piwik no script img

Konsequenzen aus dem Wirecard-SkandalFinanzminister Scholz muss liefern

Anja Krüger
Kommentar von Anja Krüger

Am Mittwoch muss Olaf Scholz vor dem Finanzausschuss zu Wirecard aussagen. Er muss erklären, wie die Finanzwirtschaft wirksam zu kontrollieren ist.

Finanzminister Olaf Scholz Foto: Michele Tantussi/Reuters

D er Kanzlerkandidat in spe erweckt den Eindruck, als hätte er es bislang nicht begriffen: Für Bundesfinanzminister Olaf Scholz ist die Wirecard-Affäre bedrohlich. Der Skandal um den betrügerischen DAX-Konzern hat die Wucht, die Ambitionen des Sozialdemokraten zu zerstören. Denn er ist dabei, sein Prestige als solider Coronakrisenmanager zu verspielen und gegen das Image des fragwürdigen Finanzbranchenfreunds zu tauschen. Von seinem Auftritt vor dem Finanzausschuss am Mittwoch und der öffentlichen Interpretation wird viel abhängen.

Das Bild, das die deutsche Finanzaufsicht und damit der Bundesfinanzminister als ihr Kontrolleur zurzeit abgeben, ist verheerend. So sieht es aus: Kriminelle können Bilanzen aufblähen, in großem Stil Gewinne vortäuschen und haben gleichzeitig einen guten Draht in die Bundesregierung. Keinem der hochbezahlten Prüfer, Kontrolleure, Berater im Umfeld und in Behörden und Ministerien fällt etwas auf.

Ja, es stimmt: Scholz ist nicht dafür da, Bilanzen auf mögliche Betrügereien zu prüfen. Aber: Es ist sein Job, dafür zu sorgen, dass es andere tun. Auch dass es in Deutschland keine wirkliche staatliche Bilanzkontrolle gibt und sich die Behörden auf private Kontrolleure verlassen müssen – das ist nicht seine Schuld, das haben die Kabinettsmitglieder zu verantworten, die zu Beginn des Jahrtausends die Finanzaufsicht neu aufgestellt haben.

Die damalige rot-grüne Regierung hat die Renten der Bürger gekürzt mit dem Ziel, dass sie Vermögen auch in Aktien anlegen sollen – und sie gleichzeitig durch fehlende Überwachung der Finanzwirtschaft der Branche ausgeliefert. Der Wirecard-Skandal hat die unglaublichen Kontrolllücken in Deutschland offenbart. Anzulasten ist Scholz, dass er dagegen nichts unternimmt. Und zwar schwer.

Grundlegende Reform ist nötig

Was Scholz bislang will, sind Änderungen im Detail, hier der Finanzaufsicht ein paar Kompetenzen mehr zugestehen, da einige Regeln für Wirtschaftsprüfer verschärfen. Nötig ist aber eine grundlegende Reform der deutschen Finanzaufsicht, damit die diesen Namen verdient. Der Skandal muss Folgen haben.

Längst überfällig ist, dass Scholz das Spitzenpersonal der BaFin austauscht. Die Behörde hat die gesamte Presse einzuschüchtern versucht, indem sie einen Journalisten der ­Financial Times nach kritischen Berichten zu Wirecard angezeigt hat. Konsequenzen? Hat Scholz bislang nicht gezogen. Mindestens so wichtig ist ein Plan, wie in Deutschland die Bilanzen von Großunternehmen denn effektiv kontrolliert werden können. Solange es den nicht gibt, deckt Scholz praktisch das Geschäft der Wirtschaftskriminellen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Anja Krüger
Wirtschaftsredakteurin
Buchveröffentlichungen: „Die verlogene Politik. Macht um jeden Preis“ (Knaur Taschenbuch Verlag, 2010), „Die Angstmacher. Wie uns die Versicherungswirtschaft abzockt“ (Lübbe Ehrenwirth, 2012).
Mehr zum Thema

13 Kommentare

 / 
  • Wer Olaf "Es hat keine Polizeigewalt gegeben" & "Steuermittel-in-Banken-versenker" Scholz bloß gewählt hat und naiverweise weiterhin denkt, Köpfe austauschen würde etwas ändern?

    • @Uranus:

      "Wer .... Scholz bloß gewählt hat und naiverweise weiterhin denkt, Köpfe austauschen würde etwas ändern"

      ... wird wohl enttäuscht werden.

  • " Er muss erklären, wie die Finanzwirtschaft wirksam zu kontrollieren ist."

    Frau Krüger, lesen Sie keine Nachrichten? Er hat bereits erklärt wie er sich das vorstellt: www.tagesschau.de/...enkatalog-101.html

  • Danke

    1. Teil

    Rotgrüne Bundesregierung hat 1998-2005 mit SPD Bundesfinanzminister Hans Eichel nicht nur Finanzaufsicht dereguliert, privatisiert, sondern Banken, Unternehmen, Versicherungen möglich gemacht, nach Neuer Markt Dotcom Finanzkrise Rücklagen in Milliarden Höhe steuerfrei aufzulösen, Cash zu mobilisieren für computergesteuert spekulativ hochfrequenten Handel mit Devisen, Aktien, Derivaten, Zertifikaten auf Indices, Fonds an internationalen Börsen unterwegs zu sein, Start des Euros 2002 zu befeuern, gleichzeitig, unter Bruch der EU Maastricht Kriterien 1992 für die Neuverschuldung, mehr als 3 % BIP, staatliche, private Arbeitgeber durch die Arbeitsmarktreform Agenda2010/Hartz IV Gesetze, gekoppelt mit 30% Sichelschnitt der Renten ab Jahrgang 1938 (grundgesetzlich verankertes Forderungseigentum nach Paul Kirchhoff CDU), Ausweitung Niedriglohnbereich prekär Beschäftigter, flächendeckend anlasslose Lohnsubvention, finanziert u. a. durch Restvermögen vorm Schonvermögen der Arbeitnehmer*nnen für die Altersvorsorge entschädigungslos finanziert, bevor sie Aufstocker Antrag auf Hartz 4 Grundsicherung Leistungsbezug stellen können, zu fremdem Zweck, bis in Kleinbetriebe, Teil seit 1949 subventioniert deutscher Exportwirtschaft zu werden?



    Spätestens seit Dieselabgasgate 2015 springt ins Auge, dass das 1953 durch Konrad Adenauer Regierung auf Anraten Deutschen Juristentages ausgesetzte Unternehmensstrafrecht aktiviert gehört, nicht um Unternehmen zu bestrafen, sondern gegen diese überhaupt als Körperschaft ermitteln, Klage erheben zu können, statt nur individuelle Schuld zu verfolgen, ohne Rechthabe, Unternehmen zu Mitarbeit, umfassender Akteneinsicht zwingen zu können.



    Gleichzeitig sollten Staatsanwälte durch Abschaffen politischen Weisungsrecht gegen sie in Bund und Ländern in ihrer Arbeit, international kompatibel, gestärkt werden.



    weact.campact.de/p...frecht-einzufuhren

  • Wirksame Kontrolle der Finanzwirtschaft ist ein Illusion.



    Jeder weiß das.



    Also was erwartet man Olaf Scholz ?

    • @Bolzkopf:

      Das sehe ich auch so. Vielleicht entspricht der deutsche Staat, von vielen Deutschen auch zum Rechtsstaat verklärt, für viele Deutsche ihren Bedürfnissen nach Leid und Empörung? Quasi ein masochistisches Langzeitprojekt?

  • Prestige? Scholz?

    Bei mir hat er nie viel davon gehabt. Aber spätestens nach G20 Hamburg ist er unten durch.

    Die Rote Null.

  • Die Behörden "müssen" sich nicht auf private Prüfer verlassen, und wie die Finanzaufsicht von früheren Regierungen aufgestellt wurde, ist genausowenig relevant wie die Aufteilung der Verantwortlichkeiten im Kabinett.

    Olaf Scholz ist seit Anfang 2019 über die Missstände informiert. Wenn die Aufsicht unzureichend sein sollte, oder wenn es Zweifel an den Buchprüfungen gibt - dann wäre Anfang 2019 der Zeitpunkt gewesen, um Fragen zu stellen. Wenn Herr Scholz damals die Fragen gestellt hat, und belegen kann, dass Bafin, Minister Altmaier und die Buchprüfer geantwortet haben, alles sei in Ordnung, dann hätte Herr Scholz seinen Job gemacht.

    Wenn er jetzt jammert, das sei alles nicht seine Aufgabe gewesen, jemand anderes sei zuständig, und wenn jemand falsche Entscheidungen getroffen habe, dann Vorgängerregierungen - dann mag das seinen Job retten. Weil wir keine Opposition haben, die stark genug wäre, seinen Rücktritt zu erzwingen.

    Als Kanzlerkandidat aber wäre er untragbar. Da braucht es nämlich jemanden, der gordische Knoten durchschlagen kann, statt sich im Seil zu verheddern.

  • ach was. Aus der Sicht der politischen Führung war das ein Verdacht, der erst geklärt werden muss. Darüber wird Scholz berichten. was sollen denn diese permanenten Strohfeuer?

  • Wieder ein Fall mehr, der den Verdacht nährt, dass das organisierte Verbrechen längst in der politischen Führungselite von Deutschland angekommen ist...

    • @Mainzerin:

      Es ist nicht nur in der politischen Führungsebene angekommen - es wird vermutlich zumindest in Teilen- von dort gesteuert .

    • 9G
      97287 (Profil gelöscht)
      @Mainzerin:

      Das ist wieder mal eine Verschwörungstheorie. Dabei ist es doch ganz einfach. Wirecard waren schon pleite vor dem Aufstieg in den DAX. Es waren die Manager, die Bilanzfälschung auf hohem Niveau betrieben. Eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft geht davon aus, dass die vorgelegten Bilanzen reell sind. Eine Täuschung wird erst mal nicht unterstellt. Vergleichbar ist das mit einer Krankschreibung beim Arzt. Kommt ein Patient zum Arzt und wünscht eine AU, dann untersucht der Arzt den Patienten ohne Vorbehalt und unterstellt dem Patienten nicht, dass er sich mit vorgetäuschten Symptomen eine AU erschleicht. Betrüger die mit hoher krimineller Energie täuschen gehören in den Knast, für 20 Jahre. Kooperieren sie , kann man die Strafe ermäßigen. Dass das organisierte Verbrechen mit der politischen Führungselite ,in der BRD, zusammenarbeitet ist nicht glaubhaft. Man nennt das auch sensitiven Beziehungswahn

    • @Mainzerin:

      Meine Rede. Wirecard waren nur Stümper (oder wurden in einem geschickten Mannöver vom Konkurrenten ausgestochen).

      Was ist mit VW? Mit der Automobilindustrie überhaupt? Wenn das keine OK ist mit Verästelungen bis tief in den Staat hinein (konkreter: Kraftfahrzeugbundesamt; Länderbeteiligungen etc. etc.)

      Was ist mit RWE? Werden mit einer satten Handvoll Milliarden aus dem Staatssäckel entschädigt für was? Dafür, dass sie lang und fett daran verdient haben, unser Klima in die Fritten zu fahren? Danke für nix.

      Was ist mit Glyphosat-Schmidt? In einer Kamikaze-Aktion entgegen aller Koalitionsvereinbarungen auf EU-Ebene "last minute" noch die Zulassung durchgedrückt? Er wird für seinen politischen Selbstmord bestimmt reichlich entschädigt worden sein. Ich wüsste ja so gerne, wie.

      Und so weiter.