Krise des FC Bayern München: Kahns Ärger ist unsere Hoffnung
Sein Zorn wirkt überzogen, doch der Bayern-CEO dürfte wissen, dass jede Hegemonie einmal enden wird, selbstverständlich auch die des FC Bayern.
H err Kahn hat sich geärgert. In der 95. Minute des Fußballbundesligaspiels gegen Borussia Dortmund kassierte der FC Bayern München, für den Oliver Kahn als CEO die unternehmerische Verantwortung trägt, den Ausgleich zum 2:2. Aus der Perspektive Kahns ist das der Verlust von zwei Punkten, eine durchaus ökonomische Größe.
Dass sich Kahn mehr als nur geärgert hat, gebrüllt hat er vor Wut, freut viele Fans. Das dürfte am mit dem sehr deutschen Wort Schadenfreude zu erklärenden Gefühl liegen, denn wer so lange die Liga dominiert hat wie der FC Bayern, dem gönnt man gerne den ein oder anderen Absturz. Schon vier Unentschieden nach dem 9. Spieltag, und über die 0:1-Niederlage der Bayern in Augsburg hat sich das Gros der Fans ähnlich gefreut wie über Anthony Modestes Ausgleichstreffer am vergangenen Samstag.
Doch es ist keine gemeinsame Freude für Augsburg oder für Dortmund, sondern die Häme gegen den Abonnementmeister Bayern. Dass die Bilder des sich ärgernden Kahn viral gehen, verrät ja auch, dass es Menschen gibt, die gar nicht unbedingt das Spiel gucken, sondern nur wissen wollen, wie es den Bayern-Chefs dabei geht. Was die Funktion des Hämeableiters angeht, ist Oliver Kahn ein würdiger Hoeneß-Nachfolger.
Kahns Ärger ist verständlich, und der besondere Furor ist wohl aus seiner individuellen Psyche zu erklären. Die Bilder vom Torwart Kahn sind ja noch allzu gut in Erinnerung. In der Sache dürfte Kahns Entsetzen über das 2:2 nicht allzu begründet sein. Sein Verein liegt derzeit auf Platz drei, und dass die vor ihm liegenden Klubs – Union Berlin und SC Freiburg – das Zeug haben, eine ganze Saison zu dominieren, ist höchst unwahrscheinlich. Am Ende setzt sich fast immer die Stärke des Kaders durch, und da führen die Bayern deutlich.
Kahn allerdings dürfte schlau genug sein, um zu wissen, dass jede Hegemonie einmal enden wird, selbstverständlich auch die des FC Bayern. Entweder weil der Klub irgendwann nach unten durchgereicht wird – das ist die sportliche Lösung. Oder weil der Klub sich irgendwann totgesiegt hat, sodass es keine Konkurrenz, keine Nachfrage mehr gibt – das ist die ökonomische Lösung. Kahns Ärger verrät im Grunde nur seine Angst, als derjenige in die Bundesligahistorie einzugehen, der zum Zeitpunkt des Niedergangs die Verantwortung trug. So eine Art Egon Krenz der Fußballgeschichte.
Dass die Person Oliver Kahn daran gar nicht schuld wäre, ist egal. Am spät geschossenen Ausgleichstreffer in Dortmund war er ja auch nicht schuld.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Spardiktat des Berliner Senats
Wer hat uns verraten?
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!