Krieg in der Ukraine: „Schlimmer als Hunde“

Aus Kriegsgefangenschaft freigekommene Ukrainer berichten von Misshandlungen. In einem ehemals besetzten Dorf wurde ein Folterkeller gefunden.

Portrait von Aiden Aslin

Auch der britische Aiden Aslin kam beim Gefangenenaustausch mit Russland frei Foto: ap

BERLIN taz | Nur wenige Tage nach ihrer Freilassung aus sechsmonatiger russischer Kriegsgefangenschaft am vergangenen Donnerstag hat die aus Mariupol stammende ukrainische Militärärztin Mariana Mamonowa am Sonntag eine Tochter zur Welt gebracht. Einer der ersten Gratulanten war Kirilo Timoschenko, stellvertretender Leiter der Präsidialadministration. Das Mädchen ist 57 cm groß und wiegt 3.250 Gramm.

Weniger erfreulich indes die Erzählungen von anderen der 215 ukrainischen Militärs und Zivilisten, die in der Nacht vom 21. auf den 22. September aus russischer Kriegsgefangenschaft im Rahmen des bisher größten Gefangenenaustausches seit dem Beginn des großen Krieges freigelassen worden sind. Während sich Mariana Mamonowa in einem Donezker Krankenhaus auf die Geburt hatte vorbereiten können, berichten andere ehemalige Kriegsgefangene von Misshandlungen in der Haft.

Zehn Tage habe er nur Wasser bekommen, zitiert das Portal nv.ua den Exgefangenen Dmitro Kosazkij. Ihr Sohn sei auf 55 Kilogramm abgemagert, berichtet seine Mutter. Bei ihrem ersten Treffen nach seiner Freilassung habe er kaum ein Wort gesprochen. Vier Monate lang habe er in der Haft mit niemandem reden können. Ein Stück Brot habe er pro Tag bekommen. Und das habe er sich in drei Portionen aufgeteilt.

„Wir sind schlimmer als Hunde behandelt worden“, zitiert der ukrainische Dienst der BBC den britischen Exgefangenen Aiden Aslin. Er sei geschlagen und misshandelt worden, weil man seine Tätowierungen – ein Symbol der Ukraine sowie weitere aus seiner Zeit in Syrien – entdeckt hatte. Drei Wochen habe er danach nur Brot und Wasser bekommen.

Kadyrow mit dem Austausch „unzufrieden“

Die ukrainischen Soldaten, unter ihnen auch Ausländer, die in den „Volksrepubliken“ von Donezk und Luhansk zum Tode verurteilt worden waren, waren gegen 55 russische Soldaten ausgetauscht worden. Unter den Freigelassenen war auch Viktor Medwetschuk, ein ukrainischer Oppositionspolitiker und Vertrauter von Wladimir Putin. Die meisten Exgefangenen halten sich in der Türkei auf, wo sie bis Kriegsende bleiben werden.

Unterdessen hofft man in der Ukraine auf weitere Gefangenenaustausche. Man habe genügend„Tauschmaterial“, zitiert das Portal strana.news einen Sprecher des ukrainischen Verteidigungsministeriums.

Wenig Begeisterung herrscht indes unter Russlands Kriegstreibern über diesen Austausch. Er sei „sehr unzufrieden“ damit, ließ der Kopf der Republik Tschetschenien, Ramsan Kadyrow, auf Telegram verlauten. „Ich denke, man darf nicht Terroristen gegen Soldaten eintauschen.“ Für einen „gleichwertigen Tausch“ hätte er noch Verständnis gehabt, so Kadyrow.

Unterdessen gehen die Referenden in den Gebieten Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson über eine Angliederung an Russland weiter. Doch inzwischen lassen auch Länder, denen man keine feindliche Einstellung zu Russland unterstellen kann, erkennen, dass sie die Referenden nicht anerkennen wollen – darunter auch die Türkei, zitiert die russische Agentur Ria Novosti Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu. Laut gazeta.ru soll auch Kasachstan eine Anerkennung ausgeschlossen haben.

Außerdem wurden neue Verbrechen der russischen Besatzer bekannt. Im Dorf Lypzi bei Charkiw habe man einen Keller entdeckt, in dem Ukraine-loyale Bewohner des Dorfes gefoltert worden sein sollen, so das Portal Obosrewatel.

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