piwik no script img

Kretschmann soll Antworten gebenWas kostet der S21-Ausstieg?

Mitglieder des Bahn-Aufsichtsrates fordern Baden-Württemberg und Stuttgart auf, ihre Geldforderungen an die Bahn im Fall eines Ausstiegs offenzulegen

Ungeliebtes Projekt: Protest gegen Stuttgart 21 Bild: Reuters

STUTTGART/BERLIN taz | Mitglieder des Bahn-Aufsichtsrats haben die Landesregierung Baden-Württembergs und die Stadt Stuttgart dazu aufgefordert, Antworten zu einem möglichen Ausstieg aus Stuttgart 21 zu geben.

„Wird das Land Baden-Württemberg im Falle eines einseitigen Projektabbruchs durch die DB AG Schadenersatzansprüche gegen die DB AG und deren Töchter stellen?“, lautet eine der Fragen, die der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende und Chef der Eisenbahnergewerkschaft EVG, Alexander Kirchner, in einem Brief an die Regierung stellt.

Auch fragt Kirchner in dem Schreiben, das der taz vorliegt, ob das Land bereit wäre, die zugesagten Finanzmittel für eine Alternativplanung zur Verfügung zu stellen. „Wir haben dringenden Klärungsbedarf, um abzuwägen, ob ein Ausstieg oder ein Weiterbau von Stuttgart 21 für die Bahn wirtschaftlicher ist“, sagte Kirchner der taz.

Der Bahn-Aufsichtsrat kann formal weder über einen Ausstieg aus Stuttgart 21 entscheiden noch über eine Alternative. Dafür beschließt er am kommenden Dienstag, ob die Bahn ihre Finanzmittel für das Megaprojekt um zwei Milliarden Euro aufstocken darf. Sollte der Aufsichtsrat das ablehnen, wäre das Projekt nicht mehr finanziert – und damit de facto am Ende.

Weil in der Landesregierung eine grüne Mehrheit gegen, der Koalitionspartner SPD aber für Stuttgart 21 ist, wollen besonders die Grünen eine Ausstiegsdebatte vermeiden, um den Koalitionspartner nicht zu verärgern.

Entsprechend vorsichtig fällt die Reaktion von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) bisher aus: „Dass Schreiben zeigt uns, dass sich der Aufsichtsrat der Verantwortung bewusst ist“, sagte sein Sprecher der taz. „Dementsprechend nehmen wir dieses Schreiben sehr ernst und werden die Fragen nach unseren Möglichkeiten auch beantworten, so dass der Aufsichtsrat zu einer fundierten Entscheidung kommen kann.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

17 Kommentare

 / 
  • JB
    Jens Bohn

    Die grünen Wertevernichter sind jetzt in der Zwickmühle. Was für ein Graus mit diesen Sektieren. Vor allen Dingen der "christliche" Heuchler Kretschmann ! Windet sich wie ein Aal in der Bratpfanne mit seinem unseligen Verkehrsminister ! Was ist nur aus den deutschen, besonders den BW Wählern geworden. Aber schauts euch die Leut an, dann wisst ihr mit wem wir zu tun haben. DAS RÜCKGRAT DEUTSCHLANDS

    Es lebe die SSR Baden württemberg !

  • HS
    Hari Seldon

    @barry:

     

    1. Stuttgart hat etwas mehr als 500 000 Einwohner, so eine Bezeichnung als "in einem der grössten Ballungsgebieten" allein zeigt, dass die "Objektivität" des Beitrags nicht ganz qualitätsgesichert ist. Nur zu Ihrer Info: Stuttgart gehört sogar in Deutschland nicht zu den grössten Städten, und in Europa gibt es viel mehr viel grössere Ballungsgebiete.

     

    2. 2700 LKW/24 Stunden: Nun diese Zahl würde LKWs pro 32 Sekunden bedeuten. Eine solche Kapazität kann die Bohrmaschine überhaupt nicht füllen.

     

    3. Sie haben Recht, Stuttgart liegt teilweise (es gibt auch Weinberge, sogar praktisch in Zentrum von Stuttgart) in einem Sumpfgebiet (es ist kein Zufall, dass der Herzog damals in Ludwigsburg ansässig war), und Stuttgart war nur der "Stute-Garten". Aber Stuttgart kann nicht umgesiedelt werden. Nur zu Ihrer Info: Es wurden Tunnel und Bahnlinien sogar unter viel komplexeren Bedingungen schon gebaut (s. zum Beispiel Canary Wharf in London).

     

    4. Es werden ganz sicher Verbesserungen kommen, zum Beispiel durchgehende Verbindungen zum Flughafen, schnellere Erreichbarkeit von München, neue Grünanlagen, usw.

  • B
    Barry

    Geil. Für die ist es ein Beschluss - für uns die Hölle. Wir leben mehrere hundert Meter nur davon entfernt. Demnächst werden täglich 2700 LKW hier rumkurven. Exakt dort wo die deutschlandweit gemessen höchste Feinstaub Belastung gemessen wird. Das ist pervers. Das Projekt ist ein Infrastruktur Rückbau, das zeigen selbst die offiziellen Bahndaten. Es werden zusätzlich 1,5 Millionen Rammstöße über ein halbes Jahr täglich 12 Stunden durchgeführt. Mitten im Talkessel. Wo das hallen wird wie eine Klangschale. Hunderte Bäume sind schon gekillt, hunderte im Rosensteinpark werden folgen. Das passiert alles inmitten einer Stadt, in einem Sumpfgebiet. Deshalb wird das so wahnsinnig teuer. S 21ist leider von Beginn an krank und kaputt. In der Wüste könnte man so was durchziehen aber nicht inmitten einem der größten Ballungsgebiete Europas. Und das alles ohne wirklich Verbesserungen zu erreichen. Merkel wird das noch um die Ohren fliegen. Der Tag kommt. Dafür sorgen wir.

  • HS
    Hari Seldon

    @felix krause:

     

    Bitte, Sie schreiben: "Das knappe Ergebnis der Volksabstimmung ist nicht zu vergessen".

     

    Nun, das "beste Ergebnis" bei der Volksabstimmung konnten die S21-Gegner in Stuttgart erreichen, wo die Bevölkerung in 19 Wahlbezirken aus 23 für S21 abgestimmt hat. Falls ein solchhes technisches KO für Sie ein "knappes Ergebnis" ist, dann sollten Sie sich dringend behandeln lassen. Nur zu Ihrer Info: In der Zwischenzeit ist für die Bevölkerung noch klarer geworden, dass bei den S21-Krawallen um die Interessen einer kleinen Randgruppe, der steinreichen Villen- und Immobilienbesitzer in Stuttgart geht, und die Zustimmung für S21 ist heute grösser als früher.

  • D
    Dominik

    Und vor der Volksabstimmung 2011 wurde diese Grafik erstellt (mit Unterstützung von Juristen): http://www.bei-abriss-aufstand.de/2011/11/18/ausstiegskosten-bahn-propaganda-und-wahrheit/

  • D
    Dominik

    Der Aufsichtsrat muss einfach nur mal die S21-Gegner fragen - und zwar nicht die, die in der Regierung sitzen. Die Parkschützer haben nämlich schon vor vier Wochen erklärt wie der Ausstieg geht:

    http://www.bei-abriss-aufstand.de/2013/02/06/presseerklarung-bahn-bestatigt-geringe-abwicklungskosten/

  • W
    Waage

    Ich sehe das ähnlich wie @Don Carlos.

     

    Wer zuerst "Stop" ruft hat in Bezug auf die Haftung den "Schwarzen Peter".

    Dabei arbeitet die Zeit für die Landesregierung, der Bahn dagegen laufen Zeit und Kosten davon zumal auch Merkel höchstens bis zur Bundestagswahl Rückendeckung gewähren wird. Im Fall eines Regierungswechsels ist die für die Weiterführung so wichtige Unterstütung für die Bahnführung noch ungewisser.

     

    Ich bin mir ziemlich sicher, dass das Projekt "Schwachsinn 21" noch in der laufenden Legislatur von Grün-Rot von selbst erledigt und das Loch wieder zugebuddelt wird.

  • OK
    Opa Kolja

    Wenn die SPD-speziell die schwäbischen GenossInnen-vollends begreifen,dass S21 nun unter Angies und Schäubles direkter Schirmherrschaft steht,sollten sie endlich in der Lage sein,die Blockade FÜR S21 gegenüber dem Grünen Koalitionspartner endlich aufzugeben.Sonst gilt:"SPD-S21-Fans sind Merkels tumbe Helfer".

    Mit diesem Transpi-Text habe ich vor 4 Std. die Bühne auf dem Spd-Landesparteitag in Heilbronn geentert und für höchst unterhaltsamen Tumult gesorgt.Schmid,Schmiedel und co-die S21-Fetischisten- waren bedröppelt bis angefressen.Gab aber vereinzelten Beifall.

    Die Genossen haben noch nicht begriffen,dass sie ein "Totes Pferd" reiten und absteigen angesagt ist.

  • V
    vic

    Will sich Kretschmann von Mappus unterscheiden, muss er in Kauf nehmen, seinen Koalitionspartner zu verärgern. Der Anlass ist wichtig genug.

    Kein Cent mehr für S21.

  • L
    Laugenbörger

    Bitte lasst uns dieses unsägliche Projekt beenden!!

     

     

    Derzeit läuft bei campact.de folgende Aktion die jeder, so er denn will, unterstützen kann:

     

    https://www.campact.de/stuttgart21/appell/teilnehmen/?_mv=5jy3f52E70M8zEXU85Rsjy

     

    Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin Merkel,

    sehr geehrter Herr Bundesverkehrsminister Ramsauer,

     

    bei Stuttgart 21 droht ein noch größeres finanzielles Desaster als bisher angenommen. Die Bahn geht von 2,3 Milliarden Euro Mehrkosten aus, ein internes Papier des Bundesverkehrsministeriums befürchtet noch weit mehr.

     

    Stattdessen brauchen wir Geld für Zukunftsinvestitionen – in den Öffentlichen Nahverkehr, für ein besseres Schienennetz, den Transport von mehr Gütern per Bahn und einen modernisierten Stuttgarter Kopfbahnhof.

     

    Stoppen Sie Stuttgart 21!

     

    Mit freundlichen Grüßen

  • Z
    zensiert

    naja, zumindest siehts so aus, als ob die DB mit S21 auf grund laufen würde und ihr - hoffentlich - niemand hilft. wenn die DB dann sich selbst wirklich um einen projektabbruch bemühen sollte wäre es nur allzu angemessen, dass BaWü auch die bisherigen kostenbeteiligungen zurückfordert.

  • K
    keks

    Die Antwort Kretschmanns dürfte die Sollbruchstelle seiner Glaubwürdigkeit werden. Bisher konnte er sein Schweigen als kluge Taktik verkaufen.

     

    Wie sagte Bahnchef Rüdiger Grube im November 2011:

    "Ich habe dazu immer gesagt, eine Sollbruchstelle in den Verträgen wäre erreicht, wenn die Kosten 4,526 Milliarden Euro übersteigen."

     

    http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/im-gespraech-bahn-chef-grube-gewinnen-wir-am-sonntag-bauen-wir-sofort-weiter-11533998.html

  • M
    Mario

    Man darf sicherlich fragen, warum S21 weitergebaut werden soll. Aber warum fragen diese grünen Heuchler nicht mal nach dem anderen großen Schienenprojekt in Ba-Wü --> Der Grünen Lieblingsprojekt Rheintalbahn21. Da ist die Verteuerung sogar noch gigantischer. Heuchelei? Ja, unzwar grüne Heuchelei. Die taz könnte sich mal frei machen und darüber berichten!

  • FK
    Felix Krause

    Das knappe Ergebnis der Volksabstimmung ist nicht zu vergessen, wobei gefragt werden darf wie heute abgestimmt werden würde. Die Angst vor dem Ausstieg und dem verlorenen Geld ist mit jedem Stereotyp der Deutschen zu vereinbaren. Verschenktes Geld ist schmertzhaft... Wenn die Regierung beide Fragen (wie sie in diesem Artikel stehen) mit "Ja" beantwortet (wovon ich persönlich ausgehe), bringt Kretschmann die zu Begrüßende, mehr als 10 Jahre umkämpfte und mit deutlich weniger Verlusten verbundene Alternativlösung auf den Plan und kann sich das Ergebnis auf seine Fahne schreiben. Denn dass es nie ein "Nein" zum Umbau, sondern nur zum Ausmaß des Umbaus gab, wird er leicht publizieren können.

    Die Frage die mir noch bleibt, ist: ob die Bahn überhaupt die Kompetenz besitzt eine Alternative durchzuführen? Dass das Unternehmen entweder Pfuscht oder es einfach nicht drauf hat, zeigt ja schon der Berliner Hauptbahnhof...

  • D
    DonCarlos

    Der Ministerpräsident oder sonst ein Regierungsvertreter des Landes wären doch schön blöd der DB AG ein Ausstiegsangebot zu machen. Die Verhandlungsposition ist für das Land einfach erheblich besser, wenn die DB AG das Projekt abbricht. Das Land zahlt nicht mehr als 930 Millionen Euro. Wenn die DB AG ihre Zusagen nicht halten kann, dass Projekt für die zugesagten 3 Milliarden plus 1,5 Milliarden Risikopuffer zu bauen, ja dann ...

     

    Keine Ausstiegskosten sind:

    - Der im Bau befindliche Rosensteintunnel (Baumfällarbeiten) und die Neckarbrücke, da diese Baumaßnahme 1:1 zum Kopfbahnhof passt.

    - Die im Bau befindliche unterirdische Technikzentrale - Auch für den Kopfbahnhof notwendig (Stellwerk).

    - mind. 20 % der verkauften Flächen an die Stadt Stuttgart sind heute schon frei, daher wäre keine Rückwicklung notwendig

    ...

  • R
    R.J

    Komische Fragen!

     

    Warum hält man sich hierbei nicht an die "glasklaren" Vertragsbestimmungen?

     

    Lediglich bei der Entwicklung eines K-21 Plan darf doch noch gefragt werden, ob man da finanziell hilfreich entgegenkommen wollte.

     

    Aber das tut man ja bereits, wenn man der Bahn beim Ausstieg von S-21 keine Steine in den Weg legt.

  • S
    Schwäbli

    Herr Kretschmann als der grüne CDU-Mann. Einen besseren Verfechter ihrer Interessen in oppositioneller Regierungsverantwortung hätten sich die Bahn, die "Opposition" und Heiner Geißler nicht wünschen können. Der Ministerpräseident wird schon die Wege zur Fertigstellung ebnen, natürlich mit scheinheiligem Protest aber unter Rücksicht auf den Koalitionspartner. Eine schauspielerische Charaktervorstellung erster Güte.