Konzertempfehlungen für Berlin: Träumen und Tasten

Viele Konzerte in dieser Woche greifen hinein ins Unbewusste, in diverse Tasten oder testen die Grenzen von Streichern aus.

Das Ensemble in einer Parkanlage

Solistensensemble Kaleidoskop Foto: Sonja Mueller

Musik hat traditionell einen guten Platz im Unbewussten. Wo etwa Literatur über die Sprache erst einmal den Filter des Intellekts passieren muss und auch Bilder etwas sind, dem man sich bewusst zuwendet – es ist auch einfacher, die Augen vor ihnen zu verschließen, als die Ohren schalldicht zu verstopfen – geht die Musik ungehindert überhall dorthin, wo es in Leib und Seele wehtut, sich anrühren lässt oder wo Empfindungen angesprochen werden, von denen man zuvor im Zweifel gar nicht wusste, dass man sie hat.

Und da der Königsweg zum Unbewussten seit Freud nun mal der Traum ist, hat es einigen Sinn, dass das Solistensensemble Kaleidoskop und der Komponist Georg Nussbaumer ihre aktuelle Zusammenarbeit „Die Entsorgung des Vergessens – 91 Traumprotokolle“ nennen.

Zwischen Performance und Installation geht es am Freitag, Sonnabend und Sonntag (5.-7. 5.) im Ballhaus Ost zu, das Publikum bewegt sich dazu durch die Etagen des Hauses, das, dem nächtlichen Thema angemessen, bloß von Taschenlampen erleuchtet sein wird. Ob wohl Schlafwandler ausdrücklich erwünscht sind? (Pappelallee 15, 5. & 6. 5, 20 Uhr, 7. 5., 18 Uhr, 15/10 Euro)

Mehr in dieser Richtung bietet das Jugend(widerstands)museum ebenfalls am Freitag mit zwei Künstlerinnen, die sich auf gar nicht so unähnliche Weise mit ihrer Musik daran machen, die Grenze vom Hellwachen zum Tiefschlaf zu überwinden. Die Cellistin Martina Bertoni erzeugt mit ihrem Instrument und elektronischem Gerät offene Schwebezustände, ihr jüngstes Album heißt passend „Hypnagogia“.

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Bérangère Maximin versteht sich auf akusmatische Dinge, sie macht mithin Musik, bei der die Grenze zwischen Akustischem und Elektronischem so verwischt wird, dass man nicht zuordnen kann, welchen Ursprung die Klänge überhaupt haben. Wie Tagesreste, die im Traum mitunter seltsame Gestalt annehmen (Rigaer Str. 9/10, 5. 5., 20 Uhr).

Wer kennt das Clavinet? Kommt aus Deutschland und wurde von der Marke Hohner als „elektrisches Clavichord“ eingeführt, um dem fragilen barocken Tasteninstrument eine moderne Gestalt zu verpassen. Berühmt gemacht haben es aber Größen wie Stevie Wonder, dessen Hit „Superstition“ ohne Clavinet nicht halb so viel Funk hätte.

Wenn am Sonntagnachmittag im Sattelit die Pianistinnen Magda Mayas und Andrea Neumann zu einem Konzert mit Clavinet und Innenklavier laden, könnte die Musik allerdings weniger auf Groove, dafür stärker auf neugieriger Erweiterung des Sounds beruhen. Das umgebaute „Satellit-Klavier“ soll auch zum Einsatz kommen. Es werden Kaffee und Kuchen gereicht (Weinstraße 11, 7. 5., 16 Uhr).

Eines der besten Quartette mit starkem Interesse an neuer und neuester Musik ist das Jack Quartet. Die vier Streicher haben sich unter anderem den Quartetten des Avantgarde-Altmeisters Helmut Lachenmann gewidmet.

Am Donnerstag spielen sie im Pierre Boulez Saal neben Lachenmann auch zwei US-amerikanische Komponisten der Gegenwart, den früheren Jazz-Krawallexperten John Zorn und Caleb Burhans. Die Grenzen zum Geräusch werden dabei mit einiger Wahrscheinlichkeit überschritten (11. 5., 19.30 Uhr, Tickets für 15-45 Euro gibt es hier).

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Jahrgang 1971, arbeitet in der Kulturredaktion der taz. Boehme studierte Philosophie in Hamburg, New York, Frankfurt und Düsseldorf. Sein Buch „Ethik und Genießen. Kant und Lacan“ erschien 2005.

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