Krieg in Sudan: In den Abgrund

Internationale Vermittler schaffen es nicht, eine Feuerpause auszuhandeln, der Frieden rückt in weite Ferne. Und bald haben die Menschen nichts mehr zu essen.

Eine riesige schwarze Rauchwolke zieht über die Großstadt Khartoum

Rauch über Khartum: die sudanesische Hauptstadt am 3. Mai Foto: afp

Es sollte der erste Schritt zu einer Beendigung des Machtkampfs sein, der Sudan seit dem 15. April zerreißt: eine siebentägige Feuerpause ab Donnerstag 4. Mai. Südsudans Präsident Salva Kiir hatte am Dienstag mit Sudans Armeechef Abdelfattah al-Burhan und RSF-Milizenführer Hamdan Daglo Hametti telefoniert.

Beide hätten „im Prinzip“ einer Feuerpause vom 4. bis 11. Mai zugestimmt, verkündete danach Südsudans Außenministerium. Burhan und Hametti seien auch bereit, Delegierte für Friedensgespräche zu benennen. Am Donnerstag früh sollte die Feuerpause in Kraft treten.

Die Feuerpause trat nicht in Kraft, ebenso wenig wie alle anderen seit Beginn des brutalen Krieges, der allein in Sudans Hauptstadt Khartum über 500 Tote gefordert hat, weil sich Armee und RSF dort mit schweren Waffen bekämpfen. Am Donnerstag wurden erneut Luftangriffe, Artilleriefeuer und Schüsse gemeldet.

„Wir haben es nicht geschafft“, gestand schon am Mittwoch UN-Generalsekretär Antonio Guterres. Es sei nun „absolut essentiell“, eine Ausweitung des Konflikts auf die instabilen Nachbarländer Äthiopien und Tschad zu vermeiden.

Ägypten betreibt Paralleldiplomatie

Friedensbemühungen gibt es reichlich. UN, die Afrikanische Union (AU) und die Regionalorganisation IGAD (Intergovernmental Authority on Development) der Staaten am Horn von Afrika setzen auf die Fortsetzung ihrer gemeinsamen Diplomatie, mit der sie seit 2019 und dem Sturz des Militärdiktators Omar Hassan al-Bashir Sudans erhofften Übergang zur Demokratie begleiten. Es gehe nun um eine „stabile und verlässliche“ Waffenruhe, sagte diese Woche Volker Perthes, der deutsche UN-Sondergesandte, der die politische UN-Sudan-Mission Unitams nach ihrer Evakuierung aus Khartum aus der Hafenstadt Port Sudan heraus leitet.

Ähnlich äußerte sich die AU. Im IGAD-Auftrag erfolgte Südsudans Telefondiplomatie mit den Warlords in Khartum. Eigene Gesprächskanäle haben die USA und Saudi-Arabien, die gemeinsam mit den Vereinigten Arabischen Emiraten und Großbritannien das „Quad“ der wichtigsten Partner Sudans bilden. Aber der engste Verbündete der sudanesischen Generäle, Ägypten, betreibt eine Paralleldiplomatie.

So wurden Gespräche zwischen den Kriegsparteien in Saudi-Arabien in Aussicht gestellt, mit der von Südsudan ausgehandelten Feuerpause als Grundlage. Aber offensichtlich gibt es unterschiedliche Vorstellungen davon, worüber zu reden ist: über eine politische Lösung des Konflikts? Oder bloß über humanitäre Belange? Sudans Regierung hat die RSF für aufgelöst erklärt und bezeichnet sie als Terroristen – damit sind politische Gespräche ausgeschlossen, finden manche Generäle in Burhans Lager. Andererseits sitzt RSF-Chef Hametti in Sudans Regierung als Stellvertreter von Staatschef Burhan. Es ist eine kafkaeske Situation.

Mit jedem Tag Herumeiern vergrößert sich das Leid. Auf internationalen Sudan-Besprechungen ist zu hören, was die Menschen in Khartum und anderen Städten erleiden: Alle Fabriken und Märkte sind zerstört, von Banken über Backstuben bis zu Apotheken funktioniert nichts mehr. Es gibt kein Bargeld, elektronische Zahlungssysteme fallen weg. Bald gibt es nichts mehr zu essen.

Für die Menschen in Khartum ist das neu, aber in Sudans Westregion Darfur kennen sie das schon seit zwanzig Jahren: der Kollaps aller Versorgungssysteme und die Flucht als einzige Überlebenschance. Aber weil es in Sudans Hauptstadt geschieht, von der das gesamte Land abhängt, sind die Auswirkungen ungleich größer.

„Die meisten Sudanesen möchten sich nicht für einen General gegen den anderen entscheiden müssen“, erklärte auf einer Anhörung in London diese Woche die jetzt im Exil lebende Konfliktforscherin Kholood Khair. Bislang sehe man in Khartum „bewaffnete Akteure, die alte Rechnungen miteinander begleichen, aber nicht Zivilisten, die zu den Waffen greifen“, analysierte sie. „Aber in Darfur beginnen wir, das zu sehen.“ Sie setzte wenig Hoffnung in Friedensgespräche: „Verhandlungen werden einfach eine weitere Front für den Konflikt sein.“

Die Widerstandskomitees der Demokratiebewegung, die seit 2019 die Militärherrschaft bekämpfen und gesellschaftliche Selbstorganisation gewährleisten, sind da nur bedingt handlungsfähig. Zivil ausgehandelte lokale Feuerpausen in einigen Städten Darfurs – Armee und RSF teilen sich die Kontrolle und kämpfen nur draußen gegeneinander – halten nicht auf Dauer ohne Unterstützung von außen. In London warnte der aus Khartum zugeschaltete Universitätsprofessor Musa Abdul-Jalil: „Wenn der Krieg sich verfestigt, werden lokale Arrangements nicht in der Lage sein, Nahrung von außen herbeizuschaffen, denn dafür braucht es die Macht des Staates“ – und diese Macht ist dem Militär vorbehalten, das sich nun selbst zerfleischt.

Eine Gruppe sudanesischer Helfer forderte jetzt in einem Offenen Brief an alle internationalen Sudan-Vermittler einen neuen Anlauf mit klaren Forderungen an die Warlords. Eine AU-Delegation müsse nach Khartum reisen, auch die UN müsse dort Präsenz zeigen. Am Ende müsse die UN über einen Flughafen die Kontrolle übernehmen, das Rote Kreuz müsste sichere Korridore für Hilfe einrichten und alle Nachbarländer müssten ihre Grenzen für Fliehende öffnen.

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