Sport im Shutdown: Ringen vor Geistern

Im Wrestling läuft die Show schon wieder – ohne Live-Publikum. Das Event könnte Vorbild sein für die großen Profi-Ligen im US-Sport.

Ein Showringer drückt einen anderen in die Seile

Unverwüstlich: Dem Undertaker (r.) kann weder Gegner noch Corona etwas anhaben Foto: Zuma Wire/imago

Okay, wir könnten jetzt beschließen, dass Wrestling nicht nur knallbuntes Entertainment mit Comic-Charakteren in clever inszenierten Storylines ist, sondern echter Sport. Dann, ja dann könnten wir in dieser Kolumne tatsächlich mal wieder über Sport berichten. Denn die Show muss weitergehen und so eine kleine Pandemie konnte die WWE nicht davon abhalten, das „Wrestle Mania“-Event Nummer 36 über die Bühne gehen zu lassen.

Nicht wie geplant in einem Stadion in Tampa vor mehr als 60.000 Zuschauern, sondern hinter verschlossenen Toren in einem Trainingskomplex in Orlando – und mit Stars wie Becky Lynch, Charlotte Flair und Brock Lesnar, die sich in insgesamt 18 Kämpfen reichlich mit schmierinfektionstauglichen Körperflüssigkeiten eindeckten. Der Undertaker war übrigens auch dabei, obwohl er mit 55 Jahren kräftigen Schrittes in Richtung Hochrisikogruppe unterwegs ist.

„Wrestle Mania“-Moderator Gronk, einst unter dem Namen Rob Gronkowski als Football-Profi der New England Patriots dreimaliger Gewinner des „Super Bowl“, gab die Linie vor: „Macht euch ein Bier auf, vergesst, was da draußen in der Welt gerade passiert, und lasst euch unterhalten.“ Der US-Sport hatte ja noch nie große Berührungsängste zum Entertainment, aber in diesem Fall blickten die Verantwortlichen der großen US-Ligen von Basketball über Eishockey und Baseball bis zum Football aus anderen Gründen interessiert zum Catchen.

Denn in Orlando wurde eines jener Szenarios durchgespielt, die hinter den Kulissen längst eifrig diskutiert werden. Unter welchen Bedingungen kann der Spielbetrieb wieder aufgenommen werden? Denn auch wenn die NBA oder die NFL ein paar Milliönchen mehr umsetzen als der Blumenladen an der Ecke – ohne Einnahmen können auch die schwerreichen Teambesitzer nicht ewig die laufenden Kosten decken. Ganz zu schweigen von den Jobs, die direkt oder indirekt von der Sportindustrie abhängen, von Platzanweisern, Merchandising-Verkäufern oder Parkwächtern, die jetzt Sozialhilfe beantragen müssen.

Vorbild Catchen

Dass ein Sportevent ohne Publikum und in Trainingshallen funktionieren kann, hat „Wrestle Mania“ gezeigt. Auch wenn es Unterschiede zwischen einem Basketballspiel und einem inszenierten Wrestling-Abend gibt, die Produktionsbedingungen sind vergleichbar. Dass die Einschaltquoten hervorragend waren und der Traffic in den sozialen Medien den von vorherigen, regulären WWE-Events übertraf, bewies zumindest, dass das TV-Publikum sich mit diesem kastrierten Format anfreunden kann – zumindest für eine gewisse Zeit.

Dass diese Übergangszeit nicht allzu lang wird, liegt offensichtlich auch im Interesse von Donald Trump. Am Samstag lud der Präsident die Chefs von 17 Sport-Ligen zu einer Telefonkonferenz. Dort verkündete er, dass er hoffe, bereits im August oder doch spätestens im September wieder große Sportveranstaltungen erlauben zu können – auch mit Zuschauermassen.

Er hofft, damit auch die Gesamtwirtschaft wieder ankurbeln zu können. Der Präsident, so wird es kolportiert, sorgt sich vor allem um den pünktlichen Beginn der NFL-Saison, deren erstes Vorbereitungsspiel für den 6. August angesetzt ist. Unter den Anhängern des Profi-Football vermutet Trump wohl nicht zu Unrecht den Großteil seiner Wähler. „Ich will die Fans zurück in den Arenen“, sagte er nach der Konferenz, „und das so bald wie möglich.“

Andere teilen diesen Optimismus nicht, dass die Gladiatoren dermaßen kurzfristig zurückkommen, um abzulenken vom Versagen der Politik in der aktuellen Krise. Gefragt, ob er sich vorstellen könne, dass im August Football-Spiele mit mehreren Zehntausend Zuschauern stattfinden werden, antwortete Gavin Newsom, der Gouverneur von Kalifornien: „Nein, nicht in diesem Bundesstaat.“ Ähnliches ließ New Yorks Andrew Cuomo wissen: „Ich wünschte, es gäbe wieder Sport zu sehen – schon als Mittel gegen den Lagerkoller.“ Aber, so Cuomo, das sei bloß Wunschdenken – und die Realität ist eben kein Wrestling-Drehbuch.

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