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Krieg in der UkraineErst kämpfen, dann plündern

Die Schlacht um die ostukrainische Stadt Sewerodonezk hält an. Im besetzten Mariupol transportieren russische Truppen medizinisches Gerät ab.

Ukrainischer Soldat an der Frontlinie in der ostukrainischen Stadt Sewerodonezk Foto: Oleksandr Ratushniak/ap

Berlin taz | Zur Abwechslung versuchte es Russlands Außenminister Sergei Lawrow am Freitag einmal mit bildhafter Sprache. Moskau sei weiter offen für eine Fortsetzung des Dialogs mit der Europäischen Union. „Tango tanzen kann man nur zu zweit, unsere westlichen Partner üben sich jedoch lieber allein im Breakdance“, zitiert ihn das russische Onlineportal kommersant.ru.

Zuvor war die Tonlage eine etwas andere gewesen. Die Todesurteile in der sogenannten Volksrepublik Donezk (DNR) gegen zwei Briten und einen Marokkaner, die aufseiten der ukrainischen Armee gekämpft hatten, bezeichnete Lawrow als Entscheidung eines eigenständigen Staats. Die Prozesse fänden auf der Grundlage der Gesetzgebung der DNR statt. Er werde sich nicht in die Arbeit der Justiz und Strafverfolgungsbehörden einmischen, sagte Lawrow.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International bezeichnete die Urteile wegen „Söldnertums“ vom Donnerstag, gegen die drei Betroffene in Berufung gegangen sind, als Farce und Verletzung der Genfer Konvention über die Behandlung von Kriegsgefangenen. Die beiden Briten könnten in einem schmutzigen Spiel gegen Großbritannien benutzt werden, das die Ukraine im Krieg unterstütze.

Aus London waren am Freitag auch andere unerfreuliche Nachrichten zu vernehmen. Das britischen Verteidigungsministerium warnte vor einem Ausbruch der Cholera in der von russischen Truppen eroberten Hafenstadt Mariupol. Dort stehe das Gesundheitswesen kurz vor dem Zusammenbruch. Russland sei nicht in der Lage, eine Grundversorgung sicherzustellen.

Kämpfe könnten nun in Stellungskrieg übergehen

Das könnte auch an der ausgeprägten Mitnahmementalität der Besatzer liegen. Nach Angaben der Stadtverwaltung in Mariupol würden russische Truppen medizinisches Gerät, Busse, aber auch Kinderspielplätze abtransportieren. „Das wahre Gesicht der russischen Welt – Mord, Zerstörung und Plünderung“, heißt es in der Stellungnahme der Stadtverwaltung weiter.

Unterdessen dauerten die Kämpfe in der ostukrainischen Industriestadt Sewerodonezk mit unverminderter Härte an. Stellungen ukrainischer Streitkräfte würde Tag und Nacht beschossen, dennoch hielten die Truppen eigenen Angaben zufolge den Angriffen noch stand. Laut Bürgermeister Oleksandr Strjuk halten sich noch etwa 10.000 Zi­vi­lis­t*in­nen in der Stadt auf. Das entspricht etwa einem Zehntel der Bevölkerung vor dem Beginn des Kriegs.

Der ukrainische Militärexperte und Blogger Oleg Schdanow geht davon aus, dass die Kampfverhandlungen an der Front jetzt in einen Stellungskrieg übergehen. Trotz massiver Überlegenheit habe Russland sein Offensivpotenzial ausgeschöpft und brauche eine Pause, sagte er dem russischsprachigen Onlineportal Nastojaschee vremja. Voraussichtlich im August würden die russischen Truppen ihre Offensive wiederaufnehmen.

