Kremlchef Putin bei Präsident Macron: Sonderaudienz in Sommerresidenz
Vor dem G7-Treffen will Frankreichs Präsident mit Putin in den Dialog treten. Themen gäbe es genug: die Ukraine, Iran, Syrien und Menschenreche.
Nach dem Schloss Versailles nun die Sommerresidenz Fort Brégançon: Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron hat für seine zweite Einladung an Kremlchef Wladimir Putin wieder einen besonderen Rahmen gewählt. Die Begegnung der beiden Präsidenten findet am Montag, nur fünf Tage vor dem G7‑Gipfel in Biarritz, statt, an dem Putin nicht teilnimmt. Russland ist seit der Annexion der Krim 2014 aus der Gruppe der wichtigsten Industriestaaten ausgeschlossen. Dennoch hält Macron die Beziehung zu Moskau für „unerlässlich“, wie seine Mitarbeiter sagen.
Das gilt sowohl um die Irankrise zu meistern als auch um den Krieg in Syrien zu beenden. Für das Thema Ukraine, das Macron ebenfalls ansprechen will, ist Putin der wichtigste Gesprächspartner überhaupt. Ohne ihn kann das „Normandie-Format“ nicht wiederbelebt werden, in dem Deutschland und Frankreich mit Russland und der Ukraine 2014 eine brüchige Waffenruhe für die Ostukraine aushandelten.
Dass beim Treffen auf Macrons festungsartiger Ferieninsel im Mittelmeer ein ähnlicher Durchbruch erzielt wird, glaubt im Präsidialamt niemand. „Man kann nicht mit einem Gespräch, auch wenn es intensiv ist, so komplizierte Fragen wie Iran, Syrien oder die Ukraine regeln“, heißt es in Macrons Umfeld. Dennoch wolle der Präsident einen „offenen, anspruchsvollen“ Dialog mit Putin führen.
Zu welch deutlichen Worten der Gastgeber fähig ist, hatte er bei seinem ersten Treffen mit dem russischen Präsidenten kurz nach seiner Wahl im Mai 2017 gezeigt. Er habe mit Putin über die Bedeutung geredet, die die Respektierung der Minderheiten habe, berichtete Macron bei der gemeinsamen Pressekonferenz im Schloss Versailles. „Ich werde immer wachsam bleiben in diesen Punkten, die unseren Werten entsprechen“, sagte er an die Adresse Putins, der die Worte mit starrer Miene quittierte.
Macron wird wohl wieder die Menschenrechte ansprechen
Bei einer zweiten Begegnung in Sankt Petersburg 2018 setzte Macron sich für den inhaftierten Filmregisseur Oleg Senzow ein und traf Menschenrechtsvertreter. Die Wahrscheinlichkeit, dass er auch diesmal Menschenrechtsfragen anspricht, ist also groß. Das französische Außenministerium hatte die russische Regierung schon nach dem massiven Polizeieinsatz gegen Demonstranten in Moskau aufgefordert, die Meinungsfreiheit zu respektieren und Inhaftierte freizulassen. Angesichts der „repressiven Methoden“ gegen die Proteste der „Gelbwesten“ habe Frankreich keine Lektionen zu erteilen, erwiderte die Sprecherin des russischen Außenministeriums scharf.
Zuletzt hatten sich die französisch-russischen Beziehungen wieder entspannt. Regierungschef Dmitri Medwedjew traf Ende Juni seinen Kollegen Edouard Philippe in dessen Heimatstadt Le Havre. Frankreich hatte sich außerdem dafür eingesetzt, dass Russland sein Stimmrecht im Europarat zurückbekommt, das ihm nach der Annexion der Krim aberkannt worden war. Die jetzige Begegnung mit Putin passt in die Politik der Annäherung an Russland, die Macron bewusst verfolgt. „Europa muss in dieser neuen multilateralen Ordnung, die ich verteidige, eine neue Grammatik des Vertrauens und der Sicherheit mit Russland aufbauen“, forderte der Präsident im Juni im Schweizer Rundfunk.
Vor allem was das Atomabkommen mit Iran angeht, ist Macron auf Putin angewiesen. Der Deal, der Irans Atomprogramm begrenzt, wackelt seit dem Ausstieg der USA. Deshalb hofft Frankreich, dass Putin als Irans Verbündeter mäßigend auf Teheran einwirkt.
Auch wenn in Brégançon kein Durchbruch zu erwarten ist, sehen französische Außenpolitiker das Treffen positiv. Der frühere Außenminister Hubert Védrine sprach von einer „nützlichen Initiative“, um Frankreich und ganz Europa aus einer Sackgasse zu führen. „Dieses Treffen empört nur die kleinen Grüppchen, die in einem antirussischen Kreuzzug gefangen sind“, sagte er der Zeitung Figaro.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich