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Krieg in der DR KongoM23-Rebellen nehmen zweite Millionenstadt ein

Überraschend schnell ist nach Goma auch Bukavu in die Hände der von Ruanda unterstützten Aufständischen gefallen. Kongos Präsident sucht derweil auf der Münchner Sicherheitskonferenz nach Verbündeten.

In Goma gehören sie schon längst zum Stadtbild, jetzt sind sie auch in Bukavu angekommen: Pick-ups mit M23-Rebellen Foto: Brian Inganga/ap/dpa

KAMPALA taz | Im Handstreich und fast ohne einen Schuss abgefeuert zu haben, übernahmen die Rebellen der M23 (Bewegung des 23. März) am Freitagabend zuerst den internationalen Flughafen in Kavumu und anschließend Süd-Kivus Provinzhauptstadt Bukavu.

Nach der Eroberung Gomas, der Hauptstadt der benachbarten Provinz Nord-Kivu, Ende Januar kontrollieren die M23 Rebellen nun im Osten der Demokratischen Republik Kongo die zweite wichtige Millionen- und Handelsstadt, direkt an der Grenze zum Nachbarland Ruanda – inklusive der ganzen erweiterten Region rund um den Kivu-See.

Videos auf X bezeugen: Mit einer langen Kolonne von Militärfahrzeugen, die sie zuvor beim Fall von Goma von Kongos Armee erbeutet hatten, passierten einige hundert M23-Rebellen am Freitagabend kurz vor Einbruch der Dunkelheit den großen Kreisverkehr am westlichen Stadteingang. Von dort aus zogen sie den breiten Boulevard entlang bis zur Grenze nach Ruanda.

Weitere Videos, die auf X online gestellt wurden, zeigen, wie Soldaten, Polizisten und Provinzpolitiker Bukavu im Laufschritt verlassen. Selbst Süd-Kivus Gouverneur Jean-Jacques Purusi, der noch bis Freitag an die Jugend appelliert hatte, sich von der Armee rekrutieren zu lassen, rettete sich überhastet aus der Stadt heraus. Viele Einwohner Bukavus, inklusive Mitarbeiter zahlreicher Hilfswerke, haben bereits in den vergangenen Tagen die Stadt verlassen. Viele retteten sich nach Uvira, einer Stadt 120 Kilometer südlich von Bukavu am Tanganika-See, direkt an der Grenze zu Burundi.

Dass der internationale Flughafen in Kavumu, rund 30 Kilometer westlich von Bukavu, fast ohne Schusswechsel in die Hände der M23 fällt, damit hat fast kaum jemand gerechnet. Kongos Armee hatte dort einen Verteidigungsring aufgestellt, mehrere tausend befreundete burundische Soldaten leisteten Unterstützung. Auf dem Rollfeld waren Kampfhubschrauber und Jets sowie die letzten noch verbliebenen Kampfdrohnen geparkt. Über die Landebahn flog Kongos Armee in den vergangenen Wochen Nachschub ein: Waffen und Lebensmittel für die Truppen. Der internationale Flughafen in Goma ist bereits unter M23-Kontrolle.

Kongos Präsident Felix Tshisekedi war am Freitag gar nicht im Land, als Bukavu fiel. Er hielt sich in München auf, wo er an der dortigen Sicherheitskonferenz teilnahm. Er sucht derzeit auf dem Internationalen Parkett nach Verbündeten, um Sanktionen gegen das Nachbarland Ruanda zu erwirken. Laut UN-Ermittlungen unterstützt Ruanda die von Tutsi-Offizieren geführte M23 mit Waffen und Soldaten. Am Donnerstag traf er den deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier. Laut Angaben von Kongos Präsidialverwaltung habe Steinmeier versprochen, „seinerseits, die deutsche Bundesregierung aufzufordern, im Rahmen der humanitären Hilfe für die von der Katastrophe betroffene Bevölkerung einzugreifen.“

AU-Sicherheitsrat tagt zum Thema Kongo in Adis Abeba

Erst vor einer Woche hatten die Staatschefs der Ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC) und der SADC (Südafrikanische Entwicklungsgemeinschaft), deren Mitglied Kongo ist, auf einem gemeinsamen Gipfeltreffen in Tansania einen Waffenstillstand ausgerufen und Bedingungen für Verhandlungen zwischen Kongos Regierung und der M23 ausformuliert. Dennoch lieferten sich die Rebellen und Kongos Armee in den vergangenen Tagen stetig Scharmützel. Kongos Luftwaffe warf nach M23-Angaben Bomben über M23-Stellungen ab. Deren Kämpfer rückten unterdessen immer weiter auf Kavumu vor.

Von allen Seiten wurde in den vergangenen Tagen versucht, diplomatischen und wirtschaftlichen Druck auf Ruanda auszuüben, um die Militärhilfe des Landes für die M23 zu stoppen. Am Freitag und Samstag tagt nun in Äthiopiens Hauptstadt Adis Abeba der Sicherheitsrat der Afrikanischen Union (AU) zur Lage im Kongo.

Doch Ruandas Präsident Paul Kagame reagierte extrem gereizt, dass in der Diskussion über den Konflikt im Kongo, die FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) keine Rolle spiele. Bei dieser ruandischen Hutu-Miliz handelt es sich um die Nachfolgeorganisation der Völkermörder, die 1994 in Ruanda einen Genozid an über einer Million Tutsi verübt hatten und sich danach im Ostkongo verschanzten, wo sie bis heute auf Seiten der kongolesischen Armee kämpfen.

In den vergangenen Jahren hat die M23 quasi nun mit ruandischer Hilfe das ganze, einst von der FDLR kontrollierte Gebiet im Ostkongo eingenommen. Kagame hat in der Vergangenheit mehrfach erklärt, die FDLR stelle ein Sicherheitsproblem für Ruanda dar: „Aber wenn es um das Recht auf Leben geht, dann täuschen Sie sich nicht. Ich bettle nicht, ich werde niemanden anflehen“, so Kagame in Adis Abeba.

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