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Alles an einem Ort – für belebte Innenstädte ein Problem: Shopping plus Dino-Ausstellung in Kranj Foto: Luka Dakskobler

Konsumkultur in SlowenienAuf die harte Shopping-Tour

Slowenien hat eine der höchsten Einkaufscenter-Dichten Europas. Für viele Slo­we­n:in­nen bedeutet Shopping auch einen Triumph über den Sozialismus.

Von Clara Nack aus Kranj

A m 20. Februar 2020 eröffnete die Handelskette Lidl ihre 60. Filiale in Slowenien. Ich verfolgte das Geschehen vom Fenster aus. Immer wenn ich von meiner Arbeit aufblickte, breitete sich das Blech aus wie Schimmel“, schreibt der slowenische Schriftsteller und Kolumnist Miha Mazzini in der Mladina, einer großen slowenischen Tageszeitung. Er fühlt sich wie in einer Zeitmaschine: „Ist das Anfang der 1990er Jahre“, fragt Mazini sich, „als ein ausländisches Unternehmen seine erste Filiale eröffnet, die nach westlichem Standard gefüllt und dekoriert ist?“

Im Jahr 2023 ist Slowenien EU-weit in der Spitzengruppe, wenn man sich anschaut, wie viel Quadratmeter Einkaufszentrum auf ei­ne:n Ein­woh­ne­r:in kommen. Im Vergleich zu Deutschland etwa liegt der Wert – je nachdem, welche Statistik man bemüht – etwa dreimal so hoch. Das hat Konsequenzen für das kleine Land: Sloweniens Innenstädte veröden, und angesichts der Klimakrise wird die Flächenversiegelung durch Shopping­center zum Problem.

An einem Samstag um 17 Uhr ist vor dem Einkaufszentrum Supernova Qlandia fast jeder Parkplatz belegt, auch in der Tiefgarage bildet sich eine Schlange aus suchenden Autos. Beim Ausstieg aus dem Auto fällt der Blick auf ein Bergpanorama, die Sonne scheint, es sind 26 Grad. Am Eingang des Centers sind die Cafés mit Aussicht auf den Parkplatz gut besucht. Die Leute trinken Eiscafé oder schon den ersten Wein aus der Region

Qlandia ist nur eine von fünf Shopping Malls in der slowenischen Stadt Kranj. Trotzdem werden alle an diesem Junisamstag gut gefüllt sein, mit kaufkräftigen Slowen:innen, die den Einkauf mit Café und Lunch kombinieren – jeden Samstag wieder. Kranj, das nördliche Handelszentrum Sloweniens, ist auf einem Hügel gelegen, umgeben vom Canyon des Kokra Flusses und der Sava, dem größten Fluss Sloweniens. Grüne Hügel umgrenzen die Gemeinde, vom zentralen Marktplatz schaut man auf ein Alpenpanorama und die umliegende Gorenjska Region.

Neben Gratisparkplätzen bieten die Malls klimatisierte Shops und alle Produkte an einem Ort. Die wenigsten haben volle Tüten in der Hand, dafür schlendert hier jede Altersgruppe vorbei – von Rent­ne­r:in­nen über Jugendliche bis zu Familien mit Kleinkindern. Eine Studie der Wirtschaftsprüfer von PricewaterhouseCoopers für den deutschen Markt von 2023 ergab, dass 61 Prozent der Kon­su­men­t:in­nen Shoppingcenter vorrangig zum Zeitvertreib besuchen.

Im Supernova Qlandia in Kranj ergibt sich an einem gewöhnlichen Shoppingwochenende ein ganz ähnliches Bild: Lara, Dorothea und Diana sind für Laras 14. Geburtstag hierher gekommen und sitzen nun mit ihren Eistee-Bechern auf einer Bank vor einem der Geschäfte – das Center ist auch unter der Woche ihr Treffpunkt. Wo sollen sie auch sonst hin? „Kranj ist nicht groß genug dafür, dass es Orte für Jugendliche gäbe“, sagt Diana, die sich wenigstens ein Café mit Bubble Tea im Stadtzentrum wünschen würde. Der Stadtkern hingegen ist bis auf wenige Tou­ris­t:in­nen verlassen. Die Einheimischen sind entweder in den slowenischen Alpen wandern oder eben shoppen.

Stadtplanung galt als lästiges Überbleibsel des Sozialismus, das die wirtschaftliche Entwicklung einschränkt

Rund 353 Quadratmeter Einkaufszentrum kommen in Slowenien auf 1.000 Einwohner:innen, weiß die slowenische Behörde für Vermessung und Kartierung, GURS. In der Gemeinde Kranj, der viertgrößten Stadt Sloweniens, sind es laut Daten von 2022 für rund 57.000 Ein­woh­ne­r:in­nen etwa 225.586 Quadratmeter Einzelhandelsfläche. Das sind rund vier Quadratmeter pro Person. Zum Vergleich: In ganz Deutschland liegt der Durchschnitt bei rund 1,4 Quadratmetern pro Person, laut einer Studie des deutschen Marktforschungsinstituts GfK von 2016. Aktuellere Zahlen des GfK dazu gibt es nicht.

Die Situation hinter den Zahlen in den slowenischen Gemeinden ist diese: Die Ein­woh­ne­r:in­nen­zahl ist gering und die Distanzen klein, sodass der Einkauf in den umliegenden Gemeinden kaum Aufwand bedeuten würde – und trotzdem haben die meisten ihren eigenen Shoppingbeton vor Ort. Doch wozu braucht es insgesamt fünf Shoppingcenter in Kranj, einer Stadt in Alpennähe, die sich als grüne Destination im Herzen der Natur vermarktet? Steckt hinter dieser Menge an Einzelhandelsfläche ein Konzept – und wenn ja, wie kann es ein nachhaltiges sein?

Die Einkaufszentren schossen in dem kleinen post-sozialistischen Land Mitte der 90er Jahre infolge der Unabhängigkeit von Jugoslawien wie Pilze nach dem Regen aus dem Boden. „Früher gingen die Leute in Italien und Österreich einkaufen, mit dem Sprung in den Kapitalismus wollten sie diese Möglichkeit auch im eigenen Land haben“, sagt Matjaž Rakovec, Bürgermeister der Gemeinde Kranj.

Und diese Möglichkeit bekamen sie, vor allem durch den umfangreichen Ausbau der Schnellstraßen, den Slowenien ab 1994 verfolgte. In den vergangenen 30 Jahren förderte die Verkehrspolitik fast ausschließlich die individuelle Mobilität, und Slowenien wurde nach Litauen und Portugal zu einem der vom Auto abhängigsten Mitgliedstaaten der EU.

Im Jahr 2004 – pünktlich zum EU-Beitritt Sloweniens – waren die meisten Autobahnen fertiggestellt, meint Marko Peterlin, Direktor des Instituts für Raumordnungspolitik (IPoP) in der slowenischen Hauptstadt Ljubljana rückblickend: „Das machte Shoppingcenter außerhalb des Stadtzentrums wesentlich attraktiver und zugänglicher, aber auch nur mit dem Auto erreichbar.“ Bis heute veröden infolge dessen die Innenstädte. Schon Kleinstädte ab 10.000 Ein­woh­ne­r:in­nen haben in Slowenien ein eigenes Shoppingcenter – wie etwa das gerade einmal zehn Kilometer von Kranj mit seinen fünf Shoppingcentern entfernte Škofja Loka, ein kleines Nest mit einer Bahnstation.

Nach dem Ende des Sozialismus wurde außerdem die Stadtplanung stark vernachlässigt. Sie galt als lästiges Überbleibsel des vergangenen politischen Systems, das die Freizügigkeit und die wirtschaftliche Entwicklung einschränkte. „Aber die Raumplanung ist das einzige Instrument, was die Gemeinde hat, um die ansonsten von Investoren gesteuerte langfristige Entwicklung zu beeinflussen – da Einzelhändler mit die größten Investoren sind, sitzen sie an einem langen Hebel“, erinnert Raumplaner Peterlin.

„Der Trend zu weiteren und neuen Shoppingcentern verlangsamt sich, aber vorbei ist er noch lange nicht“, sagt er, „Derzeit sind Discounter die Treiber des Booms – und ähnlich wie in den USA werden alte Center renoviert und erweitert. Dafür gibt es immer wieder neue Genehmigungen“, sagt Peterlin. In Slowenien ist nicht reguliert, wie viele Shoppingcenter für eine Gemeinde sinnvoll sein könnten. Auch in Deutschland gibt es keine generelle Obergrenze für Shopping, aber über das Baurecht legen die Kommunen sogenannte Gebietstypen fest – und damit auch Bereiche, in denen sich Einzelhandel ansiedeln darf.

In Slowenien wiederum werden Investments in weitere Konsumflächen von den Städten und Gemeinden, ob nun reguliert oder nicht, so oder so weiterhin aktiv gefördert von der regionalen Politik. Aber warum? Geht es auch um Jobs, die dort in den Kommunen durch die Shoppingcenter geschaffen werden?

Shoppingcenter machen bis zu 15 Prozent der städtischen Emissionen aus – die Anreise mit dem Auto nicht mitgerechnet, sagt die Klimatologin Lučka Kajfež Bogataj

Peterlin ist es eher ein Rätsel, wie Einzelhändler wie Supernova oder preisgünstige Alternativen wie Stop Shop die slowenische Lokalpolitik immer wieder davon überzeugen, dass sie eine positive Arbeitsmarktentwicklung beförderten: „Der Einzelhandel ist kein besonders beschäftigungsintensiver Wirtschaftszweig – und neue Arbeitsplätze sind in der Regel nahe am Mindestlohn und schlecht bezahlt.“

Der Bürgermeister von Kranj, Matjaž Rakovec, will keine weiteren Einkaufscenter genehmigen Foto: Clara Nack

Nicht zu vergleichen sei das mit der Beschäftigungsstruktur eines Industriestandortes, wie es Kranj zu Zeiten Jugoslawiens war. Große Textilfabriken produzierten in den neunziger Jahren sogar Einzelteile für Adidas. Nach der Unabhängigkeit von Jugoslawien wurden die industriellen Anlagen vor allem wegen ihrer Größe überflüssig und Tausende Menschen verloren ihre Jobs. Supernova gibt zwar an, allein in Slowenien bereits rund 12.000 Jobs im Einzelhandel geschaffen zu haben, aber Peterlin erinnert: „Wir müssen auch an all die Jobs denken, die infolgedessen durch die Schließung kleinerer Läden verloren gehen.“

Die seit Mitte der 90er Jahre abgebauten Arbeitsplätze in der industriellen Großproduktion würden durch den Einzelhandel nicht wieder ausgeglichen. In den vergangenen 20 Jahren ist die Zahl der Arbeitnehmer in der Einzelhandelsbranche auch nicht signifikant gestiegen, belegen Daten des slowenischen Statistikamtes. 2022 hatte der Sektor rund 60.000 Beschäftigte in Slowenien, gegenüber rund 54.000 in 2002.

Milena hat von ihrer Shop-Theke in der Mitte des Qlandia-Centers einen guten Überblick: „Heute ist ein richtig voller Samstag und das wird bis 21 Uhr Schließzeit so bleiben. Es gibt zwar drei Supernovas in Kranj, aber das hier ist der It-place to be.“ Mit den Handy- und Airpodhüllen, die sie verkauft, hat die Studentin, die nur ihren Vornamen nennen will, an diesem Samstag Mitte Juni schon über 4.000 Euro eingenommen. Für junge Leute gäbe es in Kranj einfach nicht genug Orte zum Verweilen, sagt die 20-Jährige: „Das Stadtzentrum hat zwar nette Cafés, aber es ist einfach zu leer.“

Also wird der Familiensamstag in das klimatisierte Center verlegt: Familie Kranjec ist mit den drei Kindern im Alter von 15, 12 und 9 Jahren im Qlandia unterwegs. Nachdem es einen Fußball, Schuhe und neue Kleider gab, geht es zum gemeinsamen Einkauf noch in den Interspar im Center. Währenddessen muss Familienvater Gregor seinem Sohn erklären, dass es heute nur die dringend benötigten Schuhe für die kleine Schwester gibt.

Ein Café in der Innenstadt von Kranj. Ein Treffen mit Anže Šinkovec, der seine 43 Lebensjahre in Kranj verbracht hat und sich in der Kommunalpolitik engagiert. Šinkovec erinnert sich an eine Zeit zurück, in welcher der Stadtkern noch ein Treffpunkt war: „Als ich jünger war, war die Stadt viel voller. Ab 2006 hat die Gemeinde viele Fehler gemacht.“ Er meint damit vor allem den Verkauf der Majdičev-Insel zu Füßen des historischen Stadtkerns an die Mercator-Supermarktkette, die jetzt dem österreichischen Einzelhandelsriesen Supernova gehört.

Die Majdičev-Insel wird gewöhnlich von der Sava umspült und wäre ein geeigneter Erholungsort, an dem sich Anže Šinkovec einen Campingplatz, eine Kajakstation und einen Park vorstellt. Stattdessen thront auf dem derzeit trocken gelegten Flussbett das Savski otok Center von Supernova mit einem großen OBI-Baumarkt und einem Supermarkt der Mercator-Kette. Um den asphaltierten Parkplatz in der Mitte sind zahlreiche kleinere Shops angeordnet, die das Parken direkt vor der Ladentür erlauben.

Korruption im Spiel?

Auch Bürgermeister Rakovec erinnert sich gerne und lebhaft an seine Kindheit am Fluss zurück, doch die Fehler seiner Vorgänger wird er an diesem Ort nicht mehr ausbügeln können: „Ich bin Wassersportler und dort jeden Tag in den Fluss gegangen, es sind mit die schönsten Erinnerungen meiner Kindheit. Man muss sehr dumm sein, diese Insel für weitere Einkaufsfläche zu verkaufen. Ich denke, da war Korruption im Spiel und es ist viel Geld geflossen für diesen Deal.“

Genug Geld, um Majdičev für die Stadt und damit für die Öffentlichkeit zurückzukaufen, hat die Gemeinde heute nicht. Rakovec, der seit 2019 im Amt ist und auch kommendes Jahr vorhat, wiedergewählt zu werden, gibt laut eigener Aussage immerhin keine Baugenehmigungen für weitere Einkaufszentren mehr heraus. Stattdessen ist Kranj eine von 100 europäischen Städten, die bis 2030 klimaneutral werden wollen – auch große Einzelhändler müssen hier Einsatz zeigen.

Die bekannte slowenische Klimatologin Lučka Kajfež Bogataj sitzt in Kranjs strategischem Rat der Initiative klimaneutrale Stadt, der die Kommunalpolitik berät. Sie schätzt, dass die Shoppingcenter etwa 10 bis 15 Prozent der städtischen Emissionen ausmachen. „Ich beziehe bei der Schätzung mit ein, was die Leute vor Ort konsumieren und kaufen. Wie sie dorthin kommen, also immer mit dem Auto, ist jedoch ein weiterer Aspekt, der die Emissionen noch erhöht“, sagt Bogataj.

Zudem, sagt Bogataj: Viele Kaufhäuser seien auf früheren Agrarflächen entstanden, auf denen lokale Lebensmittel angebaut wurden. Dabei würden landwirtschaftliche Nutzflächen mit dafür sorgen, dass Starkregen, den der Klimawandel zukünftig auch gerade in Slowenien mit sich bringen wird, versickern könne, sagt sie.

Laut der Europäischen Umweltagentur (EEA) waren die Pro-Kopf-Schäden durch Extremwettereignisse zwischen 1980 und 2020 in Slowenien, Frankreich und der Schweiz am höchsten. Slowenien hat in dieser Statistik vor allem mit Starkregen und Hochwasser zu kämpfen. Versiegelte, asphaltierte Flächen wie die Parkplätze von Einkaufszentren befördern die daraus resultierenden Fluten.

Auch Hitzeinseln werden auf asphaltierten Flächen in Zukunft zum Problem, erinnert Peterlin vom IPoP. „Es gibt Pläne, die Parkplätze mit Solarpanels zu überdachen, aber auch das löst nicht das Problem der Hitzeinseln“, sagt er. Ein Paradigmenwechsel, weg von der freien Parkplatzwahl überall und hin zu wenigen Parkmöglichkeiten, sieht er als Ausweg. „Dafür ist die Politik zuständig, aber die Gemeinden sind zu schwach, um das gegenüber den Einzelhändlern durchzusetzen. Ich denke, wir werden erst in fünf bis zehn Jahren Regulierungen des Parkraums haben“, meint der Experte.

Das Dilemma: Die Gemeinden wagen es nicht, einen Investor abzulehnen, auch wenn es der fünfte Einzelhändler ist – weil es ihnen zum einen Geld in den Gemeindehaushalt spielt und weil es zum anderen das politische Image poliert. „In Slowenien wird alles Neue in der Bevölkerung immer noch als Zeichen des Fortschritts angesehen, und neue Bauvorhaben kommen daher den Lo­kal­po­li­ti­ke­r:in­nen zugute, auch wenn ihr längerfristiger Nutzen fraglich ist“, fasst Peterlin zusammen. Da es keine langfristigen Visionen und Pläne in den Gemeinden gäbe, sei es auch schwierig, den erwarteten Nutzen – oder eben Schaden – einer bestimmten Investition zu bewerten.

Ist man in Sloweniens Städten außerhalb der Fuß­gän­ge­r:in­nen­zo­nen unterwegs, entsteht manchmal der Anschein, es gäbe mehr Schlafplätze für Autos als für Menschen. Kranjs Einkaufszentren liegen maximal zehn Minuten Autofahrt außerhalb der Stadt, eingebettet zwischen den bewaldeten Hügeln der selbsternannten Hauptstadt der slowenischen Alpen.

Einer von fünf Shoppingtempeln in Kranj: das Supernova Qlandia Foto: Luka Dakskobler

Besnica, etwa acht Kilometer nordwestlich von Kranj. Im März wurden Pläne für eine Indoor-Skihalle bekannt. Für die Pläne der Gemeinde hätte ein großes Stück Wald gerodet werden müssen. Živa Slavec, die in Besnica aufgewachsen ist, beschloss zu handeln: Slavec gründete eine Bür­ge­r:in­nen­in­itia­ti­ve und sammelte über 3.000 Unterschriften gegen die Baupläne – und damit mehr, als ihr Ort Ein­woh­ne­r:in­nen hat.

„Um Erfolg zu haben, mussten wir jedoch die Grundbesitzer überzeugen, das Land nicht für die Skihalle zu verkaufen. Sie waren am Ende der entscheidende Faktor, was traurig ist“, findet Slavec. „Denn obwohl wir viele Gespräche geführt haben, hat die Unterstützung der lokalen Bevölkerung nicht ausgereicht, um den Bürgermeister und die Gemeinde davon zu überzeugen, die Pläne fallen zu lassen“, erinnert sich die 43-jährige Slowenin. Der zuständige Bürgermeister für Besnica ist übrigens derselbe wie für Kranj: Rakovec. Nun ist eine Skihalle kein Shoppingcenter, aber Slavec befürchtet, dass der „Wert der Natur“ nicht gesehen wird, auch nicht hier in Besnica.

Wenn unberührtes Land nur als potenzielles Bauland gesehen wird, ist die Gefahr eben groß, dass es vor allem kommerziell genutzt wird – zulasten von ökologischen Belangen und der Interessen der Allgemeinheit. „Auch die Shoppingcenter sind auf ehemaligem Farmland entstanden, die lokale Produkte für die lokale Bevölkerung produzierten“, weiß Slavec. Baue man Tourismus­infrastruktur wie die gescheiterte Skihalle nicht mit der lokalen Bevölkerung auf, „verkaufe und verrate“ man diese. „Ich habe Angst, dass es unmöglich ist, das rückgängig zu machen“, sagt sie.

Die Majdičev-Insel in Kranj ist ein zubetoniertes Denkmal eines solchen Handelns, das zulasten der städtischen Lebensqualität ging. „Kranjs Ein­woh­ne­r:in­nen sind Naturliebhaber:innen“, sagt der Kommunalpolitiker Anže Šinkovec. Auf Kranjs Hausberg Jost etwa wandern täglich bis zu 1.000 Menschen, weniger Tou­ris­t:in­nen als die Einheimischen vor und nach der Arbeit. Dabei findet Slavec wichtig zu erwähnen: „Die Leute hier stören sich bislang nicht an den Shoppingcentern, weil es ihre Community nicht stört. Sie gehen dort einkaufen und fahren dann wieder in ihr schönes, grünes Zuhause außerhalb der Stadt.“

Jetzt, wo die Shoppingcenter da sind, möchte Kranjs Bürgermeister Rakovec die Investoren wenigstens zur Verantwortung ziehen. Parkplätze sollen begrünt und der Asphalt gegen Kacheln ausgetauscht werden, zwischen denen das Regenwasser besser versickern kann. Hinzu kommen Regenwassertanks für die autarke Nutzung von Brauchwasser sowie Solarpanels und Begrünung auf den Dächern.

Auf Nachfrage gibt Einzelhandelsriese Supernova an, sich der bislang umweltschädlichen Bauweise bewusst zu sein und an den Maßnahmen zu arbeiten – auch bei neuen Projekten. Denn ja, es entstehen weitere Einzelhandelsflächen, wenn auch „kleinere Ergänzungen“, wie Supernova-Gründer und Geschäftsführer Albert Frank sagt. „Es werden wohl keine neuen Zentren errichtet, der Markt ist gesättigt. Die Projekte funktionieren und die Erreichbarkeit ist sehr gut.“

Am Supernova Rudnik in Ljubljana wird sogar eine Bahnhaltestelle errichtet, um den öffentlichen Verkehr zu fördern. Immer mehr Rent-a-bike-Initiativen sollen rund um Shoppingcenter aus dem Boden schießen. Ob das die Kon­su­men­t:in­nen jedoch dazu bewegen wird, ihre Einkäufe nicht doch einfach wie bislang bequem ins Auto zu laden, ist fraglich.

Klimatologin Bogataj, die das Problem Shoppingcenter in Kranjs strategischen Rat gebracht hat, erinnert: „Es ist wichtig, nicht nur die territorialen Emissionen, sondern auch die Konsum­emissionen zu berücksichtigen. Shoppen entspricht ungefähr einem Hin- und Rückflug von der EU in die USA. Die Zentren sind so gebaut, dass sie unsere Kaufentscheidungen beeinflussen und wir nicht nur die eine Sache kaufen, die wir suchen, sondern auch andere Dinge, die uns bei dem großen Angebot zur Verfügung stehen.“

Doch selbst wenn Shoppingcenter ihren Energieverbrauch drosseln, den Asphalt weitgehend beseitigen und grüner werden, sind die Innenstädte immer noch leer. Um das zu ändern, setzt Kranjs Lokalpolitik auf über 200 Veranstaltungen, wie Konzerte und Sport-Events von Juni bis September. Man ist stolz auf die drei Secondhand-­Läden im Zentrum und den Bauernmarkt am Samstagmorgen. „Außerdem bräuchten wir noch etwa 20 bis 30 weitere Läden im Stadtzentrum, um die Leute zurückzuholen“, sagt Bürgermeister Rakovec. In der Vergangenheit habe man bis zur Hälfte der Shopmiete subventioniert, um die Händler zu halten – das hatte aber nicht die erhoffte Wirkung.

Während Kranj also versucht, Shopping in Centern mit mehr Shopping im Zentrum zu lösen, stellt sich damit die Frage, ob es am Ende vor allem um die Art des Konsums geht. Kranj hat ein Problem mit Shopping – aber vielleicht kann das Problem auch Teil der Lösung sein.

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