Krieg in der Ostukraine: Kein Schiff wird kommen
Frankreich hat die Lieferung eines Kriegsschiffs an Russland gestoppt. Derweil toben am Flughafen Donezk ungeachtet der jüngsten Friedensbemühungen heftige Kämpfe.
DONEZK/MOSKAU/PARIS dpa/ap/rtr | Trotz jüngster Friedensbemühungen haben sich Armee und Aufständische in der Ostukraine erneut schwere Gefechte geliefert. Die prorussischen Separatisten hätten den von Regierungseinheiten besetzten Flughafen von Donezk unter Feuer genommen, berichteten Medien aus der krisengeschüttelten Ex-Sowjetrepublik am Donnerstag.
„Wir haben zwei Angriffsringe um den Flughafen gezogen – den Soldaten bleibt nur, zu kapitulieren oder zu sterben“, sagte der Separatistenführer Wladimir Kononow. Bereits Ende Mai hatten die militanten Gruppen eine Großoffensive auf den Airport gestartet. Dabei waren mehr als 50 Aufständische ums Leben gekommen.
Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko flog unterdessen zum Nato-Gipfel nach Wales ab. Das teilte die Kanzlei des prowestlichen Staatschefs in Kiew mit. Poroschenko wolle bei dem Treffen auch über seine Verhandlungen mit Kremlchef Wladimir Putin berichten, hieß es. Die beiden Präsidenten sprachen zuletzt über eine Feuerpause und über Wege zum Frieden in der Ostukraine.
Russland hat seinen Willen signalisiert, zu einer Entspannung der Ukraine-Krise beizutragen. „Gemeinsam mit der OSZE sind wir bereit, praktische Schritte zu einer Deeskalation zu unternehmen“, sagte Außenminister Sergej Lawrow am Donnerstag der Nachrichtenagentur Interfax.
Lawrow bezog sich auf einen Plan zur Beilegung des Konflikts, den Präsident Wladimir Putin am Mittwoch vorgelegt hatte. Die Konfliktparteien in Kiew und in den Separatistenhochburgen Donezk und Luhansk sollten diese Vorschläge in Erwägung ziehen, sagte Lawrow. Der Plan sieht unter anderem die Entsendung internationaler Beobachter in die umkämpfte Ostukraine vor. Zudem sollen Separatisten und ukrainische Regierungstruppen ihre Kämpfe beenden.
„Ihr werdet die Freiheit nie wieder verlieren“
Kurz vor Beginn des Nato-Gipfels hatte US-Präsident Barack Obama das russische Vorgehen in der Ukraine-Krise zutiefst verurteilt und den Westen zum Zusammenhalt aufgerufen. Für die 28 Nato-Staaten sei der Konflikt „ein Moment der Prüfung“, sagte Obama in der estnischen Hauptstadt Tallinn.
Russland warf der US-Präsident in seiner Ansprache unverblümt einen militärischen Einsatz im Nachbarland vor. Jene Truppen, die in den vergangenen Wochen in die Ukraine gekommen seien, seien nicht Teil eines humanitären Einsatzes oder einer Friedensmission. „Es sind russische Kampfeinheiten mit russischen Waffen in russischen Panzern“, sagte er. Sein Land werde alle Nato-Verbündeten vor ähnlichen Militäraktionen schützen. „Ihr habt Eure Unabhängigkeit bereits einmal verloren. Mit der Nato werdet Ihr sie nie wieder verlieren“, versicherte Obama gegenüber den baltischen RegierungschefInnen. bevor er nach Wales aufbrach.
Im Anschluss an Obamas Worte in Estland hatte Russlands Präsident Wladimir Putin einen Sieben-Punkte-Plan vorgelegt. Demzufolge sollen die in der Ostukraine kämpfenden Separatisten ihren Vormarsch stoppen und sich die ukrainische Armee gleichzeitig zurückziehen. Ein Waffenstillstandsabkommen könnte womöglich am Freitag unterzeichnet werden, erklärte Putin.
Manöver ohne Schüsse
Derweil gab das US-Verteidigungsministerium bekannt, dass 200 amerikanische Soldaten ab der kommenden Woche an einer militärischen Übung im Westen der Ukraine teilnehmen werden. Das Übungsmanöver wäre die erste Präsenz amerikanischer Bodentruppen in dem Land seit dem Beginn des Konflikts mit den prorussischen Separatisten in der Ostukraine.
An der jährlich stattfindenden Übung mit dem Namen „Rapid Trident“ sollen nach Angaben des Pentagons insgesamt 15 Länder teilnehmen. Es handele sich dabei um eine Übung zur Friedenssicherung, bei der keine Schüsse abgefeuert würden, sagte Pentagon-Sprecher Steve Warren. Ab der kommenden Woche bis zum 26. September würden die Einheiten stattdessen Konvoioperationen, Patrouillen und Methoden gegen selbst gebaute Sprengsätze trainieren.
Von der Leyen ist misstrauisch
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat kaum Vertrauen in die russischen Vorschläge zur Beilegung des Ukraine-Konflikts. „Ich wünschte, der Sieben-Punkte-Plan wäre ein Hoffnungszeichen“, sagte von der Leyen am Donnerstag im ZDF-Morgenmagazin. „Aber wir haben in der Vergangenheit so oft häufig erlebt, dass Präsident Putin etwas sagt, aber das Gegenteil tut, dass ich im Augenblick noch abwartend bin.“ Russlands Präsident Wladimir Putin hatte eine internationale Kontrolle der geplanten Feuerpause gefordert und einen Sieben-Punkte-Plan zur Beilegung des Konflikts aufgestellt.
Kurz vor dem Nato-Gipfel in Wales betonte von der Leyen zugleich das deutsche Bekenntnis zum Nato-Abkommen mit Russland. Zwar habe Russland die Nato-Grundakte gebrochen, sagte sie. „Wir können nicht einreißen, was in den letzten 25, 30 Jahren aufgebaut worden ist gemeinsam. Und es wird eine Zeit geben nach Präsident Putin, eine Zeit nach der Krise.“
400 russische Matrosen geschult
Wegen der Ukraine-Krise setzt Frankreich die umstrittenen Pläne zur Lieferung eines Kriegsschiffs an Russland bis mindestens November aus. Präsident François Hollande erklärte am Mittwoch zur Begründung, Russlands Verhalten im Südosten der Ukraine untergrabe das Fundament der Sicherheit in Europa.
Es geht um die „Wladiwostok“, den ersten von zwei Helikopterträgern, die Russland in Frankreich bestellt hatte. Das Schiff sollte im Oktober ausgeliefert werden. Der Deal ist nun gestoppt, aber nicht aufgehoben. Eine Veränderung im russischen Verhalten könnte eine spätere Lieferung ermöglichen, hieß es.
Hollande erklärte, dass nun über einen Waffenstillstand in der Ukraine gesprochen werde, reiche noch nicht aus, die Lieferung der „Wladiwostok“ freizugeben. Ein französischer Diplomat erläuterte, vor November werde dies nicht passieren.
Frankreich stand seit der russischen Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim im März unter Druck, das Geschäft im Wert von 1,2 Milliarden Euro zu stoppen. Hollande hatte sich wegen der wirtschaftlichen Folgen gesträubt und stets betont, die Lieferung sei von den Wirtschaftssanktionen der EU gegen Russland nicht betroffen. Der Vertrag war bereits 2011 geschlossen worden.
Ende Juni waren 400 Matrosen der russischen Marine nach Frankreich gekommen, um sich in einer mehrwöchigen Schulung mit dem Schiff vertraut zu machen. Insgesamt ist das Schiff für 700 Soldaten, 16 Kampfhubschrauber und 50 Panzerfahrzeuge ausgelegt. Das Schwesterschiff, benannt nach dem jetzt russisch kontrollierten Krim-Hafen Sewastopol, sollte ein Jahr später an Russland gehen. Dieses Schiff wurde in Hollandes Erklärung nicht erwähnt.
Experten sagen, die beiden Kriegsschiffe würden es Russland erlauben, schnell große Truppenkontingente und Waffensysteme zu bewegen. Entscheidende Bedeutung komme ihnen in den bereits hochgerüsteten russsischen Streitkräften aber nicht zu.
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