piwik no script img

Konjunkturpaket der Regierung zu CoronaSehr viele teure Zuckerli

Anna Lehmann
Kommentar von Anna Lehmann

Das Konjunkturpaket des Bundes ist üppig und teuer. Doch beim Kinderbonus fehlt es an Nachhaltigkeit.

Wer bekommt wie viele Zuckerli? Foto: Shestock/plainpicture

W er sich schon mal einen Langstreckenlauf zugetraut hat, weiß, dass der Erfolg nicht nur vom Training, sondern auch von der richtigen Ernährung abhängt. Die guten Kohlenhydrate liefern Energie über einen längeren Zeitraum, die schlechten, wie etwa Schokolade, treiben den Blutzuckerspiegel rasch hoch, der allerdings genauso rasch wieder absinkt. In der Corona-Pandemie hat sich die Gesellschaft auf eine Langstrecke begeben, das Konjunkturpaket, welches die Große Koalition gestern Nacht beschlossen hat, soll ihr helfen, sie zu meistern.

Es ist ein üppiges Paket, 130 Milliarden Euro dick, aber es ist teilweise nicht ausgewogen. Es enthält viele nachhaltige Maßnahmen – gute Kohlenhydrate. Überfällig etwa ist die Unterstützung der Kommunen, die die meisten öffentlichen Investitionen tätigen. Schade nur, dass sich die Union, insbesondere die CSU, nicht dazu durchringen konnte, auch einer Entschuldung zuzustimmen. Gut und nachhaltig ist es auch, dass die Regierung nun fast 50 Milliarden in den Klimaschutz steckt und auf eine Kaufprämie für Diesel- und Benzinautos verzichtet.

Allerdings hat die Groko den Konjunkturbooster aber auch mit ziemlich vielen Zuckerli angereichert. Zu vielen.

Das teuerste Versüßungsmittel ist die temporäre Senkung der Mehrwertsteuer. 20 Milliarden Euro wird es kosten, wenn bis zum Jahresende der volle Steuersatz von 19 auf 16 Prozent und der ermäßigte von 7 auf 5 Prozent sinkt. Das kann zunächst spürbar für Auftrieb sorgen, vor allem bei Menschen, die wenig verdienen und fast ihr gesamtes Einkommen in den Konsum stecken.

Teures Schokoladentäfelchen

Der Leistungsabfall ist allerdings unausweichlich, und zwar dann, wenn die Umsatzsteuer im nächsten Jahr wieder steigt. Sinnvoll und sozial gerecht wäre es daher, die Umsatzsteuer für alle auf Dauer zu senken – im Gegenzug aber den Spitzensteuersatz zu erhöhen und eine vernünftige Vermögens- und Erbschaftssteuer einzuführen.

Ein recht teures Schokoladentäfelchen ist auch der Kinderbonus. Jede Familie soll pro Kind einmalig 300 Euro bekommen und zwar unabhängig davon, ob das Haushaltseinkommen 20.000 oder 100.000 Euro pro Jahr beträgt. Für die einen ist es zu wenig, um ihren Kinder dauerhaft gleiche Chancen zu sichern und die anderen bräuchten es eigentlich nicht, nehmen es aber trotzdem gern. Vielleicht als Zuschuss für den neuen VW-Diesel. Wenn schon ein Kinderzuschuss, dann wäre es besser, ihn gezielt an jene zu verteilen, die ihn wirklich nötig haben und in mindestens doppelter Höhe.

Der einmalige Kinderzuschuss wird über vier Milliarden Euro kosten und ist damit teurer als die anderen im Konjunkturprogramm geplanten Investition in Kitas und Schulen zusammen, die eine nachhaltige Wirkung entfalten sollen. Eine Milliarde sollen Kitas für Umbauten erhalten, der Ausbau von Ganztagsschulen soll mit zwei Milliarden gefördert werden. Auf Dauer leistungssteigernd wäre es aber, wenn die Groko die gegenwärtige Notsituation dazu genutzt hätte, um richtig fett in den Bildungsbereich zu investieren und den Ganztag nachhaltig zu stärken.

Das würde nicht nur viele Familien entlasten, die gegenwärtig und absehbar auch in der nächsten Zeit mit der Betreuung ihrer Kinder bei gleichzeitigem Homeoffice überfordert sind. Es fördert auch Gerechtigkeit und Chancengleichheit.

So großzügig sich die Groko generell zeigt – beim Zukunftsthema Bildung ist sie eher geizig, der Bereich wird gegenüber anderen eher spärlich bedacht. Das wird sich auf langer Strecke rächen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Anna Lehmann
Leiterin Parlamentsbüro
Schwerpunkte SPD und Kanzleramt sowie Innenpolitik und Bildung. Leitete bis Februar 2022 gemeinschaftlich das Inlandsressort der taz und kümmerte sich um die Linkspartei. "Zur Elite bitte hier entlang: Kaderschmieden und Eliteschulen von heute" erschien 2016.
Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Mehrwertsteuer-Änderung für ein halbes Jahr. Ein bürokratischer Alptraum. Kommt beim Verbraucher nur für teure Produkte an, zum Beispiel Verbrenner und ist ein reiner Mitnahme-Effekt.

  • Die Aussagen zum Kinderbonus sind falsch. Da der Bonus mit dem Steuerfreibetrag verrechnet wird, profitieren nur Einkommen bis ca. 65.000 €, bei höherem Einkommen gleicht sich die Zahlung aus.

