Krise der Wrestlingbranche: Stars im Rentenalter
Eine „Reunion-Show“ zeigte vor allem alte Helden des Sports. Dem US-Konzern World Wrestling Entertainment fehlen Innovationen.
Und am Ende lagen sie sich alle in den Armen am Montagabend. Die Ausgabe von „Raw“, der wöchentlichen Show des weltgrößten Wrestling-Veranstalters World Wrestling Entertainment (WWE), stand unter dem Motto „Reunion“. Sprich: Eine große Wiedersehensparty mit Granden vergangener Jahre, und natürlich war der unvermeidbare Hulk Hogan, mittlerweile 65 Jahre alt, an vorderster Front dabei.
Zum Ende der dreistündigen Show feierte eine Vielzahl jüngerer und älterer Ikonen im Ring eine große Party, unter dem Jubel des Publikums in der Amalie Arena von Tampa, Florida. Allerdings: Der WWE hätte nichts Schlimmeres passieren können.
Die Reunion wurde dem Unternehmen vom USA Network, dem übertragenden TV-Sender, aufgezwungen – als Reaktion auf immer schlechtere Quoten der Show, so berichtete im Vorfeld Szenekenner Dave Meltzer. Dass man senderintern eine große Wink-Veranstaltung mit Namen von Anno Dazumal für erfolgversprechender hielt, ist eine Bankrotterklärung.
Der WWE fehlen die neuen großen Stars, die echten Publikumsmagneten. Seit Jahren schon läuft die Suche nach einem vom Kaliber Hogan oder Dwayne „The Rock“ Johnson. Immer noch stehen die Helden von gestern als Attraktion im Rampenlicht.
Bei der 35. Ausgabe der jährlich stattfindenden „Wrestlemania“ im April traten in einem der Hauptmatches der 49-jährige „Triple H“ – unter seinem Realnamen Paul Levesque mittlerweile auch hinter den Kulissen wichtiger Macher – und der 50-jährige Dave Bautista an. Bei der „Super Show Down“ in Saudi-Arabien im Juni war das Match zwischen dem 54-jährigen „Undertaker“ und dem 52-jährigen Bill Goldberg ein Höhepunkt.
Planlose Präsentation
Die Hauptschuld an der Entwicklung sehen viele Fans und Experten bei WWE-Patriarch Vince McMahon, der auch mit 73 Jahren noch die Geschicke hinter den Kulissen lenkt. Der als Kontrollfreak berüchtigte Milliardär ist jedoch bekannt dafür, von der (Wrestling-)Welt außerhalb seiner WWE wenig bis gar nichts zu wissen.
Zwar gab es in den letzten Jahren gute Ansätze. „Nxt“, so etwas wie die Entwicklungsliga der WWE, steht bei Fans und Experten weit höher im Kurs als die Flaggschiff-Sendungen „Raw“ und „SmackDown“. Hier liegt der Fokus – auch dank Levesque – auf Wrestling statt auf Show, die Matches sind oft hochklassiger, die Talente vielversprechend.
Anders bei den anderen Sendungen: Die Präsentation der dortigen Stars ist zu wechselhaft, wirkt planlos. Mal ist ein Wrestler in einer Show deutlich unterlegen, nur um wenige Wochen später plötzlich als ernsthafter Herausforderer auf einen Titel dargestellt zu werden – und umgekehrt. Identifikations- und Begeisterungpotenzial für Fans: gleich null.
Immerhin: Die WWE installierte zuletzt die erfahrenen Branchengrößen Paul Heyman und Eric Bischoff als Verantwortliche für „Raw“ und „Smackdown“. Beide legen Wert auf durchdachtes „Geschichtenerzählen“ und auf die oft vermissten Überraschungsmomente. Es sollte funktionieren. Sonst verlangt der Sender bald die nächste „Reunion“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Der Fall von Assad in Syrien
Eine Blamage für Putin