Kriegsverbrechen und Armenien: Putins Angst vor Den Haag
Armenien debattiert erneut darüber, das Rom-Statut des Internationalen Strafgerichtshofs zu ratifizieren. Russland reagiert mit Drohgebärden.
Hintergrund der Drohgebärden ist neben dem Haftbefehl gegen Russlands Präsidenten Wladimir Putin wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen in der Ukraine eine Entscheidung des armenischen Verfassungsgerichts. Das hatte vergangene Woche das Römische Statut mit dem armenischen Grundgesetz für vereinbar erklärt.
Jerewan hatte das Statut 1998 als einer von 120 Staaten unterschrieben, jedoch nicht ratifiziert. 2004 urteilte das Verfassungsgericht in dieser Angelegenheit zum ersten Mal. Der Vertrag verstoße gegen Vorschriften der Verfassung, die die nationale Souveränität über juristische Angelegenheiten stellten, hatte es dort geheißen.
Seitdem passierte nichts mehr. Im vergangenen Dezember nahmen die Diskussionen über den IStGh jedoch wieder an Fahrt auf. Auslöser dafür war der Dauerkonflikt zwischen Armenien und seinem Nachbarn Aserbaidschan um die von Armenier*innen bewohnte Region Bergkarabach. Dort war 2020 nach einem 40-tägigen Krieg unter Vermittlung von Moskau ein Waffenstillstand ausgehandelt worden, den sogenannte russische Friedenstruppen sichern sollen.
Im Stich gelassen
Doch die Feindseligkeiten halten an, immer wieder kommt es zu Eskalationen. Mittlerweile waren auch Gebiete im Süden Armeniens mehrmals von aserbaidschanischen Angriffen betroffen. Die armenische Regierung von Ministerpräsident Nikol Paschinjan fühlt sich im Stich gelassen und wirft Russland, das dort seine einzige Militärbasis im Südkaukasus unterhält, Untätigkeit vor.
Die Ratifizierung des Römischen Status böte Jerewan die Möglichkeit, gegen Aserbaidschan vor den IStGh zu ziehen. Jedoch müssten armenische Behörden Wladimir Putin, sollte er nach Armenien reisen, festsetzen. Aus diesem Grund glaubt Ara Zakarian, armenischer Experte für Internationales Recht, dass der Ratifizierungsprozess erst einmal gestoppt werde. Laut armenischer Gesetzeslage muss die Regierung innerhalb von drei Monaten das Parlament mit dieser Frage befassen.
Demgegenüber hält der armenische Menschenrechtler Artur Sakunts die Ratifizierung des Römischen Statuts für extrem wichtig. Nur so könne sich Armenien in internationale rechtliche und institutionelle Strukturen integrieren. Das erlaube der Führung, auch dem kolossalen Druck Russlands zu widerstehen.
Von den Staaten der ehemaligen Sowjetunion haben außer den EU-Mitliedern Estland, Lettland und Litauen auch noch Georgien, Moldau und Tadschikistan das Statut ratifiziert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei