Krieg in Sudans Hauptstadt: „Die schießen ununterbrochen“
In Khartum kämpfen Armee und RSF-Miliz um die Macht, ohne Rücksicht auf die Bevölkerung. Sogar in ihren Häusern werden Menschen getroffen.
![Soldaten mit Gewehren auf der Straße Soldaten mit Gewehren auf der Straße](https://taz.de/picture/6209801/14/32613910-1.jpeg)
Am Samstagmorgen waren die Menschen in Khartum zu dem Geräusch von Schusswaffen aufgewacht. Zwischen Sudans Streitkräften (SAF) unter der Leitung von General al-Burhan und der paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) unter der Leitung von General Daglo, auch Hametti genannt, kommt es zu einem gewaltsamen Zusammenstoß. Der offene Kampf auf den Straßen Khartums wird im Laufe des Tages noch dramatischer durch den Einsatz von Raketen und Kampfjets durch das Militär, die Stützpunkte der RSF aus der Luft angreifen.
„Das ist ein echter Krieg“, sagt eine junge Frau. „Das ist nicht mehr Militär gegen unbewaffnete Revolutionäre, das sind zwei ausgebildete Einheiten gegeneinander.“ So wie die junge Frau empfinden viele Menschen die Situation. „Das ist Krieg“, sagt fast jede befragte Person.
Wie genau der Konflikt ausgebrochen ist, dazu haben die Menschen bisher nur Vermutungen. Hametti spricht von einem Angriff durch das Militär, Burhan widerspricht diesem Vorwurf. Klar ist, dass sich der Konflikt seit Monaten zugespitzt hatte. Wiederholt warnten Beobachter:innen vor der Gefahr einer Eskalation. Angeblich zu Übungszwecken zog die RSF schon vor Wochen Truppen in Khartum zusammen. Doch mit einer so plötzlichen Eskalation hatte niemand gerechnet.
Stundenlang am Boden
Nun finden die Auseinandersetzungen mitten in den Wohngebieten statt, zwischen den Häusern. Aus der Nachbarschaft „Khartum 2“ berichtet ein verzweifelter Einwohner: „Wir sind gefangen. Sie hören nicht auf zu schießen. Wir wissen nicht, was wir tun sollen.“
Viele Häuser in Khartum sind offen gebaut, mit einem Hinterhof und offenen Fenstern. Es gibt Berichte von Zivilist:innen, die in ihren Häusern von Kugeln getroffen wurden. Nach Angaben der sudanesischen Ärztevereinigung von Sonntag früh sind innerhalb von nur 24 Stunden bereits 56 Menschen gestorben, hunderte Verletzte gibt es.
Menschen berichten, dass sie über Stunden auf dem Boden liegen. Wenn die Schießgeräusche kurzzeitig aufhören, nutzen sie die Gelegenheit, um sich aufzurichten oder etwas zu essen. Auf Social Media teilen sie Anleitungen zur Ersten Hilfe bei Schussverletzungen und wie sie sich vor den durch die Luft fliegenden Kugeln und Streubomben schützen können.
Bilder eines jungen Mädchens im Kindergartenalter werden umhergeschickt. Das Mädchen wurde von einer Kugel getroffen und getötet. Es herrscht Betroffenheit und Verzweiflung. „Wir haben die Kinder unserer Familie unter ihren Betten versteckt, möge Gott sie beschützen“, teilt ein User als Ratschlag.
Menschen hoffen auf Sieg des Militärs
Wie es weitergeht, bleibt ungewiss, inmitten der Propaganda von beiden Konfliktparteien. „Ich denke, dass auf lange Sicht das Militär gewinnen wird“, sagt ein junger Aktivist aus Khartum. „Das ist ein richtiges Militär, die sind ausgebildet, nicht so wie die Milizen.“
Hoffnung für sein Land sieht er trotzdem nicht. „Wenn Burhan das gewinnt, dann wird er Propaganda für sich machen. Er wird sagen, dass er derjenige ist, der die Milizen endlich besiegt hat. Und dann wird er der alleinige Herrscher, weil es dann niemanden mehr gibt, der ihm gegenübersteht. Und die Menschen werden ihn dafür unterstützen, dass er die Milizen besiegt hat.“
Viele Menschen hoffen auf einen Sieg des Militärs. Nicht so die jungen Revolutionär:innen, die bei ihren Protesten der vergangenen Jahre die Gewalt des Militärs zu spüren bekamen. Sie sehen in einem Sieg Burhans ein Ende der Revolution. Sie haben den Sturz der Übergangsregierung durch das Militär nicht vergessen, ebenso wenig wie die Massaker an Protestierenden 2019.
„Egal wie es ausgeht, die Zivilisten werden die Verlierer sein“, sagt ein Mitglied der Widerstandskomitees. Ein junger Mann beschreibt seine Gefühle: „Das ist typisches Sudan-Chaos. Ich bin noch nicht mal überrascht. Aber ich bin so enttäuscht. Und es tut mir leid für mein Land.“
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