Krieg in Sudan: Wo ist Ex-Diktator Bashir?
Wo sich der 2019 gestürzte Ex-Präsident des Sudan aufhält, ist schon länger unklar. Nun wird spekuliert, ob ihn die RSF aus einem Gefängnis befreiten.
Sudans Innenministerium hat mittlerweile mehr Details über die Gefängnisöffnung veröffentlicht. Laut diesen habe die Miliz RSF unter General Mohamad Hamdane Daglo, genannt Hametti, fünf Gefängnisse landesweit gestürmt, um Gefangene zu befreien. Darunter war auch das Zentralgefängnis Kober im Norden Khartums, wo hochrangige Gefangene einsitzen.
Die Armee beschuldigt RSF-Kämpfer, Militäruniformen angezogen und das Kober-Gefängnis angegriffen zu haben. Auch die Einrichtung sei geplündert worden, behaupten sie. Die RSF wies die Anschuldigungen zurück und sagte, das Militär habe die Haftanstalt als Teil eines Plans zur Wiederherstellung der Macht von al-Bashir „gewaltsam evakuiert“.
Ein Handy-Video, das auf der Onlineplattform Twitter zirkulierte, zeigt, wie Dutzende Gefängnisinsassen in Häftlingskleidung, ihre Habseligkeiten unter den Arm geklemmt, aus dem Gefängnis marschieren.
Sitzt Bashir überhaupt noch im Gefängnis?
Zu diesem Zeitpunkt war Bashir jedoch schon nicht mehr in seiner Zelle, bestätigt nun Sudans Armee. Er sei bereits vor dem Ausbruch der Kämpfe vor zwei Wochen verlegt worden. Einige Quellen vermuten sogar, dass Bashir seit zwei Jahren in einem Militärkrankenhaus untergebracht ist. 2021 war er aufgrund medizinischer Probleme dorthin verlegt worden – und womöglich wurde er nach Ende seiner Behandlung nie zurück ins Gefängnis verlegt.
Über den Aufenthaltsort des Ex-Präsidenten war seit der Gefängnisöffnung heiß spekuliert worden. Jetzt bestätigte Sudans Armee, dass der 79-jährige Bashir im Militärkrankenhaus Aliyaa untergebracht sei. Ebenso wurden weitere 30 Gefangene in Sicherheit gebracht, darunter wichtige Mitglieder des ehemaligen Regimes, etwa Ex-Verteidigungsminister Abdel-Rahim Muhammad Hussein sowie der ehemalige Vize-Innenminister Ahmed Haroun, neben Bashir einst die mächtigsten Männer innerhalb des Militärregimes.
Haroun wandte sich am Dienstag in einer Fernsehansprache sogar an die Bevölkerung. Er versicherte, er stehe dem sudanesischen Volk im aktuellen „Machtkonflikt“ zur Seite, der seiner Meinung nach von regionalen und internationalen Staaten unterstützt werde. Er betonte, er und andere inhaftierte Ex-Regimemitglieder hätten an einem anderen Ort „jetzt die Verantwortung für unseren Schutz in unsere eigenen Hände genommen“.
Dass Sudans ehemalige politische und militärische Elite aus Bashirs Machtzirkeln nun wieder öffentlich agieren können, sehen Experten mit Schock. Denn es waren in den vergangenen Jahren vor allem diese radikalen Akteure, die sich noch aus dem Gefängnis heraus bemüht haben, die Situation im Land zur Eskalation zu bringen. Das Ziel: dass keine demokratische Regierung unter Führung der Zivilgesellschaft an die Macht kommt. Das könnte nämlich eine mögliche Auslieferung an den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag bedeuten.
Internationale Haftbefehle offen, auch für General Hametti
Ex-Präsident Bashir sowie seine ehemaligen Handlanger Haroun und Hussein sowie auch RSF-General Hametti hängen internationale Haftbefehle an. Der IStGH hatte 2009 und 2010 gleich zwei Haftbefehle gegen Bashir erlassen: wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord. Bashir hatte als Präsident in den Jahren zwischen 2003 und 2008 Truppen seiner Spezialeinheiten RSF unter General Hametti in die Bürgerkriegsregion Darfur entsandt, wo sie mutmaßlich grausame Menschenrechtsverbrechen begingen.
Nach Angaben der Vereinten Nationen wurden im Darfur-Konflikt, der 2003 in der Region ausbrach, 300.000 Menschen getötet und 2,5 Millionen vertrieben.
Für diese schweren Menschenrechtsverbrechen wurde Bashir bislang nie belangt. Nachdem er 2019 gestürzt wurde, war dem Ex-Diktator der Prozess gemacht worden. Er wurde schuldig gesprochen wegen Korruption, Erhalt illegaler Geschenke und dem Besitz von Fremdwährung, und zu zwei Jahren Haft verurteilt. Die Polizei hatte nach dem Putsch im Haus des Ex-Präsidenten, der über 30 Jahre an der Macht war, Millionen Euro und sudanesische Pfund gefunden.
Ob Bashir je an den IStGH in Den Haag überstellt wird, um dort wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt zu werden – das war in den vergangenen Jahren ein wichtiges Thema unter Sudans Übergangsregierung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag