Korruptionsvorwürfe gegen Netanjahu: Rücktrittsforderungen werden lauter
Die israelische Polizei empfiehlt, Benjamin Netanjahu wegen Korruption anzuklagen. Der Ministerpräsident hingegen weist die Vorwürfe zurück.
Die Empfehlungen der Polizei gehen nun an Generalstaatsanwalt Avitschai Mandelblit, der entscheiden muss, ob er ihnen folgt. Während dieser Zeit kann Netanjahu im Amt bleiben. Es wird erwartet, dass Mandelblits Entscheidungsfindung Monate dauern wird.
Gegen Netanjahu laufen Ermittlungen in zwei Fällen. In der sogenannten Akte 1.000 geht es darum, ob er Geschenke im Wert von mehr als 100.000 Dollar von dem Hollywood-Mogul Arnon Milchan und dem australischen Milliardär James Packer erhalten hat. Unter anderem soll sich Netanjahu teure Zigarren und Champagner schenken lassen haben. Im Gegenzug für die Vorteile soll Netanjahu Milchan bei US-Visafragen und auf dem israelischen Medienmarkt geholfen haben.
Im zweiten Fall geht es um mutmaßliche Geheimabsprachen des Ministerpräsidenten mit dem Verleger der Tageszeitung „Jediot Ahronot“. Die Polizei besitzt nach eigenen Angaben Aufzeichnungen, denen zufolge Netanjahu versprochen hat, im Gegenzug für eine positive Berichterstattung ein ihm wohlgesonnenes kostenloses Blatt zu zügeln.
Netanjahu wies die Vorwürfe in einer Fernsehansprache zurück. Eine Anklage gegen ihn werde zu nichts führen, prophezeite er und beteuerte, er habe immer nur zum Wohle der Nation gehandelt. Er werde im Amt bleiben und sich einer Wiederwahl stellen. „Ich werde Ihr Vertrauen wiedergewinnen, mit Gottes Hilfe“, sagte der Ministerpräsident an die Zuschauer gewandt.
„Das sieht wie Bestechung aus“
Er räumte ein, Milchan bei Visafragen beraten zu haben. Dieser habe aber viel für Israel getan und auch der frühere Staatspräsident Schimon Peres sei mit ihm befreundet gewesen. „Wie können Anschuldigungen ernst genommen werden, dass ich im Tausch für Zigarren für Arnon Milchans Vorzüge gehandelt habe?“ Über die Jahre hinweg hätten die Vorwürfe gegen ihn ein Ziel gehabt, nämlich ihn aus dem Amt zu stürzen.
Der frühere israelische Ministerpräsident Ehud Barak rief Netanjahu indes auf, sich vom Amt freizustellen und die Regierungskoalition damit zu beauftragen, am (heutigen) Mittwoch einen Ersatz zu ernennen. „Die Tiefe der Korruption ist erschreckend. Das sieht nicht wie Nichts aus. Das sieht wie Bestechung aus“, so Barak.
Oppositionspolitiker Jair Lapid sagte, mit so schwerwiegenden Anschuldigungen könne Netanjahu nicht weiter Ministerpräsident sein. Belasten dürfte Netanjahu auch eine Aussage, die er selbst vor zehn Jahren als Oppositionsführer gemacht hatte. Damals rief er Ministerpräsident Ehud Olmert zum Amtsverzicht auf, weil die Polizei gegen diesen ermittelte. Wer bis zum Hals in Verhören stecke, könnte nicht ordentlich regieren, argumentierte Netanjahu.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Fußball-WM 2034
FIFA für Saudi-Arabien
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen