Konzert des Rappers Disarstar: Nur irgendwie Melancholie
„Rolex für alle“ lautet das Motto der Tour von Disarstar. Am Montag trat der linke Hamburger Rapper im Berliner Astra Kulturhaus auf.
Disarstar lässt auf sich warten. Rund 1.500 Menschen sind am Montagabend ins ausverkaufte Astra Kulturhaus nach Berlin-Friedrichshain gekommen, um den linken Rapper zu sehen. Statt seiner beginnt DJ Hägi mit dem Warm-up, obwohl sich das Publikum bereits mit politischen Parolen in Stimmung gebracht hat. „Siamo Tutti Antifascisti“ und „Ganz Berlin hasst die Polizei“ wird skandiert, bis der 29-jährige Hanseat im schwarzen Polo-Shirt die Bühne betritt.
Seine Show beginnt mit „Rolex für alle“, Titelstück seines neuen Albums, auch das Motto seiner aktuellen Tour. Disarstar rappt: „Wenn sie sagen ‚Es kann keine bessere Welt geben‘/Lügen sie, Ihre könnte nicht besser sein / Unsere kann nur besser werden“ auf einem treibenden Beat, der durch Livedrums auf der Bühne verstärkt wird. Wenn er im Refrain fragt: „Rolex für wen?“, antwortet das Publikum „Rolex für alle“. Dass seine Stimme zunächst noch etwas flach klingt, fällt bei der Energie, die er live versprüht, kaum auf. Fast ohne Atempause schiebt er den Track „Hunger“ hinterher.
Die Inhalte von Disarstars Songs ächzen vor ernsten Themen: Armut, psychische Erkrankungen, Polizeigewalt und soziale Ungerechtigkeit. Klassenkampf ist ein zentraler Komplex seiner Reime. Kein Wunder, bezeichnet der Hamburger sich doch als Marxist und engagiert sich in kommunistischen Basisgruppen. Musikalisch dominieren düstere Trapbeats den Sound. Gute Stimmung ist bei seinen Konzerten trotzdem angesagt. Mit „Macht ein’ Kreis, macht ein’ Kreis“ fordert er das Publikum bei jeder Ansage auf – und das lässt sich nicht lange bitten. Der Moshpit vor der Bühne ist die Regel, nicht die Ausnahme. Ausrasten, aber mit Wohlfühlfaktor, so lautet die Devise von Disarstar. Von Beginn an macht er klar, dass alle Männer ihre Shirts anlassen. Er verweist auf die Awareness-Managerin. An die kann sich wenden, wem beim Konzert unwohl ist. Und einen Moshpit nur für FLINTA gibt es auch.
Zwischen den Songs wird skandiert, was sonst auf linken Demos zu hören ist. Und so war es nur eine Frage der Zeit, bis vereinzelte Rufe nach „Free Palestine“ ertönen. Disarstar, der mit bürgerlichen Namen Gerrit Jan Falius heißt, geht sofort dazwischen. „Das Nahost-Fass machen wir heute nicht auf!“, sagt er. Als die Rufe weitergehen, spricht er ruhig weiter, sagt, dass er nicht immer die emotionale Kraft habe, alles auszudiskutieren. Er spricht von Zusammenhalt und Familie und stimmt das nächste Lied an, bis die Rufe endlich verstummen.
Es bleibt eine kurze, unangenehme Episode, die Disarstar elegant löst. Begleitet mit Gitarre und E-Piano spielt er seine ruhigeren Songs. Tränen und Kitsch statt Pogo und Krawall. Und wenn er mit seiner leicht angerauten Stimme singt „Zwischen Hoffnung und Melancholie /Stecken wir fest / irgendwie“, hat er das Publikum auf seiner Seite. Es ist so gebannt, dass es so gut wie gar nicht mit den Handys filmt.
Kurz vor Schluss bittet Disarstar seinen Berliner Kollegen Luvre47 auf die Bühne, gemeinsam spielen sie „Pausenlos“ und „Meine Stadt schläft nie“. Nach knapp 90 Minuten ist das Konzert vorbei. Zuvor stimmt Disarstar aber noch seine Antifa-Hymne an und wirklich alle im Saal rappen mit: „Wir kommen in Schwarz, Digga / Mit paar Liter Ethanol / Keine Liebe für den Staat / Siamo Tutti Antifa“.
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