Kosten für Polizeieinsätze im Fußball: Die Mär vom Sparzwang in Berlin
Berlins soziale und kulturelle Infrastruktur wird kaputt gespart, aber eine Kostenbeteiligung der Fußballclubs an Polizeieinsätzen lehnt der Senat ab.
E s ist eine Entscheidung mit politischer Sprengkraft: Berlin plant auch nach dem Scheitern der Beschwerde der Deutschen Fußball Liga (DFL) vor dem Bundesverfassungsgericht keine Kostenbeteiligung der Fußballclubs an Polizeieinsätzen bei Hochrisikospielen. Angesichts der Sparwut des schwarz-roten Senats, mit der die soziale und kulturelle Infrastruktur der Hauptstadt kaputt gekürzt wird, wirft die Absage an zusätzliche Einnahmen durchaus Fragen auf.
Schließlich gilt die Beteiligung der Clubs nur für gewinnorientierte und gewaltgeneigte Veranstaltungen mit mehr als 5.000 Menschen. Betroffen wären also nicht kleine Vereine, die dadurch um ihre Existenz bangen müssen, sondern Hertha BSC und Union Berlin.
Da sorgt die Absage von Sport- und Innensenatorin Iris Spranger (SPD) selbst in der eigenen Partei für Unverständnis: Angesichts von weit über 20 Millionen Eintrittskarten, die in den ersten beiden Fußballligen pro Saison verkauft würden, spreche vieles dafür, „einen Teil der Erlöse zur Stärkung der Bundespolizei und der Landespolizeien zu verwenden“, so der sportpolitische Sprecher der SPD, Dennis Buchner.
Doch stattdessen muss weiterhin die Allgemeinheit für die Gewaltexzesse von Typen blechen, die im Namen des Fußballs ungehemmt ihre toxische Männlichkeit ausleben. Nach dem Motto: Lieber ein paar Frauenhäuser weniger als sich mit König Fußball anlegen.
Falsche Prioritäten
Dabei sind CDU und SPD an anderer Stelle weniger zimperlich, wenn es darum geht, sich die Kosten für Polizeieinsätze erstatten zu lassen: Erst im vergangenen Jahr war die Landesregierung damit gescheitert, Klimaaktivist*innen für das Loslösen von der Straße zur Kasse zu bitten.
Wer in Berlin also für eine gute Sache wie den Einsatz für mehr Klimaschutz auf die Straße geht und sein Grundecht auf Meinungsfreiheit mit Mitteln des zivilen Ungehorsams ausübt, wird persönlich zur Kasse gebeten. Wenn bei kommerziellen Fußballspielen gewaltbereite – und im schlimmsten Fall noch rechtsradikale und misogyne – Männer zum Spaß andere Menschen verprügeln, muss die Allgemeinheit die Kosten tragen – und die Gewinne streichen die Vereine ein.
Die Prioritäten von CDU und SPD sind damit klar gesetzt. Wer derart freiwillig auf dringend benötigtes Geld verzichtet, macht sich unglaubwürdig, wenn es heißt, die Einsparungen im Sozialen und in der Kultur seien alternativlos. Sie sind es nicht. Sie sind politisch so gewollt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Merz will Straftätern Pass entziehen
Heimat ist bedingungslos
Anklage gegen Linke Maja T. erhoben
Ungarn droht mit jahrelanger Haft
Erneuerbare Energien
Die bizarre Aversion der AfD
Grünen-Pläne zur Krankenversicherung
Ohne Schutzschild aus der Deckung
Polizeigewalt beim AfD-Parteitag
Unverhältnismäßig und unnötig
Streit um Bezeichnung
Gericht verbietet Aldi Süd Verkauf seiner Dubai-Schokolade