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Krankheitsbezeichnungen von NS-Ärzten„Das Thema muss debattiert werden“

Noch immer sind Krankheiten nach NS-Ärzten benannt, die etwa an Euthanasieopfern forschten. Eine hannoversche Medizinerin will das ins Bewusstsein rufen.

Geistig behinderte Kinder während der NS-Zeit Foto: dpa
Friederike Gräff
Interview von Friederike Gräff

taz: Sie forschen zu Krankheiten, die nach Nazi-Ärzten benannt wurden. Wie sind Sie zu dem Thema gekommen, Frau Stünkel?

Lina Stünkel: Der Ausgangspunkt war eine Vorlesung meiner späteren Doktormutter zu Menschenversuchen im Nationalsozialismus. Ich habe sie danach angesprochen und gefragt, warum es Krankheitsbezeichnungen und Zellen gibt, die nach Ärzten benannt sind, die im Nationalsozialismus aktiv waren.

Woher wussten Sie das?

In einer Pathologievorlesung war erwähnt worden, dass manche Krankheitsbezeichnungen sehr umstritten sind. Aber im Studium lernten wir die Clara-Zelle kennen, ohne dass uns gesagt wurde, dass Max Clara sie an Zellen vom frisch fixierten Gewebe von Hingerichteten untersucht hat. Das finde ich schon erschreckend. Oder der Pernkopf-Atlas der Anatomie: Pernkopf hat für die Zeichnungen auch Opfer der NS-Justiz abgebildet. Ich habe den Atlas in der Unibibliothek ausgeliehen, zum Teil haben die Künstler mit SS-Rune unterschrieben. Im Vorwort ist nicht einmal mit einer Fußnote darauf hingewiesen, wie der Atlas zustande gekommen ist.

Wie war es für Sie, sich mit Ihrer Arbeit zumindest in Deutschland auf solch ein Neuland zu begeben?

Am Anfang dachte ich, dass es schwierig sein könnte, Publikationen zu dem Thema zu finden, aber das war dann gar nicht so. Im englischen Sprachraum wurde das Thema schon häufig diskutiert. Gerade in Fachzeitschriften wurden einzelne Eponyme besprochen und überlegt, ob man sie weiter benutzen soll oder nicht. Hier in Deutschland haben sich noch nicht viele Leute damit beschäftigt, daher habe ich mich gefreut, dass ich auf das Thema gestoßen bin.

Suchen Sie auch nach neuen Fällen oder werten Sie bereits bekannte aus?

Beides – wobei ich glaube, dass die meisten bereits diskutiert worden sind. Ich bin bislang nicht auf neue gestoßen. Manchmal muss man das, was in verschiedenen Zeitschriften publiziert wurde, zusammenführen. Jede Fachgesellschaft hat nur die Eponyme ihrer eigenen Fachrichtung diskutiert. Ich habe sie gesammelt, die Biographien der Täter herausgearbeitet, Alternativbezeichnungen zu den Eponymen gesucht und die Diskussion, die es zu den Bezeichnungen gab, aufgearbeitet.

Gab es zu allen Eponymen bereits Diskussionen?

In Fachzeitschriften schon. 2015 gab es ein Symposium in Rom von einem Doktor der Gastroenterologie, Cesare Efrati. Er hat mit 100 italienischen Medizinern, Soziologen, Wissenschaftsphilosophen und Rabbinern versucht, 15 Eponyme umzubenennen. Das ist aber leider gescheitert.

Nadine Sternbiel
Im Interview: Lina Stünkel

23, Humanmedizinerin, schreibt an der Medizinischen Hochschule Hannover ihre Dissertation zum Thema „Eponyme in der Medizin - Benennung, Verwendung und Problematisierung“.

Warum?

Man muss sich für jede einzelne Bezeichnung an die zuständige Fachgesellschaft wenden mit der Bitte, die Frage an den europäischen Fachverband weiterzuleiten, damit es auf internationaler Ebene beraten wird. Daran ist es letztendlich gescheitert.

Ist das nicht ein überschaubarer Aufwand?

Die Bezeichnungen tauchen in allen Fachbüchern auf – man müsste sämtliche Bücher umschreiben. Und die MedizinerInnen müssten künftig darauf achten, nicht mehr Morbus Reiter zu schreiben, sondern die Alternativbezeichnung zu benutzen.

Ich stelle es mir schwierig vor, die Art der Verstrickung der NS-Ärzte zu klassifizieren. Gibt es da internationale Standards, auf die Sie zurückgreifen können?

Das ist tatsächlich schwierig. Ich habe es in meiner Doktorarbeit so gegliedert, dass ich unterschieden habe zwischen Eugenik- und Euthanasiebefürwortern und Tätern, die in Menschenversuche involviert waren, sie beaufsichtigt haben oder ihre Erkenntnisse an Opfern der NS-Justiz gewonnen haben.

Gibt es in der Fachwelt einen Konsens, dass eine Umbenennung wichtig ist?

Nicht alle fordern eine Umbenennung für alle Fälle, da gibt es verschiedene Standpunkte. Aber bei den Eponymen, deren Umbenennungen derzeit diskutiert werden, geht es nicht um bloße Mitläufer. Carl Clauberg etwa, nach dem der Clauberg-Test benannt wurde, hat Hunderte weibliche Häftlinge in Auschwitz zwangssterilisiert. Julius Hallervorden hat an Gehirnen von behinderten Kindern geforscht, die bei der T4-Aktion ermordet worden waren. Er hatte zuvor überwacht, wie sie getötet wurden. Solche Täter wussten genau, woran sie forschten und was sie taten. Ich finde es falsch, dass ihre Namen in der Medizingeschichte mit etwas Positivem assoziiert werden.

Wie nahe kommt es Ihnen, wenn Sie die Berichte über die T4-Aktion lesen, bei der Zehntausende behinderter Kinder und Erwachsener ermordet wurden?

Gerade als Medizinerin ist es mir unvorstellbar, wie Ärzte da mitgezogen haben und es für richtig gehalten haben. Und dann gibt es noch einen biographischen Hintergrund für mich: Ich habe vor dem Medizinstudium in einem Wohnheim für Erwachsene mit schwerst-mehrfach-Behinderungen ein freiwilliges soziales Jahr gemacht. Es hat mich zum Teil lange beschäftigt und mitgenommen, wenn ich mir vorstelle, was in der NS-Zeit mit Menschen mit Behinderung oder psychisch Kranken passiert ist.

In Ihrer Arbeit gibt es ein Kapitel für Forscher mit ambivalenter Biographie: solchen, die sich schuldig gemacht haben und an anderer Stelle geholfen haben. Wie stehen Sie zu diesen Fällen?

Am Anfang dachte ich, dass ich in meiner Arbeit eine Kategorie „Opfer“ und eine „Täter“ haben würde. Aber das ging nicht auf. Es kam die Kategorie „Euthanasie- und Eugenikbefürworter“ dazu und die der Ambivalenten: etwa Karl Bonhoeffer, der Gegner des Hitler-Regimes war und versuchte, jüdische Assistenten zu schützen, zugleich aber die Zwangssterilisation befürwortete.

Haben Sie den Eindruck, dass die Diskussion über die Eponyme auch in Deutschland beginnt?

Die Diskussion wird viel in Fachzeitschriften geführt. Es gibt zum Beispiel eine neurologische Zeitschrift, cortex, die beschlossen hat, bestimmte Eponyme nicht mehr zu verwenden. Oder einzelne AutorInnen entscheiden sich dazu. Ich habe hier an der Uni Hannover mit dem Professor für anatomische Mikroskopie gesprochen: als ich vor vier Jahren im ersten Studienjahr war, haben wir noch den Begriff Clara-Zelle benutzt, jetzt wird sie Club-Zelle genannt. Denn die Autorin des Fachbuchs, mit dem unterrichtet wird, Renate Lüllmann-Rauch, arbeitet mit dem neuen Begriff. Sie hat sich damit auseinandergesetzt, was Max Clara getan hat.

Sind Sie optimistisch, dass die NS-Täter-Eponyme verschwinden werden?

Das Thema muss erst einmal in das Bewusstsein der Leute kommen. Die wenigsten beschäftigen sich bei jedem Krankheitsbegriff mit der Biographie des Namensgebers.

Cesare Efrati hat damals kritisiert, dass auf seine Einladung 2015 in Deutschland niemand reagiert hat.

Ich habe ihn kontaktiert und gefragt, warum niemand aus Deutschland gekommen ist. Er hat darauf nur geantwortet, dass er es falsch fände, Namen zu nennen. Ich habe mehrmals mit der Bundesärztekammer telefoniert: die sagte, dass sie das Anliegen auf jeden Fall unterstützen, aber dass es primär Aufgabe der Fachgesellschaften sei. Daraufhin habe ich der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften geschrieben. Die haben geantwortet, dass das Thema gerade an die Fachgesellschaften weitergetragen wird. Und ich habe mich an die WHO gewandt. Vielleicht bewegt sich ja etwas.

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20 Kommentare

 / 
  • @ Rainer B. kurz - Ihr - heutiges - Bezugssystem zur

    Einordnung & Bewertung - usw

    War im 12tausendjährigen beseitigt!

    Auch & gerade juristisch!

    &

    Dazu mal das.

    Bis in die 70er lernten/studierten

    Juristen - die als Abschluß via

    2. Examen die Befähigung zum Richteramt anstrebt -

    Verwaltungsrecht als Teil des Öffentlichen Rechts aus dem VerwR I -

    Ernst Forsthoffs - Lieblingsschülers Carl Schmitts des Kronjuristenr Nazis.

    Ein grottenschlechtes unsystematisches

    Werk. Aber es gab kaum anderes.

     

    Neben dem grünen Band - nie danach gelernt - entdeckte ich im Öff.Institut seine Diss. - aber 2. Auflage.

    "…Vollständig bis auf geringe, den Zeitläuften geschuldete Passagen.…"

    Las ich. Da ich das unsägliche "Der Führer schützt das Recht" von Carl Schmitt zum Röhm-Massaker schon kannte - ging ich ums Regal rum

    &

    In der 1. Aufl. aber stand ~>

    "Der Führerstaat

    Die Grundrechte sind obsolet" usw usf.

     

    Genau das - schuf durch "furchtbare Juristen" den systemischen Rahmen für das hier in Frage stehende Morden durch u.a. Mediziner.

     

    (Einzelne haben sich dagegen gewehrt!

    Ein Richter im Osten des Deutschen Reiches z.B. forderte als Vormund die "Rückgabe" seiner Mündel.

    Wenn ich recht erinner - wohl mit Erfolg. Ihn schützte bemerkenswerterweise sein Amt.

    Schließlich stimmte er seiner vorzeitigen Zurruhesetzung zu!)

     

    (ps auf Apologeten dieser Sorte Furchtbarer Juristen - Carl Schmitt vorweg - heute in höchsten Ämtern habe ich schon häufiger verwiesen!

     

    //http://www.zeit.de/2007/33/Schaeubles_Nachtlektuere

    https://www.google.de/amp/s/amp.welt.de/amp/welt_print/article1418727/Schaeubles-schauderhafte-Nachtlektuere.html

     

    Daß ausgerechnet ein derart desauvrierter wie Ernst Forsthoff es wagte, post WK II zum Sozialstaat nach dem Grundgesetz sich zu verbreiten -

    Verwundert danach nicht wirklich! https://de.m.wikipedia.org/wiki/Forsthoff-Abendroth-Kontroverse

     

    All das rechtfertigt nix.

    Auch klar.

    • @Lowandorder:

      Hab Ihnen weiter unten geantwortet und diesen Beitrag erst jetzt gesehen.

       

      Auch hier nochmal:

      Ovids „Principiis obsta“ ist nach wie vor aktuell und man sollte hier auch ruhig mal den ganzen Vers zitieren: „„Principiis obsta, sero medicina paratur“. (Widerstehe im Anfang, zu spät wird (sonst) das Heilmittel bereitet.) Damit war ganz gewiss nicht gemeint, dass ein Arzt sich genehme Patienten züchten und alle anderen um die Ecke bringen solle.

      • @Rainer B.:

        Darin sind wir uns doch völlig einig.

         

        Nur ist das unsäglich Geschehene ja nicht vom Himmel gefallen

        &

        Nicht auf eine "Erfindung" der Nazis reduzierbar

        &

        Menschenwerk - vorgedacht&gemacht u.a. von Medizinern.

        • @Lowandorder:

          Sicher nicht vom Himmel gefallen und ebenso sicher nicht primär von Medizinern vorgedacht. Die ganze Kolonialgeschichte wurde doch bereits früher ideolgisch unterfüttert mit der irrigen Annahme, es gäbe ansich wertlose Menschen (in den Kolonien) und ansich wertvolle Menschen (in Europa).

          • @Rainer B.:

            Mit Verlaub - was "u.a." sagen will -

             

            Schon ein Begriff oder!

            Von dem Eingerückten zu T 4 aus wiki mal ganz ab.

            • @Lowandorder:

              Sollte kein Problem sein - ebenso wie „nicht primär von Medizinern vorgedacht“. Ich fände es schlicht abwegig, sich bei diesem Thema allein auf die Rolle der Medizin bzw. der Mediziner zu beschränken, aber da sind wir uns ja auch völlig einig.

              • @Rainer B.:

                Ok - & weil ihr mit Günter Gaus ein paar Blätter weiter

                 

                Zu Politsches Denken - unter -

                9. Das hätte nicht geschehen dürfen

                - mal nur das a.E. ~>

                "…Ganz gleich wie lange die gegenwärtigen totalitären Systeme sich halten können - und der erstaunlich schnelle Untergang des "tausendjährigen Reiches" der Nazis ist ein Zeichen für die diesen Regimen innewohnende Instabilität - , es steht zu fürchten, daß die Konzentrationslager und Gaskammern, welche zweifellos eine Art Patentlösung für alle Probleme von Überbevölkerung und "Überflüssigkeit" darstellen, nicht nur eine Warnung, sondern auch ein Beispiel bleiben werden. So wie in der heutigen Welt totalitäre Tendenzen überall und nicht nur in totalitär regierten Ländern zu finden sind, so könnte diese zentrale Institution der totalen Herrschaft leicht den Sturz aller uns bekannten totalitären Regime überleben."

                 

                kurz&schon gesagt -

                "Denken ohne Geländer" - by

                Hannah Arendt

  • Ja. „Solche Täter wussten genau, woran sie forschten und was sie taten. Ich finde es falsch, dass ihre Namen in der Medizingeschichte mit etwas Positivem assoziiert werden.“

     

    Aber ~>

    "Mit Medizin - also mit Heilkunde - hatte das alles nämlich nicht das Geringste zu tun und mit Wissenschaft schon gar nicht.…"

     

    Die Abscheu teile ich.

    Dennoch möchte ich dieser Form der Abspaltung widersprechen.

    Denn. Die hier in Frage stehenden todbringend realisierten Gefahren von Medizin - Wissenschaft im allgemeinen - sind diesen geradezu inhärent!

     

    Weswegen aber auch umgekehrt - "ist doch nur Medizin - nur Wissenschaft"

    - "ich wollte doch nur Raketen bauen!"(Wernher v. Braun) -

    Die Ruchlosigkeit der kriminellen

    Taten nicht beseitigt.

    Im Gegenteil.

     

    Abspaltungen aber - "das ist keine Medizin - das ist keine Wissenschaft" -

    Entlasten systemisch die übrigen - hier - die Götter in Weiß - !

    Die wie gezeigt - wenig bis nichts dabei finden - "in den Schuhen" der Täter rumzulaufen! Bis heute.

    (So wie die CIA via waterboarding etc - deren Ergebnisse anzuwenden!)

     

    Einer wie Erwin Chargaff hat in seinen Essays - "Feuer des Heraklit" - usw usf - auf diese Inhärenz & Ambivalenz unmißverständlich hingewiesen - die zunehmende wissenschaftliche Verkommenheit gegeißelt - (Wissenschafter vs Wissenschaftler;)( - & ist konsequenterweise mit seinem Versuch - bei der "2.Kernspaltung" (nach Atom) des Zellkerns - ein weltweites Moratorium unter den -einst - Wenigen damit Befaßten zu erreichen - kläglich gescheitert. https://de.m.wikipedia.org/wiki/Erwin_Chargaff

     

    ff

    • @Lowandorder:

      ff

       

      Wer mal das Gebäude "Gaskammer," etwa 2 km vom Lager Konzentrationslager Natzweiler-Struthof mit seinem Raum für medizinische Experiment besichtigt hat - dem wird diese Perversion, die menschenverachtende Hybris unvergessen bleiben. Die Leichen wurden in mit Formalien gefüllten Becken gelagert. Die Becken dienten zuvor dem Abwasch der über den Weg bis heute gelegenen Gaststätte.

      Man hört das Gelächter der kuchenmampfenden Gäste.

       

      Die eingebaute als größere Duschkabine getarnte Gaskammer enthält einen kleinen seitlichen Schacht für die Einführung des Zyankali.

      Erschütternd die Tafel mit der Aussage des letzten Lagerkommandanten.

       

      "Besonders bekannt geworden ist der Mord an 86 jüdischen Gefangenen. Mit ihnen wollte August Hirt, Direktor des Anatomischen Instituts der Reichsuniversität Straßburg, eine Skelettsammlung anlegen. Dafür wählte er Anfang August 1943 im KZ Auschwitz Frauen und Männer aus acht europäischen Ländern aus und ließ 86 nach Natzweiler-Struthof bringen. Dort wurden sie in der Gaskammer getötet. Mit der Sammlung, die dann aber nicht umgesetzt wurde, wollte Hirt die NS-Rassentheorie und die „Minderwertigkeit von Juden und Jüdinnen“ nachweisen. Die konservierten Körperteile wurden bei der Befreiung des Elsass vorgefunden und später in einem Grab auf dem Jüdischen Friedhof in Strasbourg-Cronenbourg beigesetzt. Sie sind erst 60 Jahre später namentlich identifiziert worden.

       

      Die NS-Ärzte Eugen Haagen und Otto Bickenbach nutzten das KZ für so genannte medizinische Experimente und Menschenversuche. Sie injizierten Gefangenen Typhuserreger und experimentierten mit den Kampfstoffen Senfgas (Lost) und Phosgen. Die Gefangenen starben daran." https://de.m.wikipedia.org/wiki/KZ_Natzweiler-Struthof

       

      ff

      • @Lowandorder:

        ff & fin

         

        Nach der Befreiung Straßburgs Ende November 1944 floh August Hirt mit seiner Tochter nach Tübingen, wo er sich bis zur Besetzung Württembergs durch die Alliierten aufhielt, dann tauchte er bei Bauern im Schwarzwald unter.[29] Am 2. Juni 1945 erschoss er sich in Schönenbach und wurde auf dem Friedhof in Grafenhausenbeerdigt.[30]

        In der Schweiz wurde noch bis Ende der 1950er Jahre nach Hirt gefahndet, ein französisches Militärgericht in Metzverurteilte ihn am 23. Dezember 1953 in Abwesenheit zum Tode.

         

        Rolf Hochhuths Erstlingswerk Der Stellvertreter von 1963 lässt Hirt in der zweiten Szene des ersten Akts im Kreise anderer Personen des Nationalsozialismus wie Adolf Eichmannbeim Kegeln auftreten. Er repräsentiert hier den Typus des NS-Wissenschaftlers, der sich durch „wissenschaftlich gepflegte Idiotie und Grausamkeit, [die] selbst noch das branchenübliche Maß vieler prominenter SS-Mediziner übertraf“ (Hochhuth) auszeichnet. https://de.m.wikipedia.org/wiki/August_Hirt

         

        So geht das

        • @Lowandorder:

          Von „Abspaltung“ könnte man hier aus meiner Sicht doch nur dann sprechen, wenn da Dinge getrennt würden, die eigentlich zusammengehören.

          Wenn eigens sogenannte „Kinderfachabteilungen“ zum Zweck der grausamen Tötung von Kindern unter dem Deckmantel von Kindermedizin gegründet werden, wird man beim besten Willen doch keine medizinischen oder wissenschaftlichen Motive dahinter mehr vermuten können. Darin liegt eben keine „Abspaltung“ innerhalb einer Disziplin (Medizin und grausame Tötung gehören und gehörten nie zusammen), sondern vielmehr ein Verlust bei erheblichen Teile eines Berufsstandes von jeglicher Berufsethik.

          • @Rainer B.:

            Mit Verlaub - Sie denken/betrachten/bewerten & ordnenein - von außen.

            Von einem Außensystem.

            Systemisch gedacht - ist aber z.B. die

            Aktion T 4 im medizischen System zeitbedingt nur folgerichtig.

             

            "Die Aktion T4 ist eine nach 1945 gebräuchlich gewordene Bezeichnung für die systematische Ermordung von mehr als 70.000 Menschen mit körperlichen, geistigen und seelischen Behinderungen während der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland von 1940 bis 1945."

            &

            "Die im Nationalsozialismus praktizierte sogenannte „Euthanasie“ geht auf schon um die Jahrhundertwende entwickelte eugenische Ideen, wie sie neben anderen durch den Psychologen Adolf Jost popularisiert wurden, zurück. Diese Vorstellungen wurden durch die 1920 publizierte Schrift Freigabe zur Vernichtung lebensunwerten Lebens von Binding und Hoche konkretisiert und fanden damit Eingang in die akademische Diskussion. Im Sinne einer „Rassenhygiene“ und einer Höherzüchtung der „arischen Rasse“ korrespondierten diese eugenischen Ideen nicht nur mit den Zielen der nationalsozialistischen Ideologie, sondern das festgelegte Endziel einer „Vernichtung lebensunwerten Lebens“ wurde stark materialistisch begründet. Es handelte sich hierbei um einen Euphemismus für die geplante und systematische Ermordung von „Erb- und Geisteskranken, Behinderten und sozial oder rassisch Unerwünschten“; die Entscheidungen wurden hierbei nach Aktenlage von als Gutachter eingesetzten Ärzten gefällt.

             

            Die „Aktion T4“ war Teil einer stufenweisen Verwirklichung von Kernzielen der nationalsozialistischen Ideologie, der „Aufartung“ oder „Aufnordung“ des deutschen Volkes. …"

            usw usf.

            https://de.m.wikipedia.org/wiki/Aktion_T4

             

            (In meinen Familienerzählungen gehörte Eugenik - entsprechend den

            Diskursen in den Wissenschaften seit Mitte des 19.Jahrh. - zum (angeblich) gesicherten Wissen - politisch querbeet! Das reichte von Verzicht auf Kinder wg behindertem Kind in der Familie bis zum "Wohltat"argument!

            Pervers - Sie sagen es. Aber Medizin.

            • @Lowandorder:

              Langsam! Das war doch alles nicht Medizin, sondern ideologisch, politische Istrumentalisierung von u.a. der Medizin zum alleinigen Zwecke einer Pseudolegitimierung rassistischer Verbrechen.

               

              Man darf auch nicht vergessen, dass es sehr wohl zahlreiche Ärzte gab, die sich standhaft geweigert haben, an derartigen unmedizinischen Schweinereien mitzuwirken. Die wurden allerdings nach und nach ausgetauscht und wer als Arzt im Nationalsozialismus Karriere machen wollte, musste sich eigentlich nur möglichst rassistisch und darin möglichst grausam aufführen. Der Einfluß der Nazis auf sämtliche Institutionen, ließ ab einem gewissen Punkt dann überhaupt keine andere Entwicklung mehr zu. Kritiker der Eugenik und der darauf aufsetzenden Euthanasie hatten unter den Nazis schlicht keine Chance. Ovids „Principiis obsta“ ist nach wie vor aktuell und man sollte hier auch ruhig mal den ganzen Vers zitieren: „„Principiis obsta, sero medicina paratur“. (Widerstehe im Anfang, zu spät wird (sonst) das Heilmittel bereitet.) Damit war ganz gewiss nicht gemeint, dass ein Arzt sich genehme Patienten züchten und alle anderen um die Ecke bringen solle.

  • Der im Artikel erwähnte SS- und NSDAP-Arzt Julius Hallervorden erhielt btw 1956 das Große Bundesverdienstkreuz der BRD.

     

    Carl Clauberg wurde in der Sowjetunion wenigstens zu 25 Jahren Haft verurteilt, aber dann von der BRD freigekauft und wieder eingestellt.

    • @Age Krüger:

      btw only -

       

      Die Kontinuität post WK II - ist via

      Ärztekammern Unis & zT Rotes Kreuz einschl. Schwarze Rattenlinie - der

      Götter in Weiß - die erschreckende

      "Begleitmusik!"

      Die closed shop Mentalität - ist wohl noch stärker ausgeprägt gewesen als bei den furchtbaren Juristen!

      But - Who knows?

      • @Lowandorder:

        Naja, die Juristen sind ja gleich bis ins Bundeskanzleramt aufgestiegen afair.

        • @Age Krüger:

          Si´cherdat.

           

          Aber in der Klientelpolitik ist die Ärzteschaft einschl. Uni-Betrieb traditionell wesentlich erfolgreicher.

          (Juristen gibt´s halt wie Sand am Meer - einschl. der Furchtbaren & Unfähigen - leider!;(

  • „Solche Täter wussten genau, woran sie forschten und was sie taten. Ich finde es falsch, dass ihre Namen in der Medizingeschichte mit etwas Positivem assoziiert werden.“

     

    Das sehe ich ganz genau so. Mit Medizin - also mit Heilkunde - hatte das alles nämlich nicht das Geringste zu tun und mit Wissenschaft schon gar nicht. Das belegt auch die kleine, aber feine Ausstellung im Medizinhistorischen Museum am UKE in Hamburg mit dem Titel "Im Gedenken der Kinder" sehr eindrucksvoll.

    https://www.uke.de/kliniken-institute/institute/geschichte-und-ethik-der-medizin/medizinhistorisches-museum/ausstellungen/r%C3%BCckblende/gedenken.html