Konsequenzen des BND-NSA-Skandals: Jetzt müssen sie alle auspacken
Der Bundesinnenminister will sich am Mittwoch zu den Vorwürfen äußern. Die SPD fordert die Befragung der Kanzleramtsminister, die Linke eine Aussage der Kanzlerin.
BERLIN dpa/afp | Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) will dem Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestages (PKGr) am Mittwoch zur BND-Affäre Rede und Antwort stehen. Er werde bei der Sitzung die ihm gegenüber gemachten „Unterstellungen“ ausräumen, sagte der Minister am Montag auf einer Tagung des Bundesverfassungsschutzes in Berlin.
Zu den Vorwürfen, er habe in seiner Funktion als Kanzleramtschef bereits 2008 von den umstrittenen Aktivitäten des US-Geheimdienstes NSA und des BND gewusst, sagte der Minister, damals sei es nicht um einen „Bericht mit konkret belastbaren Erkenntnissen über Missbräuche der NSA“ gegangen. Vielmehr sei es darum gegangen, „eine bestimmte Form der Zusammenarbeit mit der NSA gerade nicht zu vertiefen, um Missbräuchen vorzubeugen“.
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) erklärt, er habe Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zwei Mal gefragt, ob der BND einen Beitrag zur Wirtschaftsspionage durch den US-Geheimdienst NSA geleistet habe. „Beide Male ist mir das gegenüber verneint worden.“
Dem NSA-Untersuchungsausschuss und dem Parlamentarischen Kontrollgremium müssten die abgefragten Suchmerkmale (Selektoren) wie Telefonnummern oder IP-Adressen von Computern zugänglich gemacht werden, forderte Gabriel. Kein Kongress und kein Senat in den USA würde sich dieses Auskunftsrecht verweigern lassen. Das deutsche Parlament solle mindestens genauso selbstbewusst sein.
„Für die Bundeskanzlerin funktioniert das Spiel nicht mehr, die aktuellen Erkenntnisse von sich fernzuhalten und zu sagen, damit habe ich nichts zu tun“, sagte der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner der Süddeutschen Zeitung. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) müsse „jetzt aufklären“.
Frau Merkel soll unter Eid aussagen
Dies bedeute, „dass der jetzige Kanzleramtsminister und seine beiden Vorgänger so schnell wie möglich vor dem NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags Rede und Antwort stehen müssen“, sagte Stegner. Gemeint sind Amtsinhaber Peter Altmaier sowie die beiden ehemaligen Kanzleramtschefs Ronald Pofalla und Thomas de Maizière (alle CDU), der heute Bundesinnenminister ist.
„Spätestens nach den Enthüllungen von Edward Snowden, den man in den USA zwar des Geheimnisverrats, aber nicht der Lüge bezichtigt, hätte das Kanzleramt aktiv werden müssen“, kritisierte Stegner in der SZ. Der damalige Kanzleramtsminister Pofalla habe „also gelogen, als er erklärte, das deutsche Recht sei zu hundert Prozent eingehalten worden“.
Der Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag, Gregor Gysi, forderte die Vernehmung von Merkel vor dem NSA-Untersuchungsausschuss. „Sie muss aussagen, übrigens unter Eid“, sagte Gysi am Sonntagabend in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“. Dies gelte „auch für die Kanzleramtschefs“. Gysi fügte hinzu, es könnte sein, dass sich die Kanzlerin und die Amtschefs im Bundeskanzleramt „an Straftaten beteiligt haben, nämlich Wirtschaftsspionage und Landesverrat“.
Medienberichten zufolge hatte der BND dem US-Geheimdienst NSA jahrelang dabei geholfen, unter anderem die französische Regierung und die EU-Kommission sowie europäische Konzerne auszuspionieren.
Leser*innenkommentare
lichtgestalt
"Aktives Vergessen" kann frauman lernen.
http://www.taz.de/!79279/
meierj
Am Ende wird es wieder ganz viel "But i didn't inhale"-Gerede geben. Schlimm ist ja vor allem, dass die ganze Affäre erst richtig ins Rollen gekommen ist, als heraus kam, dass der BND seine Arbeit macht: (Wirtschafts-)Spionage nämlich. Die Hilfe für die NSA hat sicher in dieser Hinsicht einiges abgeworfen und - so unangenehm das in manchen Ohren klingt - Spionage auch in Staaten und Organisationen, mit denen enge Beziehungen bestehen ist halt das Geschäft eines Auslandsnachrichtendienstes.
Warum es allerdings keinen solchen Aufschrei gab, als klar war dass der BND auch bei den Drohnenmorden der US-Regierung hilft, ist zwar klar - sind ja nur * (hier irgendein Buzzword einsetzen, auch ein rassistisches) - aber macht mich wütend.
Rainer B.
Der ehemalige Kanzleramtschef Ronald Pofalla hat doch bereits festgestellt, dass alle gegen die Geheimdienste erhobenen Vorwürfe "vom Tisch" seien.
Das war kurz bevor er sich selbst bei der Deutschen Bahn entsorgt hat.
Sie kennen Pofalla gar nicht?
Nun - das ist der, der von Wolfgang Bosbach auf die im Grundgesetz garantierte Entscheidungsfreiheit von Abgeordneten hingewiesen wurde und daraufhin nur rief:„Ich kann den Scheiß nicht mehr hören!“
Also - kein Zweifel - die Sache ist spätestens seit 2013 erledigt und man wird deshalb auch nicht erwarten können, dass sich an der Praxis beim BND seither auch nur das Geringste geändert hat.