Krieg in Syrien: Vier Zonen und viele offene Fragen
Das Syrien-Abkommen, das vier „Deeskalationszonen“ vorsieht, ist in Kraft getreten. Wer sorgt wie für seine Einhaltung?
Das russische Außenministerium veröffentlichte am Samstag das Dokument, das Russland, Iran und die Türkei am Donnerstag unterzeichnet hatten. Das Übereinkommen stellt den ersten multilateralen Versuch dar, mit bewaffneten ausländischen „Schutztruppen“ für einen Rückgang der Gewalt in Syrien zu sorgen. Allerdings hat kein Syrer seine Unterschrift unter die Vereinbarung gesetzt. Mit Russland, der Türkei und dem Iran sind zudem alle Vertragspartner aktive Kriegsparteien im Syrienkonflikt.
Der Plan sieht vor, sogenannte „Deeskalationszonen“ in zunächst vier stark umkämpften Gebieten einzurichten. In diesen sollen die Kämpfe eingestellt werden. Für Kampfjets soll der Luftraum über den Zonen gesperrt sein. Dies schließe Flugzeuge des syrischen Regimes sowie der US-geführten Militärkoalition gegen den IS ein, hieß es. Russland behält sich Kontrollflüge über den Zonen vor.
Obwohl die Deeskalationszonen offiziell bereits in der Nacht zum Samstag in Kraft getreten sind, bleiben zentrale Fragen offen. Entscheidend ist, wer für die Einhaltung des Abkommen sorgen wird. Das Memorandum bezeichnet Russland, die Türkei und den Iran als Garantiemächte. Um die vier Zonen herum sollen Grenzen mit Checkpoints und Beobachtungsposten errichtet werden, die die Kriegsparteien auseinander halten. Diese sollen von den drei Staaten kontrolliert werden. Drittstaaten können hinzugezogen werden.
Auch der genaue Verlauf der Grenzen soll bis zum 4. Juni erst noch festgelegt werden. Das Dokument nennt grob die folgenden Gebiete: die nordwestsyrische Provinz Idlib und Umgebung, Teile der Region Homs in Zentralsyrien, Ost-Ghouta bei Damaskus sowie den Süden des Landes an der jordanischen Grenze. In den Gebieten leben mehrere Millionen Zivilisten.
USA an den Rand gedrängt
Sollte die Übereinkunft nachhaltig für einen Rückgang der Gewalt sorgen, würde dies die Syrien-Gespräche in Astana weiter aufwerten. Die Verhandlungen in der kasachischen Hauptstadt laufen parallel zu den UN-Gesprächen in Genf. In Astana sitzen zwar die lokalen Kriegsparteien mit am Tisch, vor allem aber handelt es sich um trilaterale Gespräche zwischen Russland, Iran und der Türkei. Alle drei Staaten verfügen über großen Einfluss in Syrien, den sie nutzen könnten, um die Gewalt im Land zumindest stark einzudämmen.
Internationale Reaktionen auf die von Russland initiierten Deeskalationszonen waren verhalten positiv. Die bewaffnete syrische Opposition allerdings ging auf Distanz. Die Astana-Delegation der Opposition verwies auf ein Waffenstillstandsabkommen, das die drei Staaten im Dezember vermittelt hatten. Eine Feuerpause müsse das ganze Land einschließen. Zudem lehnte sie jegliche Rolle des Iran als Garantiemacht in Syrien vehement ab.
Entscheidend ist nun, ob die drei Unterzeichnerstaaten dafür sorgen, dass sich das Assad-Regime an die Feuerpause in den vier Zonen hält. Damaskus hat dem Plan nicht ausdrücklich zugestimmt, ihn aber auch nicht wie die Rebellen abgelehnt.
Das Astana-Abkommen zeigt, wie es Russland gelungen ist, die USA, die unter Donald Trump keine kohärente Syrien-Politik verfolgen, an den Rand zu drängen. Gleichzeitig scheint Moskau aber eine lokal begrenzte Rolle der USA in Nordost-Syrien zu akzeptieren. Dort arbeiten die USA im Kampf gegen den IS eng mit kurdischen Kräften zusammen.
Die Opposition warnte vor einer Aufteilung Syriens. Obwohl in dem Dokument auf die „territoriale Integrität der Syrischen Arabischen Republik“ verwiesen wird, zeichnen sich im Land zunehmend Einflusszonen ab. Im Nordosten bestimmen die USA und kurdische Kräfte das Geschehen, Russland und Iran unterstützen das Assad-Regime in West- und Zentralsyrien. Im Nordwesten sichert sich die Türkei ihren Einfluss.
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