur maximalistische Forderungen ausgetauscht worden. Für echte Kompromisse brauche man eine vertrauliche Atmosphäre.
Vorbedingung für die Opposition ist allerdings die Freilassung der politischen Gefangenen. Eine Kategorie, die für Ortega nicht existiert. Für ihn sind die Häftlinge Terroristen, Aufwiegler und Mörder.
Zweifelhaft ist auch, ob Ortega sich an Vereinbarungen hält, wenn es ihm nicht mehr opportun erscheint. Im Januar hatte eine Delegation des Europäischen Parlaments unter anderem das Frauengefängnis besucht und sich ausbedungen, dass Informantinnen keinerlei Repressalien ausgesetzt würden. Wenige Tage später wurden aber, wie das Komitee für Politische Gefangene mitteilte, Insassinnen, die mit der Delegation gesprochen hatten, von Wärtern verprügelt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Ende der scheinheiligen Zeit
Hilfe, es weihnachtete zu sehr
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“