Konzept für Vermögensteuer: Beschluss zur Profilschärfung
Die Sozialdemokraten wollen reiche Privatpersonen, aber auch Firmenkapital besteuern. In der Großen Koalition hat das Vorhaben aber keine Chance.
Das SPD-Präsidium hat am Montag ein Eckpunktepapier „zur Wiedereinführung einer Vermögensteuer“ beschlossen. „Die starke Vermögenskonzentration gefährdet den gesellschaftlichen Zusammenhalt“, heißt es in dem Text, den unter anderem der kommissarische Vorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel schrieb. „Überfällige Investitionen von 159 Milliarden Euro, etwa in Schulen und Schwimmbäder“ könnten so finanziert werden. Die Steuer soll laut Schäfer-Gümbel „im Wesentlichen für Multimillionäre und Milliardäre gelten“. Der Steuersatz betrüge 1 Prozent auf private und Firmenvermögen, für „Superreiche“ vielleicht mehr. Dabei soll es jedoch „hohe persönliche Freibeträge“ geben.
Hier wie bei anderen Punkten mangelt es noch an Details. Auch Kapitalgesellschaften wie AG, KG und GmbH, in denen das Geld reicher Familien steckt, will die SPD einbeziehen. Für diese will man aber „Verschonungsregeln“ einbauen, um keine Arbeitsplätze zu gefährden. Es wird mit zusätzlichen Einnahmen für den Staat von 9 bis 10 Milliarden Euro pro Jahr gerechnet.
1995 urteilte das Bundesverfassungsgericht, dass eine gleichmäßige Besteuerung von Vermögen wegen veralteter Berechnungsgrundlagen für Immobilien nicht mehr stattfinde. Die damalige Bundesregierung aus Union und FDP unter Bundeskanzler Helmut Kohl entschied daraufhin, die Vermögensteuer gar nicht mehr zu erheben.
Seitdem hätten die wohlhabendsten Bürgerinnen und Bürger überproportional profitiert, beklagen die Sozialdemokraten. Dabei stützen sie sich unter anderem auf Untersuchungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Demnach besaßen 2011 die reichsten 10 Prozent der Privathaushalte 63 Prozent aller privaten Vermögen der Bundesrepublik. Das reichste eine Prozent kam auf 31 Prozent der privaten Vermögen, die ärmere Hälfte der Bevölkerung dagegen nur auf 2,6 Prozent.
Viele mit Deutschland vergleichbare Staaten kennen keine Vermögensteuer. Ausnahmen sind unter anderem Frankreich, Norwegen, Spanien und die Schweiz. Die SPD will sich am Schweizer Modell orientieren. Aber auch ohne spezielle Vermögensteuer erheben viele wohlhabende Industrieländer deutlich höhere vermögensbezogene Steuern als Deutschland. Diese Abgaben können sich beispielsweise aus Immobilien-, Erbschaft- und Kapitalsteuern zusammensetzen. In Großbritannien erreicht ihr Aufkommen laut DIW fast 4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, in Frankreich über 3,5. In Deutschland dagegen beträgt der Anteil weniger als 1 Prozent des BIP.
CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer lehnte die Idee ab, CSU-Chef Markus Söder ebenso. Die Unionsparteien planen gerade das Gegenteil: Sie wollen die Steuern für Unternehmen um 5 Prozent senken. Dagegen kann eine SPD-Vermögensteuer laut DIW-Ökonom Stefan Bach dazu führen, dass die Abgaben für manche Firmen unter dem Strich um 10 Prozent steigen.
Wenn die künftige SPD-Führung mitmacht, könnte der nächste Parteitag im Dezember einen konkreten Beschluss fassen. Solange aber die Sozialdemokraten zusammen mit der Union in der Koalition regieren, wird es keine Vermögensteuer geben. Die Diskussion dient der Abgrenzung zur CDU und CSU. Ob die SPD das Anliegen jemals in einer anderen Konstellation, etwa einer rot-rot-grünen Regierung auf Bundesebene, umsetzen kann oder will, steht in den Sternen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin