Krise in Mali: Der Oberst von Kidal
Adama Kamissoko ist eigentlich Gouverneur der unruhigen Stadt Kidal, aber bisher lebt er in der Hauptstadt Bamako. Der taz erklärt er, warum er jetzt zurückwill.
BAMAKO taz | Er will auf jeden Fall am 28. Juli in Kidal wählen, sagt Adama Kamissoko. Der 58-jährige Oberst und Gouverneur der nordostmalischen Stadt sitzt im Wohnzimmer seines Hauses in Bamako, knapp 1.600 Kilometer entfernt. Um einen Glastisch stehen große, hellbeige Ledersofas auf einem weichen Teppich. Vor den Fenstern hängen Gardinen, an der Decke zwei Ventilatoren.
Hier hat sich Kamissoko das Wochenende über auf seine Rückkehr in den Norden vorbereitet. Ständig klingelt eins seiner Handys. Wenn jemand aus Kidal anruft, gibt es ganz spezielle Klingelzeichen, erklärt er und lächelt.
Adama Kamissoko wirkt gelassen. Dabei gibt es jeden Tag neue, schlechte Nachrichten aus Kidal. Fast täglich kommt es zu Demonstrationen, mit denen die Rückkehr der malischen Armee in die Hochburg der Tuareg-Rebellen verhindert werden soll. Diese Proteste sollen auch letzten Donnerstag schon einmal die Rückkehr von Gouverneur Kamissoko verhindert haben.
Wenige Stunden nach seiner Ankunft war er da wieder in den Flieger zurück nach Bamako gestiegen. Interpretiert wurde das teilweise sogar so, als sei er aus der Stadt gejagt worden.
Hochburg der Tuareg-Rebellen
Kidal ist die letzte Hochburg der Tuareg-Rebellenbewegung „Nationale Befreiungsbewegung von Azawad“ (MNLA). Als Gao und Timbuktu – die beiden anderen großen Städte des Nordens – längst durch die französische Militärintervention als von Islamisten und Terroristen befreit galten und dort der malische Staat zurückkehrte, zeigte in Kidal die MNLA wieder offen Präsenz.
Nach zähen Verhandlungen kam es Mitte Mai in Burkina Fasos Hauptstadt Ouagadougou zu einem Friedensabkommen. Das sollte die Rückkehr von Armee und Verwaltung ermöglichen sowie die Präsidentschaftswahlen vom 28. Juli auch in Kidal.
Doch in Malis Hauptstadt Bamako ist nach wie vor für viele unerklärlich, wie ausgerechnet mit der MNLA – sie hatte vergangenes Jahr im Norden Malis einen unabhängigen Staat „Azawad“ ausgerufen – ein Vertrag geschlossen werden konnte, während andere Gruppen bekämpft wurden.
Die Berichte, dass nun seit Wochen ausgerechnet in Kidal gegen das Friedensabkommen demonstriert wird, kennt der Gouverneur. „Es gab verschiedene Zeitungen, die über Demonstrationen geschrieben haben“, sagt Kamissoko, „aber seit mehr als einer Woche schon nicht mehr. Jeder wartet gespannt auf die Wahlen und will auch, dass gewählt wird.“
Das sei auch Ziel der Reise in der vergangenen Woche gewesen, die nach seiner Darstellung ohnehin nur für einen Tag angesetzt war, als erste Vorbereitungstour für den 28. Juli, wenn die Malier wieder einen Präsidenten wählen sollen.
Wahlkampf? Kein Problem
Die Verwaltungsstrukturen kehren, so der Gouverneur, langsam nach Kidal zurück. Die Reise am Donnerstag sei dafür ein ganz wichtiger Schritt gewesen. „Ich bin mit meinen engsten Mitarbeitern geflogen. In Gao haben wir eine Zwischenlandung gemacht, um dort Material für die Wahlen abzuholen.“ Auch die ersten 1.000 Wählerkarten seien bereits in der Stadt.
Doch ob die 28 Präsidentschaftskandidaten in Kidal Wahlkampf machen, weiß er nicht. Laut Adama Kamissoko könnten sie aber ruhig kommen.
Trotzdem halten sich die Befürchtungen, dass es gerade in Kidal zu Anschlägen während der Wahlen kommen könnte. In der vergangenen Woche gab es Gerüchte, dass wieder Islamisten in der Stadt gesichtet worden seien. Gouverneur Kamissoko weiß davon nichts. Dennoch ist auch für ihn klar: „Natürlich können wir keine hundertprozentige Sicherheit garantieren.“
Dennoch will er optimistisch bleiben. „Wir sind doch alle Malier“, sagt er. Dass es in Kidal länger mit der Befreiung gedauert hat, sei nicht zu ändern. „Schritt für Schritt kehren wir zurück.“
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