Konzertempfehlungen für Berlin: Wolken der freien Musik
Den Free Jazz muss man ehren, aber auch die Klangkunst und das Feedback. Und so manch alten Norweger, wenn er denn mal zu Gast ist.
E ines der wichtigsten Jazzlabel aus Deutschland heißt Free Music Production (FMP). Im Jahr 1969 von den Free-Jazz-Musikern Peter Brötzmann, Peter Kowald, Alexander von Schlippenbach und dem Musikproduzenten Jost Gebers gegründet, erschienen auf dem Label innovative Platten deutscher wie internationaler Musiker, darunter zahllose Klassiker.
Nachdem das Label eine wechselhafte Geschichte durchlaufen und 2011 seinen Betrieb dauerhaft eingestellt hatte, gab es im vergangenen Jahr neue Aktivität. Seitdem erscheinen wieder Veröffentlichungen, und jetzt gibt sogar eine neue gemeinsame Adresse mit dem Wolke Verlag, kurz FMP 1 (Franz Mehring Platz 1), im Verlagsgebäude Neues Deutschland.
Die Eröffnung begleitet ein dreitägiges Festival, das diesen Freitag beginnt und Konzerte im Stundentakt teils bis spät in die Nacht verspricht. Vor allem jüngere Jazz- und Improvisationsmusiker sind vertreten, von den Gründern ist allein Alexander von Schlippenbach noch am Leben und aktiv, auch er beteiligt sich musikalisch an den Feierlichkeiten. Klanginstallationen von Svetlana Maraš und Jan Werner runden die Sache ab. Ganz im Sinne des Namens ist der Eintritt frei (25. 4. ab 18 Uhr, 26. 4. ab 15 Uhr, 27. 4. ab 11.30 Uhr).
Bei Geräusch muss man ja sehr genau darauf hören, mit was für einer Art Geräusch man es konkret zu tun hat. Vor allem bei Musik, die mit Geräusch als Material arbeitet. Der Künstler Steve Roden betonte dabei besonders die Zwischenreiche. Seine Arbeiten umfassten Malerei, Skulptur, Klang- und Videokunst, dazu passend war er unter dem Namen in be tween noise aktiv.
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Er arbeitete mit Partituren, für die er eigene Notationsformen entwickelte, die dann in die jeweilige Kunstform übersetzt werden mussten. Klingt auf dem Papier im Zweifel akademischer als die Klanginstallationen, die dabei herauskamen. 2023 starb er in Los Angeles.
Am Sonntag, an dem er zugleich seinen 61. Geburtstag begangen hätte, veranstaltet die Hörgalerie Singuhr zusammen mit dem Silent Green dort unter dem Titel „in be tween noise“ ein achtstündiges Tributkonzert mit Werken Rodens für Lautsprecher. Einlass ist jederzeit (27. 4., 14-22 Uhr, 5 Euro).
Vielleicht wird der eine oder die andere jetzt schreien, aber am Dienstag bietet sich die Gelegenheit, einen der prägenden europäischen Jazzmusiker zu erleben. Berühmt wurde er weniger für Avantgardistisches als für einen bestimmten Klang: Jan Garbarek. Der helle Ton seines Sopransaxofons machte ihn zu einem der Aushängeschilder des Labels ECM und zu einem der Hauptvertreter eines auf Lyrik und Räumlichkeit setzenden Stils.
Der Saxofonist gastiert in der Philharmonie mit der Jan Garbarek Group. Neben seinen langjährigen Mitstreitern, dem Pianisten Rainer Brüninghaus und dem Bassisten Yuri Daniel, spielt diesmal als Perkussionist Trilok Gurtu. Man kann nie ausschließen, dass so eine Veranstaltung ein bisschen nostalgisch wird, in dieser Gestalt ist so etwas aber zu verantworten. Und im Übrigen stehen da vier fantastische Musiker gemeinsam auf der Bühne (29. 4. 20 Uhr, Tickets im VVK ab 37,50 Euro).
Dichte Frequenzen und hohe Dezibelzahlen verspricht hingegen das FBO, das 1999 in Berlin gegründete Feedback Orchestra. Stets im Kreis aufspielend, schichtet sich bei den Musikern Gitarre auf Gitarre. Neben einigen festen Mitspielern sind diesmal auch Gäste zugegen.
So treffen die unterschiedlichen musikalischen Temperamente Herman Herrmann, Günter Schickert, Kerl Fieser, Zeppy Haus, Giles Schumm, Hendrik Kröz, Dirk Dresselhaus und Ansgar Wilken am Mittwoch in der Galiläakirche aufeinander. Damit hinterher niemand sagt, es habe keine Warnung gegeben: Es wird voraussichtlich laut (30. 4., 19.30 Uhr).
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