Kontaktverbote wegen Corona: Wer darf jetzt noch raus?

Manche Bundesländer sind bei Ausgangsbeschränkungen strenger als andere. Und die Regeln sind teils sehr unpräzise formuliert.

3 personen sitzen am Bahngleis Alexanderpatz

Für alle in Berlin gilt: Abstand halten! Foto: Sebastian Wells/Ostkreuz

BERLIN taz | Um die Ausbreitung des Coronavirus zu verhindern, sollen wir alle möglichst zu Hause bleiben. Diese Nachricht dürfte inzwischen angekommen sein. Aber wann dürfen wir überhaupt noch raus?

Nachdem vergangene Woche Bayern und einzelne Städte mit Ausgangsbeschränkungen vorgeprescht sind, hat sich am Sonntag Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Minis­ter­prä­si­den­tInnen in einer Telefonkonferenz auf „Leitlinien zur Beschränkung sozialer Kontakte“ geeinigt. Das Ziel sollte sein, dass „in ganz Deutschland im Grundsatz die gleichen Regeln gelten“, wie es Merkel formulierte: Das öffentliche Leben wird weiter heruntergefahren. Direkte persönliche Kontakte sollen möglichst reduziert werden, Mindestabstand 1,50 Meter. Treffen von mehr als zwei Personen in der Öffentlichkeit sind nicht mehr erlaubt – außer es handelt sich um Familien oder Wohngemeinschaften. Das Ganze für eine Dauer von mindestens zwei Wochen.

Auf den ersten Blick nun also überall dasselbe Bild: Geschäfte haben zu, nur noch Dinge des täglichen Bedarfs kann man kaufen. Restaurants verkaufen Speisen nur noch zum Mitnehmen und Hotels nehmen keine TouristInnen mehr. Auf den zweiten Blick sind die Regeln aber in den einzelnen Bundesländern und teils auch Kommunen unterschiedlich streng ausgestaltet und im Detail unpräzise formuliert. Manches ist in der Praxis offenbar gar nicht umsetzbar; die Polizei interpretiert die Regelungen jedenfalls mitunter recht frei.

Einige Bundesländer, etwa Mecklenburg-Vorpommern oder Rhein­land-Pfalz, haben bis Montagnachmittag noch gar keine neuen Verordnungen veröffentlicht. Eine Reihe anderer Länder haben sich nah an den Leitlinien orientiert. In einigen Bundesländern aber sind die neuen Regelungen strenger. Hier wurden nun offiziell Ausgangssperren mit Ausnahmen eingeführt. Offiziell ist aber höchstens von „Ausgangbeschränkungen“ die Rede.

Spazieren nur alleine

In Berlin etwa heißt es in der seit Montag gültigen Verordnung: Man habe sich „ständig in [der] Wohnung oder gewöhnlichen Unterkunft aufzuhalten“. In Brandenburg ist das „Betreten öffentlicher Orte“ – also Straßen, Plätze, Parks – nun grundsätzlich untersagt, was auf dasselbe herauskommt. In Sachsen steht gleich zu Beginn der Allgemeinverfügung: „Das Verlassen der häuslichen Unterkunft ohne triftigen Grund wird untersagt.“ Bayern und das Saarland haben Ähnliches bereits vergangene Woche formuliert.

Es werden jeweils eine ganze Reihe von Gründen aufgeführt, warum man die Wohnung dann doch verlassen darf. Darunter fallen Einkäufe und Arztbesuche, der Weg zur Arbeit und Besuche bei Ehe- oder Lebenspartnern oder bei Kranken. Auch Sport und „Bewegung an der frischen Luft“ ist gestattet. Während man in Berlin zumindest mit einer Person, die nicht dem eigenen Hausstand angehören muss, spazieren gehen darf, ist in Bayern und Sachsen nicht einmal das gestattet. In Sachsen darf man sich sogar nur „im Umfeld des Wohnbereichs“ bewegen. Weder Polizei noch Staatsregierung können auf Nachfrage definieren, was damit gemeint ist.

In anderen Fällen werden Dinge bis ins kleinste Detail geregelt. Baden-Württemberg verbietet etwa auch im nichtöffentlichen Raum Zusammenkünfte von mehr als fünf Personen, außer wenn die Menschen sowieso zusammenleben; dann dürfen auch Le­bens­part­ne­rInnen dazukommen. Auch private Familientreffen mit Verwandten „in gerader Linie“ sind dort erlaubt, also mit Eltern, Großeltern, Kinder und Enkelkindern. In Nordrhein-Westfalen dürfen sich „Verwandte in gerader Linie“ auch in größerer Anzahl in der Öffentlichkeit treffen, selbst wenn sie nicht zusammenleben.

Uneinheitlich wird in den Bundesländern auch mit Rückkehrern aus Corona-„Ri­si­koge­bieten“ umgegangen. Rhein­land-Pfalz etwa hat schon vergangene Woche „Fahrten und Reisen aus den vom Robert-Koch-Institut für Covid-19 erklärten internationalen Risikogebieten nach Rheinland-Pfalz untersagt“. Die Stadt Jena ging noch weiter und erklärte gleich ganze Bundesländer zur Risikogebieten, was zur Folge hat, dass Jenaer Bür­ge­rInen, die nach Hause kommen, sich erst mal in Quarantäne begeben müssen.

Insgesamt gilt, dass es für privates Verhalten nun genaue Vorschriften gibt, während für die Betriebe, die nicht ohnehin geschlossen sind, so gut wie nichts vorgeschrieben ist. So dürfen etwa nach wie vor Großaumbüros betrieben werden, hier gilt kein Kontaktverbot und keine Begrenzung von Personen in einem Raum. Es finden sich teils lediglich Ermahnungen, Hygienebestimmungen zu beachten und Mindestabstände einzuhalten.

Hauptsache keine Party

Das hat zur Folge, dass etwa in Sachsen oder Berlin bei einem privaten Umzug der beste Freund offiziell nicht mithelfen darf, aber mehrere Mitarbeitende eines kommerziellen Umzugsunternehmens weiterhin Möbel und Kisten schleppen dürfen.

In Berlin hat die Polizei die Menschen ermahnt, dass sie nun stets ihren Ausweis oder einen Pass plus Meldebescheinigung mitzuführen hätten. Das sorgte für hektische Rückfragen bei vielen, die ihre Wohnadresse nicht auf diese Art nachweisen können. Wie sich dann auf Twitter zeigte, interpretieren die Beamten die Verordnung ansonsten ziemlich frei. So beruhigt die Polizei etwa in diesem Fall: Ein fester Freund zähle als „Lebenspartner“ und zu zweit mit Baby im Kinderwagen dürfe man auch dann unterwegs sein, wenn der andere Erwachsene nicht im selben Haushalt wohnt. Besuche bei Freunden seien nach wie vor möglich, so lange man keine Party feiere, die eigenen Eltern dürfe man laut Verordnung aber nicht besuchen.

Grundsätzlich versuchen die Beamten, die Menschen zu beruhigen. Kein einzelner Jogger müsse Angst haben, nach dem Ausweis gefragt zu werden. Nur wenn mehr als zwei Personen zusammen draußen unterwegs seien, werde kontrolliert. Und: „Kontrollen innerhalb von Wohnungen wird es nicht geben.“

Weder Berliner Senat noch die Polizei antworteten bis zum Nachmittag auf eine taz-Anfrage, ob dieses Vorgehen der Polizei abgesprochen ist und ob die bislang nicht in der Verodnung verankerten Ausnahmen noch mit aufgenommen werden.

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