    Auch sonst scheint die Autorin die Definitionen von "Schokolade" und "Vollkorn" recht willkürlich und durch ihre politische Brille zu setzen. Etwas mehr Fachwissen und parteipolitische Zurückhaltung hätte dem Kommentar gut getan.

  • Die Feierlichkeiten zu diesem Konjunkturpaket beginnen ja erst. Große Zahlen, starke Sprüche, große Hoffnungen, alles Super!? Nun, kann man machen. Muss man als Regierung auch machen, wenn die Verbreitung von Optimismus und das ritualisierte "Wir werden stärker aus der Krise heraus kommen, wie wir hineingegangen sind" zum Framing gehören. Mal abgesehen davon, dass nichts anders, sondern nur wie zuvor weitergehen soll. Kann man allerdings nur feiern, wenn die Aspekte Umwelt, Klima, Ressourcenschonung, Alternativen zum motorisierten Individualverkehr, anderes Wirtschaften, anderes Arbeiten und Zukunftsverantwortung ausgeblendet werden.

    Der flehende Appell an die Bürger, konsumiert wieder, geht einkaufen, spart nicht, geht ins Risiko, nehmt Kredite auf, damit die Produktion, die Wirtschaft wieder in Schwung kommt, hat nichts mit Zukunftsvorsorge zu tun. Es wird schon keine 2. Infektionswelle kommen!? Das darf sie nicht, weil es unsere Politik und Ökonomie endgültig überfordern würde!

    Fragen danach, wie die Milliarden auf kommunaler Ebene kurzfristig ausgegeben werden können, werden nicht gestellt. Das Geld für den ÖPNV (positiv!) benötigt Zeit für die Umsetzung (Ausbau, Fahrzeuge, Planung...) und Personal. Die Konkurrenz (E-Mobilität) wird gefördert und deren Umsetzung wird schneller gehen, weil die Wertschöpfungsketten länger sind. Verkürzung der Planungsverfahren (Einsprüche) wurde in einem Nebensatz auf der PK erwähnt.

    Die Entlastung der Kommunen, ist positiv. Deren Belastungen lagen politische Entscheidung zugrunde, deren Aufhebung konsequenter gewesen wären, als diese strukturellen Belastungen vorübergehend zu verringern. (Agenda 2010, ÖPP, Privatisierungen...)

    PS: Leider ist das Konjunkturpaket noch nicht bei der Bundesregierung/Bundespresseamt abrufbar. Schade, dass wir durch die großen Zahlen besoffen gemacht werden, bevor wir einen Kater bekommen, wenn das Paket sein Kleingedrucktes offenbart.





    .

  • 9G
    90857 (Profil gelöscht)

    "auf eine Kaufprämie für Diesel- und Benzinautos verzichtet"

    oder auch: Das Narrenschif durch die Hintertür

    Wer vor Monaten gefordert oder auch nur behauptet hätte, dass der Verkauf von Benzin- und Diesel-Pkw staatlich gefordet werden muß, der wäre wohl sofort als Klimaleugner, gar als Klimanazi an den medialen Pranger gestellt worden; nebst der nicht mehr ganz so lieben Oma als alter Umweltsau ...

    Und nun ist es soweit. Wer im zweiten Halbjahr 2020 einen Benziner oder gar einen Diesel erwirbt, der erhält bei einem Kaufpreis von 40.000 Euro für das Schadstoffmobil gleich mal 1.200 Euro Rabatt; die geringere Mehrwertsteuer macht's möglich. Und klar, bei höheren Kaufpreisen ist die Gutschrift entsprechend höher; muß man sich das schon leisten können ...

    Noch einen oben d'rauf? Gibt es wirklich bald E-Mobile für umme! Da die Intervalle zur Erhöhung der Förderung wohl genau so weiter gehen, kommen für die wie Blei in den Regalen liegenden Brötchenholer aktuell gleich mal wieder 3.000 Euro on Top.

    Ist eben alles nicht so einfach mit den "VerbraucherInnen", sind zumindest die Dienstwagenfahrer nebst derer Brötchengeber gut bedient:

    taz.de/Chef-der-Ve...er-Autos/!5690127/

  • Und noch ne Anmerkung zur Mehrwertsteuer. Stimmt alles, aber: ein Teil des positiven Effekts der Steuersenkung in 2020 entsteht gerade deshalb, weil sie für 2021*nicht* gesenkt wird. Klingt komisch aber macht Sinn wenn man etwas länger drüber nachdenkt -- jemand der, sagen wir im Herbst, über eine größere Anschaffung nachdenkt (z.B. bei der Angst um den eigenen Job überlegt ob das nicht alles noch etwas warten kann), der entscheidet sich nun evtl. gerade deshalb dafür, weil er, wenn er noch länger wartet, dann wieder einen höheren Mehrwertsteuersatz zahlen muss.

  • Vom Kinderbonus in Höhe von 300€ pro Kind profitieren gerade *nicht* auch jene deren Haushaltseinkommen 100.000€ beträgt. Er wird stattdessen mit dem steuerlichen Kinderfreibetrag verrechnet.

    Ist kompliziert in Deutschland, aber einfach gesagt gilt: niedrige und mittlere Einkommen erhalten Kindergeld, hohe Einkommen nutzen stattdessen den Kinderfreibetrag bei der Steuererklärung. Da der Kinderbonus nicht auf das Kindergeld (und auch nicht auf die Grundsicherung), wohl aber auf den steuerlichen Kinderfreibetrag angerechnet wird, profitieren gerade die kleinen und mittleren Einkommen. Genau so wie es der Kommentar fordert.