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Korruption in GuatemalaVizepräsidentin versinkt im Sumpf

Roxana Baldetti muss wegen eines Bestechungsskandals abtreten. Das schwache Justizsystem braucht weiterhin internationale Hilfe.

DemonstrantInnen bejubeln ihren Sieg über die Korruption. Bild: ap

BERLIN taz | Autokorsos fuhren hupend durch Guatemala-Stadt, auf den Plätzen trafen sich die Anwohner zum Feiern, Leuchtraketen stiegen in den Himmel. Es war gerade so, als hätte Guatemala einen Sieg in einem wichtigen Fußballländerspiel errungen – dabei hatte die Regierung gerade ihre schwerste Niederlage erlitten: Vizepräsidentin Roxana Baldetti von der rechten „Patriotischen Partei“ ist am Freitag wegen Korruptionsverdachts zurückgetreten. Präsident Otto Pérez Molina, ein ehemaliger General, sprach in einer kurzen Pressekonferenz schmallippig von „persönlichen Gründen“ und einer „mutigen Entscheidung“.

Es war eine Flucht aus dem Amt. Schon Mitte der Woche hatte der Oberste Gerichtshof die Immunität Baldettis aufgehoben, das Parlament war der Entscheidung mit großer Mehrheit gefolgt. Am Wochenende zuvor waren 15.000 Menschen vor den Nationalpalast gezogen und hatten nicht nur den Rücktritt der Vizepräsidentin gefordert, sondern auch den von Pérez Molina.

Der Grund: Mitte April hatte die von den Vereinten Nationen gestellte „Internationale Kommission gegen die Straffreiheit in Guatemala“ (Cicig) gemeinsam mit der Staatsanwaltschaft ein kriminelles Netzwerk im Zoll offengelegt, das von Importeuren Schmiergelder kassierte und ihnen dafür die Importsteuern erließ. Einzelne Mitglieder der Bande sollen da innerhalb einer Woche über 300.000 US-Dollar eingesackt haben.

27 Regierungsfunktionäre wurden inzwischen verhaftet. Der Kopf des Netzwerks soll der seither untergetauchte Juan Carlos Monzón sein, der Privatsekretär der Vizepräsidentin. Baldetti soll ihm bei der Flucht geholfen haben. Auch sie selbst scheint tief im Korruptionssumpf zu stecken: In über 60.000 abgehörten Telefongesprächen zwischen den Bandenmitgliedern ist oft von der „R.“ (wie Roxana) die Rede, von der „Señora“ oder der „Nummer zwei“.

Dass die Ermittlungen gegen „La Linea“ jetzt öffentlich gemacht wurden, war wie ein Befreiungsschlag für Cicig. Die 2007 eingerichtete Gruppe soll das als korrupt geltende Justizsystem Guatemalas auf Vordermann bringen und exemplarische Fälle selbst untersuchen. Mitte April musste der Präsident darüber befinden, ob die Cicig-Mission für weitere zwei Jahre verlängert wird. Man war davon ausgegangen, dass er das im Mai endende Mandat auslaufen lässt. Pérez Molina muss befürchten, nach dem Ende seiner Amtszeit am 16. Januar 2016 selbst ins Visier von Cicig zu geraten.

Es gibt Zeugenaussagen, die den Präsidenten in seiner Zeit als General im Bürgerkrieg (1960 bis 1996) für Massaker an der Zivilbevölkerung verantwortlich machen. 1998 wurde er mit dem Mord an dem Bischof Juan Gerardi in Verbindung gebracht. Seit er 2011 zum Präsidenten gewählt wurde, versucht er, sich international als liberalen Politiker darzustellen und hat sich eine Zeit lang für eine teilweise Legalisierung von Marihuana eingesetzt. Hätte er angesichts der Ermittlungen gegen seine Vizepräsidentin das Mandat von Cicig nicht verlängert, wäre diese liberale Fassade zusammengebrochen. Im letzten Moment entschied er: Die internationalen Staatsanwälte dürfen bleiben.

Trotzdem ist der Schlag gegen „La Linea“ nicht nur ein Erfolg für Cicig. Er zeigt zwar, dass in Guatemala Staatsanwälte erfolgreich gegen hochrangige Politiker vorgehen können. Aber er zeigt auch, dass dies ohne internationale Hilfe immer noch nicht möglich ist. In den acht Jahren ihrer Arbeit ist es der Mission nicht gelungen, ein starkes unabhängiges guatemaltekisches Justizwesen aufzubauen.

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