Konzerne beugen sich EU-Klimaregeln: Opel in einem Pool mit Tesla
Autobauer schließen sich zusammen, um CO2-Limits für Neuwagen zu erfüllen – und Milliardenstrafen zu vermeiden. Im Wahlkampf landet das Thema trotzdem.
Auch wenn deutsche und EU-Politiker derzeit auf die Aufweichung der Regeln drängen: „Die Regulierung der Flottengrenzwerte in der EU ist ein Riesenerfolg“, sagt Sebastian Bock, Geschäftsführer der deutschen Sektion des Verbands Transport & Environment. Das „Poolen“, also der Zusammenschluss von ansonsten konkurrierenden Konzernen für das Erreichen der Klimaziele zeigt für Bock: „Die Hersteller haben sich auf die Flexibilitäten, die die EU-Gesetzgebung bietet, eingestellt“.
Im Bundestagswahlkampf klingt das derzeit anders: Strafzahlungen dürften „nicht die finanzielle Liquidität der Unternehmen, die jetzt in Elektromobilität, in moderne Produkte und Fahrzeuge investieren müssen“, beeinträchtigen, sagte Kanzler Scholz im Dezember. Auch Union, FDP und AfD fordern eine Aufweichung der 2019 beschlossenen CO2-Regeln. Selbst der grüne Wirtschaftsminister Habeck plädierte dafür, dass Autobauer verhängte Strafen durch eine Übererfüllung der CO2-Quoten in den Jahren 2026 und 2027 verrechnen können sollten.
Für den Klimaschutz müssen die CO2-Emissionen von Neuwagen in der EU in diesem Jahr um 15 Prozent auf durchschnittlich knapp 94 Gramm je gefahrenen Kilometer sinken. 2035 sollen sie bei null Gramm CO2 liegen – also keine Verbrennerautos mehr verkauft werden.
Absatz der Stromer schwächelt
Dabei geht es um die sogenannten Flottengrenzwerte der Autobauer, also den jeweiligen Mittelwert aller verkauften Fahrzeuge eines Konzernes. Für E-Autos werden null Emissionen gerechnet, also sind sie für die Statistik besonders wichtig. Aber: Der Absatz der Stromer schwächelt. Laut am Montag veröffentlichten Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamts wurden 2024 wegen der weggefallenen Förderung nur noch 381.000 batterieelektrische Fahrzeuge neu in Deutschland zugelassen, über ein Viertel weniger als 2023. Verbrenner und Hybridfahrzeuge verkauften sich dagegen relativ gut. Der Wert der durchschnittlichen CO2-Emissionen aller in Deutschland verkauften Neuwagen zog um 4,2 Prozent auf 119,8 Gramm pro Kilometer an.
Viel zu viel zum Erreichen der deutschen Klimaziele – und auch für die EU-Regeln. Laut dem EU-Autolobbyverband Acea drohen allen Herstellern in Europa in diesem Jahr deshalb rund 15 Milliarden Euro Geldbußen. Diese „Klimastrafen“ seien Gift für den mit 770.000 MitarbeiterInnen stärksten Industriezweig in Deutschland, erklären unisono PolitikerInnen von Union und FDP – und fordern bereits eine Rücknahme des EU-weiten Zulassungsverbots neuer Diesel und Benziner ab 2035.
Allerdings können die Hersteller Strafzahlungen relativ leicht vermeiden. Ein Sprecher der Auto-Dachmarke Stellantis erklärte, die Teilnahme am Pool mit Tesla helfe, die Reduktionsziele zu erreichen. Aber auch das kostet. Für Tesla ist der Verkauf der Emissionsrechte ein Milliardengeschäft: Allein in den ersten drei Quartalen 2024 nahm das Unternehmen von Elon Musk damit gut 2 Milliarden US-Dollar ein.
Ein Volkswagen-Sprecher erklärte, das Unternehmen wolle die CO2-Ziele primär aus eigener Kraft erreichen. Zuletzt wurden die Preise für den Mittelklasse-Stromer ID.3 gesenkt, die für größere Verbrenner angehoben.
Noch Zeit bis zum Herbst
Die Wolfsburger hatten bereits 2020 einen Pool unter anderem mit den chinesischen Herstellern SAIC und Aiways gebildet. Um auch für das laufende Jahr eine derartige Kooperation zu schmieden, hat VW laut dem Sprecher noch Zeit bis Herbst.
BMW will die Emissionsziele aus eigener Kraft einhalten, zum Beispiel mit neuen, kleineren E-Autos. Auch andere Konzerne wollen solche Fahrzeuge in diesem Jahr verstärkt auf den Markt werfen.
Frühestens 2026 stünden eventuelle Strafhöhen für die Hersteller fest, meint Experte Bock. Das Aufschnüren der EU-Gesetze dazu sei langwierig – und deshalb unwahrscheinlich. Zudem berge es die Gefahr, dass das Verbrenner-Aus wegen neuer konservativen Mehrheiten im EU-Parlament und in Europa insgesamt wackele. „Man muss sich doch wundern“, sagt Bock: „Auf der einen Seite rufen die Konzerne nach Planungssicherheit, gleichzeitig machen sie Stimmung gegen die bereits vor 6 Jahren festgelegten CO2-Grenzwerte“.
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