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10 Kommentare

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  • Der Historiker Schulze Wessel im Dlf ' Genau wie Hitler habe Putin geplant und vorbereitet mit einem Angriffskrieg den Frieden zerstört ... '

    • @Konfusius:

      Nun hätte der werte Historiker natürlich auch Bush oder irgendeinen anderen für einen Krieg verantwortlichen Politiker nennen können - aber unter dem Hitler-Vergleich macht man es heute scheinbar nicht mehr. Unsere liberale Mitte will hemmungslos hassen dürfen - und eigene historische Schuld auf ehemalige Opfer projizieren. Deutsche Zustände...

      • @O.F.:

        "Hemmungslos hassen dürfen" - was wollen Sie denn? Mitleid mit dem Agressor? Mord, Folter und Vergewaltigung gut finden? Achselzuckend zur Kenntnis nehmen, wenn sich spätestens in einem Jahr eine Hungerkatastrophe ereignet?



        Für die russischen Verbrechen gibt es keine Entschuldigung!



        Nehmen Sie doch einfach zur Kenntnis, dass "russische Erde heimgeholt" werden soll, das man sich mit Peter dem Grossen vergleicht, dass russische Ideologen nach dem Zarenreich und der Sowjetunion das dritte russische Reich zusammwnbasteln wollen usw. Mit Verlaub, mir fällt kein amerikanischer Präsident ein, der mit einer vergleichbaren Ideologie einen Krieg vom Zaun gebrochen hätte!

  • Russlands Sonderbemühungen vor Ort sind Teil der weltweiten Klimaschutzbewegung. In dem Krieg erleben das massive Aufkommen von Interessen, um jegliche Anstrengung in der Hinsicht zu verhindern. Das produktive Ergebnis, der primitive Zivilismus macht sich breit. Ich sehe nicht ein, sich dem lange beugen zu müssen.

    • @Picard:

      Ich habe Abitur und ein (naturwissenschaftliches) Studium, aber ich kann nicht nachvollziehrn, was Sie hier mitteilen wollen. Können Sie Ihr Anliegen noch einmal anders formulieren, damit ich es verstehen kann?

  • Wenn Russland gewinnt, ist das ein Sieg der Barbaren. Dass die zivilisatorischen Standards dann um einiges niedriger sein werden als es die Menschen in den eroberten Gebieten gewohnt sind, sollte daher nicht überraschen. Sollte die Cholera in Mariupol ausbrechen wird Russland einmal mehr andere dafür verantwortlich machen. Russland fällt mordend und brandschatzend über den Nachbarn her und macht dabei einen auf verfolgte Unschuld. Alles wie gehabt.

    • @Galgenstein:

      Danke für Ihre klare Stellungnahme. Meine vollständige Unterstützung.



      Dieser Überfall ist ein Anschlag auf das Völkerrecht. Ich bin, ehrlich gesagt, erschüttert, wie viele Leute völlig gleichgültig oder sogar verständnisvoll oder vielleicht sogar ganz einverstanden damit sind, dass einzelne Staaten ihren Nachbarn nicht in Ruhe und Frieden innerhalb gesicherter Grenzen leben lassen.



      Das sind garantiert die Leute, die in spätestens einem Jahr angesichts des dann in der Welt herrschenden Hungers in der Welt aus allen Wolken fallen und sagen werden, dass wir unbedingt helfen müssen. Dabei werden genau jetzt die Weichen in dieses Elend gestellt. Und einige von den ca. 40 Staaten, die bei der Abstimmung der UN-Vollversammlung keine Einwände gegen den Überfall hatten, werden mit Sicherheit um Hilfe bitten. Ich fasse es nicht.



      Albert Einstein meinte, zwei Dinge seien unendlich: das Universum und die Dummheit der Menschen. Wie recht er leider hatte!

      • @Carsten S.:

        Absolut treffender Kommentar. Ganz besonders unappetitlich wird es, wenn die von Ihnen benannten Gleichgültigen und Verständnisvollen sich dabei noch schamlos moralisch überlegen wähnen. Es ist einfach nicht zu fassen….

    • @Galgenstein:

      Googeln Sie mal "LTI"...

      • @O.F.:

        =>?