Kriebelmücken rücken auf Berlin vor: Nichts gegen die Stechmücke
Vor drei Jahren war die Kriebelmücke vor allem an der Oder zuhause. Jetzt beißt sie sich auch im Berliner Umland ins Fleisch ihrer Opfer.
Ach, wie liebe ich die gemeine Stechmücke. Schon ihr Name, Culicidae, hat etwas Lustiges. Klar können Stechmücken auch Krankheitserreger übertragen. Aber in den meisten Fällen läuft es doch so ab: Das Mückchen nähert sich, summt ein wenig, dann startet es den Landeanflug auf die nicht bedeckte Haut, dann, kurz und schmerzlos, der Stich.
Natürlich hat es etwas gedauert, bis ich die Steckmücke lieben gelernt habe. Geholfen hat mir eine alte Bauernweisheit. Wer im Frühjahr auf Autan und Co verzichtet und sich ordentlich durchstechen lässt, ist das Jahr über quasi immun. Die Dinger stechen dann zwar noch, aber jucken nicht mehr. Oder zumindest jucken sie nur ein bisschen. Vielleicht liebe ich die Stechmücken, weil sie mich einfach nicht mehr jucken.
Ganz anders ist es mit der Kriebelmücke. Sie sticht nicht, sie beißt. Und das tut sie ohne Vorwarnung. Kein Summen beim Anflug, selbst den Biss spürt man nicht. Sieht man sie, denkt man vielleicht: Ach so, nur eine Fliege. Aber anders als die täuschend ähnlichen Fliegen ernähren sich Kriebelmücken nicht vom Nektar, sondern von uns.
Und das geht so. Mit ihren Beißwerkzeugen reißen die kleinen Vampire die Haut auf und graben sich ein ins Fleisch. In der Wunde, die entsteht, sammelt sich Blut. Das saugen die Weibchen auf, weil sie das Eiweiß für ihre Eier brauchen. Das ist schon gemein genug. Aber dann geben die Biester auch noch gerinnungshemmende Substanzen in die Wunde.
Wer kratzt, hat verloren
Wer von einer Kriebelmücke schon gebissen wurde, weiß, was dann passiert. Die Wunde rötet sich, vielleicht bildet sich ein Eiterknubbel, es juckt fürchterlich, und wer kratzt, hat endgültig verloren. Noch Wochen sind sie zu sehen, die geröteten Wundbeulen.
Vor allem an der Oder waren die Kriebelmücken in den vergangenen Jahren zu Hause. Noch vor drei Jahren waren sie in Berlin nicht verbreitet, sagte der Wildtierexperte Derk Ehlert damals der taz. Nun verbreiten sie sich immer weiter Richtung Westen und beißen auch im Berliner Umland zu.
Vielleicht hat das auch damit zu tun, dass sie sich nicht nach Osten ausbreiten können. In Polen zum Beispiel gehen die Behörden mit Gift gegen die Dinger vor. In Deutschland dagegen ist Sprühen nur in Ausnahmefällen erlaubt. Eine kleine Zweiklassengesellschaft ist da an der Oder entstanden. Am deutschen Ufer kratzt man sich, am polnischen lässt man sich die Sonne ins Gesicht scheinen.
Sonne ist ein gutes Stichwort. Sonne und Trockenheit mögen die Kriebelmücken nicht so. Sie lieben es eher feucht und kühl. Bleibt also nur die Wahl zwischen Pest und Cholera. Entweder Hitzesommer ohne Stiche, oder das Grundwasser tankt auf und alle sprühen sich mit Autan ein.
Ach, wie gut hatten wir es mit der Stechmücke. Wo ist die eigentlich hingewandert?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Verkehrsvorbild in den USA
Ein Tempolimit ist möglich, zeigt New York City
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen