Krise bei Werder Bremen: Grün ist der Abschwung
Teure Profis günstig abzugeben: Nach dem Aus im DFB-Pokal steht für Aufsichtsratschef Willi Lemke ein „Zwischenjahr“ an – mehr ist nicht drin.
Es ist gute Gewohnheit im Hause von Willi Lemke, immer dann Freunde und Familie vorm Fernseher zusammenzuholen, wenn ein Auswärtsspiel des SV Werder Bremen ansteht. Vergnügungssteuerpflichtig sind die Zusammenkünfte meist nicht. Am Sonntag ist Lemke sogar regelrecht erschrocken. „Dieses Pokal-Aus tut uns wirklich weh“, sagt er.
Sportlich wie wirtschaftlich. Auch am Tag danach stand der 66-Jährige unter dem Eindruck der Blamage beim 1. FC Saarbrücken. Das 1:3 nach Verlängerung wirkte fast wie eine Blaupause zu den Fehltritten beim 1. FC Heidenheim (2011) oder Preußen Münster (2012). Schwerfällig und fehlerhaft schleppte sich der Erstligist über den Rasen und trottete am Ende als verdienter Verlierer vom Platz.
„Das hat mich schon mitgenommen. Die Vorbereitung war eigentlich okay“, sagte Lemke am Montag. Er wolle nicht von einer Katastrophe sprechen, „aber ein Betriebsunfall ist das auf alle Fälle.“ Zur Unzeit wird die erhoffte Aufbruchstimmung von ersten Krisensymptomen abgelöst. Eigentlich sind ja vom Aufsichtsrat ein charismatischer Cheftrainer (Robin Dutt) und ein smarter Geschäftsführer Sport (Thomas Eichin) installiert worden, um nach der Ära Schaaf/Allofs alles auf Anfang zu setzen. Doch so leicht lassen sich eingeschliffene Verhaltensweisen offenbar im Profikader nicht aufbrechen.
Dutt, der auch in Leverkusen mit einem Pokal-K.-o. einen denkbar ungünstigen Einstand feierte, strich direkt den trainingsfreien Montag und bat zur Videoanalyse und Aufarbeitung – als ein Zeichen nach draußen, „dass wir die Situation nicht auf die leichte Schulter nehmen“. Der 48-Jährige hatte noch im Ludwigspark die aufgebrachten Fans beschwichtigt und ausgemacht, dass er bei den Spielern „psychologische Aufbauarbeit“ leisten müsse, Nachhilfe im „taktischen und technischen Bereich“ gebe es auch. Lemke ahnt, dass es am Samstag in Braunschweig zum frühen Gradmesser für die Stimmungslage kommt. „Ich will jetzt nicht alles infrage stellen, aber man steht vorm Start in die Bundesliga unter Druck.“
Gleichwohl zweifle er nicht an Dutt: „Der neue Trainer hat viele gute Ideen, bringt neuen Schwung und macht einen positiven Eindruck. Er arbeitet aber mit einem Kader, der offenbar nicht sofort den Schalter umlegen kann.“ Auch Dutts Wunschspieler, der Exfreiburger Cedrick Makiadi, erwies sich nicht als Stabilisator, der italienische U21-Nationalspieler Luca Caldirola gar als Sicherheitsrisiko. Im neuen 4-3-3-System ging nach vorne fast gar nichts. Eigentlich bräuchte es in allen Mannschaftsteilen erstligataugliche Alternativen, doch das Geld ist nicht da.
Offerten erhofft
Lemke: „Ein Weiterkommen wäre auch wirtschaftlich lukrativ gewesen. Wir spielen bekanntlich nicht im Europapokal, und der DFB-Pokal ist der einzige Wettbewerb, der als zusätzliche Einnahmequelle hätte dienen können.“ Einen Verlust von 13,9 Millionen Euro hatte Werder zuletzt ausgewiesen, im abgelaufenen Geschäftsjahr kommt erneut ein einstelliger Millionenbetrag hinzu. Und noch immer verdienen viele Profis an der Weser auf hohem Niveau. Das engt den Handlungsspielraum von Eichin ein, der auf dem Transfermarkt gerne aktiver agieren würde. Der zuvorderst als Krisenmanager geforderte 46-Jährige hat noch nicht einen Pflichtspielsieg erlebt.
Ob personell nachgebessert werden kann, hängt davon ab, ob besser verdienende Profis noch abgegeben werden können. Marko Arnautovic, der polarisierende Grenzgänger auf Rechtsaußen, wäre solch ein Kandidat. Aber dafür müsste es erst einmal eine Offerte geben. So ist auf allen Ebenen Ernüchterung eingekehrt. „Diese Saison stufe ich als Zwischenjahr ein. Es geht um die Konsolidierung; darum, mit dem Abstieg nichts zu tun zu haben“, sagt Lemke.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen