Krise in Haiti: Regierung dringend gesucht

Die Staaten der karibischen Gemeinschaft verhandeln in Jamaika über Haitis Zukunft. Mehrere Vorschläge für eine Übergangsregierung sind im Gespräch.

Gangmitglieder von Jimmy Cherizier, alias "Barbecue" - schwer bewaffnet mit schwarzen Sturmhauben

Während in Jamaica über die Zukunft Haitis verhandelt wird, terrorisieren die Gangs die Bevölkerung Foto: David Lorens/Max/imago

FRANKFURT/M. taz | Ein Ausweg aus der haitianischen Krise wird derzeit in Jamaika verhandelt: Seit Montag tagen dort die Staaten der karibischen Gemeinschaft (Caricom), die bereits vergangene Woche mit unterschiedlichen haitianischen Vertretern verhandelten, um eine Übergangslösung zustande zu bekommen. Konkret im Gespräch sind mehrere Varianten für eine Übergangsregierung.

Der wichtigste Vorschlag kommt von dem 2021 gegründeten und wesentlich von Organisationen der haitianischen Zivilgesellschaft getragenen sogenannten Montana Accord, in dem auch Vertreter des Unternehmertums, der Kirche, der Partei Famni Lavalas und der haitianischen Diaspora in den USA organisiert sind.

In einem Papier für die Sitzung der Caricom schlagen sie unter anderem die Bildung eines fünfköpfigen Präsidentschaftsrats vor, der aus Personen bestehen solle, die nachweislich weder in Verbrechen verwickelt sind, noch mit Gangs in Verbindung gebracht werden können. Die Ratsmitglieder sollen laut diesem Vorschlag nicht bei späteren Wahlen kandidieren können und auch keine eigenen parteipolitischen Interessen verfolgen.

Zum ersten Mal hat sich diese Gruppierung auch hinter den Einsatz einer internationalen Polizeimission unter der Führung Kenias gestellt. Bislang wurde diese Gruppierung von den USA, der EU und der UNO-Haiti-Vertretung allerdings weitestgehend ignoriert.

Krise „dank einer desaströsen US-Politik“

Andere politische Parteien, denen eine Nähe zu den bisherigen Regierungen unterstellt wird, haben ebenfalls einen Vorschlag vorgelegt. Die Forderungen der USA nach einer Einigung aller politischen Kräfte lehnten die Organisationen des Montana Accords bis dato ab, weil sie dann mit politischen Kräften zusammenarbeiten müssten, die für die Krise maßgeblich verantwortlich sind. Unterdessen schlagen die USA und Kanada vor, dass der Chef des Kassationsgerichts – einer Art Verfassungsgericht – übergangsweise die Präsidentschaft übernehmen soll.

Dieser Vorschlag entspräche der haitianischen Verfassung. Allerdings ist nach Jahren der systematischen Schwächung des Justizapparats die Frage offen, ob das Kassationsgericht noch die nötige Glaubwürdigkeit als unabhängiges Gremium besitzt.

Der stellvertretende US-Außenminister Brian Nichols erklärte am Wochenende „Es ist dringend. Es gibt keine schlimmere humanitäre Krise als die in Haiti.“ Diese Erklärung löste eine Debatte auf X. So kritisierte ihn die US-Journalistin Amy Wilentz, eine der renommiertesten Kennerinnen Haitis in den USA, unter anderem dafür, dass „die USA zwei Jahre lang tatenlos zugesehen haben, wie sich diese Krise entfaltet“.

Auch einer der wichtigsten haitianischen Unternehmer, der Chef des Tele-Unternehmens digicel, Maarten Boute, twitterte: „Die USA müssen ihre Rolle in der gegenwärtigen Krise Haitis anerkennen. Gangs, die vom Drogenschmuggel für den US-Konsum leben, ausgestattet mit Waffen aus den USA, sind dank einer desaströsen US-Politik immer stärker geworden.“

Inzwischen wurde der deutsche Botschafter gemeinsam mit Ver­tre­te­r:in­nen der EU am Sonntag in die Dominikanische Republik ausgeflogen. Die US-Botschaft holte ebenfalls Personal nach Hause und hat Special Forces der Marines zum Schutz vor Ort.

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