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Krimis aus und über SüdafrikaDreck am Stecken

Was läuft schief in Südafrika? Drei packende Kriminalromane liefern auf sehr unterhaltsame Weise erzählerische Antworten.

Aus den internationalen Nachrichten kennt man Ereignisse wie das Massaker südafrikanischer Polizeieinheiten an 34 protestierenden Minenarbeitern in Marikana 2012 Foto: imago/Gallo Images

Fangen wir mal mit einer Schmähung an. Warum gibt es kein „CSI: Cape Town“ im Fernsehen? Ganz einfach: „Die hätten die Resultate aus dem Labor zum ersten Fall nach Ende der Serie gehabt.“ Colonel Vaughn de Vries muss es wissen. Er ist ein alter Haudegen der Kapstädter Kriminalpolizei und einer der wenigen Buren dort. Früher war die südafrikanische Polizei von Briten dominiert, heute will sich die schwarze Bevölkerungsmehrheit des Landes bei den Ordnungshütern entsprechend repräsentiert sehen. Und es steht weiterhin schlecht um den Ruf der Polizei am Kap.

Ausgedacht hat sich den zynischen Colonel der in London und Kapstadt lebende Autor Paul Mendelson. Mit „Die Unschuld stirbt, das Böse lebt“ gibt der Dramatiker und Sachbuchautor ein furioses Krimidebüt. Colonel, den militärischen Rang hatte sein Ermittler nur vorübergehend nicht inne. 1994 hatte die ANC-Regierung unter Nelson Mandela zivile Bezeichnungen wie Commissioner (Kommissar) eingeführt. 2010 kehrte man jedoch zu den alten Dienstgraden aus der Apartheidszeit zurück.

Schön ist das nicht. Mendelsons Kriminalbeamter hat so einiges zu kritisieren am SAPS (South African Police Service), vor allem an seinen Vorgesetzten. Der wettergegerbte Säufer de Vries und sein Warrant Officer (Inspector) Don February schlagen sich mit dem Mord an zwei zu Lebzeiten offenbar jahrelang sexuell missbrauchten Teenagern herum. In der Truppe tobt währenddessen ein an Hautfarben orientierter übler Machtkampf. In dessen Strudel geraten auch de Vries und February. Es sind nicht die Fähigsten, die aus solchen Auseinandersetzung siegreich hervorgehen.

Vor allem diese Rahmenhandlung macht den recht konventionell nach allen Regeln der Kunst zügig auf seinen Showdown zusteuernden Thriller so lesenswert. Aus den internationalen Nachrichten kennt man Ereignisse wie das Massaker südafrikanischer Polizeieinheiten an 34 protestierenden Minenarbeitern in Marikana 2012. Oder den zweimaligen Austausch der Polizeiführungsspitze durch die ANC-Regierung im vorigen Oktober.

Wie Mendelson dagegen die auch nach dem Ende der Apartheid fortbestehenden Ressentiments und Vorurteile der Bevölkerungsgruppen auffächert, sie anhand des von Korruptionsskandalen geschüttelten Polizeiapparats unter häufigen Perspektivwechseln durchspielt, gehört zum Besten, was das Genre zurzeit zu bieten hat.

Irritierend brutal

Das durchgedrehte und irritierend brutale Ende des Romans lässt sich als Menetekel verstehen. Als düstere Mahnung, wohin fortdauernde, mit harten Bandagen ausgetragene ethnische Konflikte ein Land bringen können. Mendelson gibt zwar neben James Ellroy seinen älteren südafrikanischen Kollegen Deon Meyer als Vorbild an, allein dessen verhaltenen Optimismus teilt er nicht.

Kaum versöhnlichere Töne schlägt auch Mendelsons hoch gelobte Schriftstellerkollegin Malla Nunn an. Die Handlung ihres neuen Buchs, „Tal des Schweigens“, siedelt sie wie bereits ihre zwei Vorgänger in den 1950er Jahren an.

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Wie alle guten Krimis ist es zugleich auch ein packender Gesellschaftsroman. Nunn wanderte mit ihren Eltern in den 1970ern nach Australien aus. Als „gemischtrassiges“ Paar waren sie besonders mit dem System der Rassentrennung in Südafrika in Widerspruch getreten. Nunn wohnt bis heute nicht wieder am Kap. Ihrer starken Schreibe, aus der gelegentlich der Duft der Regenzeit des südlichen Afrikas aufsteigt, ist das nicht anzumerken.

Nicht ganz weiß

Nunns Cop, der nicht ganz weiße, aber gerade als weiß eingestufte Detective Sergeant Emmanuel Cooper, befindet sich zwischen den Laken mit der Geliebten seines Chefs. Da ereilt ihn der Anruf des Chefs. Eine junge Frau wurde ermordet. Cooper soll sich umgehend mit seinem Kollegen Shabalala von der Native Detective Branch von Durban aus in ein ländliches Kaff namens Roselet begeben, gelegen in der Nähe der den Drakensberge im saftig-grünen Kamberg Valley. Shabalala, „ein Schwarzer im Anzug“, wie sich dort die Leute bei seiner Ankunft wundern werden.

Natives, Eingeborene, wie das Apartheidregime die Schwarzen nannte, hatten eine eigene Polizeieinheit. Diese hatte wenige Befugnisse. Sie war den Nachkommen der Kolonisatoren untergeordnet, selbst wenn Polizisten höhere Ränge bekleideten. Natives wurden hinzugezogen, wenn es galt, unter Schwarzen zu ermitteln. Detective Shabalala ist es in den 1950er Jahren nicht erlaubt, ein Auto zu steuern. Es zählt zu den Skurrilitäten der früheren Apartheid, dass ihn sein weißer Vorgesetzter durch den südafrikanischen Linksverkehr kutschieren muss.

Unterdrückung in der leisesten Körpersprache

Nunn ist eine Meisterin darin, die Unterdrückung noch in der leisesten Körpersprache darzustellen. An der Zusammenarbeit ihres ungleichen Ermittlergespanns, beides sensible Männer mit ausgeprägtem Gerechtigkeitssinn, macht die Autorin das Ausmaß der Repression im damaligen Regime deutlich. Nunns Hauptaugenmerk gilt dabei den Frauen in ländlichen Regionen. Sie leiden unter traditionellen Rollenvorstellungen der Stammesgesellschaft und dem rassistischen Sexismus ihrer weißen Arbeitgeber.

Die junge Frau, die bei britischen Farmern als Hausmädchen arbeitete und von ihrem Vater, einem Zulu-Häuptling, gerade gegen einige Rinder verheiratet werden sollte, hatte kurz vor ihrer Ermordung noch versucht, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. So weit entfernt ist Nunns Geschichte von der Gegenwart nicht.

Gleiche Chancen gibt es auch im Südafrika von heute für die meisten Frauen nur auf dem Papier. Seit Längerem versuchen in KwaZulu-Natal Lokalfürsten, mit Unterstützung von Staatspräsident Jacob Zuma, den patriarchalen Stammesgesetzen aus grauer Vorzeit wieder mehr Geltung zu verschaffen. Malla Nunn macht ohne falsche didaktische Töne deutlich, was es bedeutet, als Frau hier aufzuwachsen.

Knackiges Sittengemälde

Mit einer etwas bemühten Exposition beginnt die in Heidelberg lebende Südafrikanerin Charlotte Otter ihre Erkundung der offenen Wunden des Landes. „Karkloof Blue“ spielt im Pietermaritzburg von heute. Ein Holzkonzern unter schwarzer Führung droht das Habitat der titelgebenden, vom Aussterben bedrohten Schmetterlingsart zu vernichten. Der scheinbare Ökothriller entpuppt sich jedoch schon nach wenigen Seiten als weiteres knackiges Sittengemälde, diesmal aus einer der nach außen hin niedlichsten Provinzstädte Südafrikas.

Wie schon in Otters Erstling, „Balthasars Vermächtnis“, ermittelt wieder die rastlose, auf hardboiled Art coole Reporterin Maggie Cloete. Bei der Rodung werden versehentlich die Gebeine von einem Dutzend Teenagern ausgebuddelt, alt genug, um aus der Zeit der Apartheid zu stammen. Dreck am Stecken, das findet Cloete bald heraus, haben hier aber nicht nur die damaligen weißen Herren der Gegend.

Wer wissen will, was in Südafrika heute los ist, darf keinen dieser Romane auslassen. Das Land hat wie kaum ein anderes versucht, das Ende eines Terrorregimes durch den weitgehenden Austausch des Personals in den staatlichen Organen gründlich zu besiegeln. Die Kriminalromane des Landes sind das Beste, was wir haben, um diesen Prozess, der so vielversprechend begann und bei dem dann so viel schiefging, zu begreifen.

Die Bücher

Paul Mendelson: „Die Unschuld stirbt, das Böse lebt“. Aus dem Englischen von Jürgen Bürger. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2015, 475 Seiten, 14,99 Euro.

Malla Nunn: „Tal des Schweigens“. Aus dem Englischen von Laudan und Szelinski. Argument Verlag, Hamburg 2015, 320 Seiten, 13 Euro.

Charlotte Otter: „Karkloof Blue“. Aus dem Englischen von Katrin Kremmler und Else Laudan. Argument Verlag, Hamburg 2015, 288 Seiten, 13 Euro.

Für Südafrikas Leser lässt sich übrigens nicht von einem Krimiboom sprechen. Dabei würde man sich wünschen, seine Protagonisten mit ihrer glasklaren Sicht auf Vergangenheit und Gegenwart des Landes würden auch dort stärker zur Kenntnis genommen. Aber bei einem durchschnittlichen Monatseinkommen von 580 US-Dollar leistet sich in Südafrika kaum jemand Bücher.

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