Konflikt um die Krim: US-Sanktionen gegen Russland
Die USA verhängen Einreiseverbote gegen Russland und Krim-Bewohner. Die Halbinsel will per Referendum über ihre künftige Zugehörigkeit entscheiden.
BRÜSSEL/TALLIN/MOSKAU afp/dpa | Im Zuge der Krise in der Ukraine haben sich die USA zu Sanktionen gegen Russland und einige Bewohner der Krim entschlossen. Es seien Einreiseverbote verhängt und die Vermögen derjenigen eingefroren worden, die für die Gefährdung der ukrainischen Sicherheit verantwortlich seien, teilte das Weiße Haus am Donnerstag in Washington mit. Namen wurden nicht genannt. Dies schließe an bereits getroffene Maßnahmen gegen Russland an, hieß es.
Die Anordnung sei ein „flexibles Instrument“, um diejenigen zu sanktionieren, die direkt an der Militärintervention auf der ukrainischen Halbinsel Krim beteiligt seien, führte das Weiße Haus aus.
Auch auf der Krim selbst verschäft sich die Lage: Den von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) entsandten Beobachtern ist von Bewaffneten der Zugang zu der ukrainischen Halbinsel verwehrt worden. Dies erfuhr die Nachrichtenagentur AFP am Donnerstag aus westlichen Diplomatenkreisen. Insgesamt beteiligen sich 35 Militärbeobachter aus 18 Ländern an der Mission, darunter auch zwei Offiziere der Bundeswehr. Erst am Mittwoch wurde der UN-Sondergesandte Robert Serry von bewaffneten Männern bedroht und brach seine Vermittlungsmission vor Ort ab.
Zuvor hatte sich das Parlament auf der Schwarzmeer-Halbinsel Krim für einen Beitritt zu Russland ausgesprochen. Die Abgeordneten der Autonomen Republik fassten am Donnerstag in Simferopol einen entsprechenden Beschluss, wie russische Staatsagenturen meldeten. In der kommenden Woche, am 16. März, soll die Bevölkerung auf der ukrainischen Halbinsel per Referendum über die mögliche Angliederung abstimmen. Kiews Übergangspräsident Jazenjuk verurteilte dies scharf.
Aus der ukrainischen Hauptstadt kamen andere Befehle: Die Justiz hatte am Donnerstag die Festnahme des prorussischen Krim-Regierungschefs Sergej Axjonow und des Präsidenten des Regionalparlaments, Wolodimir Konstantinow, wegen ihrer Bestrebungen zur Abspaltung der Krim, angeordnet.
Beratungen in Brüssel
Der mögliche Paralympics-Boykott der deutschen Bundesregierung sorgt für Verwirrung. Nach Angaben der Behindertenbeauftragten Verena Bentele verzichtet die komplette politische Delegation aus Deutschland auf eine Reise nach Sotschi. „Es ist ein ganz klar politisches Zeichen an Russland“, sagte Bentele am Donnerstag im ZDF-Morgenmagazin.
Nach Angaben eines Sprechers des Bundesinnenministeriums vom Donnerstag plant Innen-Staatssekretär Ole Schröder allerdings weiterhin, nach Russland zu fahren.
Die Paralympics beginnen am Freitag in der russischen Schwarzmeerstadt.
Unterdessen geht das diplomatische Tauziehen im Ukraine-Konflikt in die nächste Runde: Nachdem stundenlange Verhandlungen in Paris am Mittwoch keine greifbaren Ergebnisse brachten, sind am Donnerstag der UN-Sicherheitsrat sowie die Staats- und Regierungschefs der EU zu Krisensitzungen zusammengekommen. Vor dem Treffen in Brüssel gab die EU bekannt, die Konten des ukrainischen Ex-Präsidenten Viktor Janukowitsch, seiner Söhne und weiteren Ex-Ministern, gesperrt zu haben.
Beim EU-Sondergipfel gab Jazenjuk bekannt, dass die ukrainische Regierung so bald wie möglich das geplante Assoziierungsabkommen mit der EU unterzeichnen will. Der gestürzte ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch hatte die Unterzeichnung des Abkommens inklusive eines Freihandelsvertrags im November unter dem Druck Russlands gestoppt und damit die blutigen Proteste ausgelöst, die schließlich zu seiner Absetzung führten.
In den USA berät das Repräsentantenhaus am Donnerstag über Hilfskredite für Kiew, wie der republikanische Mehrheitsführers Eric Cantor im Kurznachrichtendienst Twitter ankündigte. Washington hatte der Ukraine einen Kredit in Höhe von einer Milliarde Dollar (rund 725 Millionen Euro) in Aussicht gestellt. Nach dem Repräsentantenhaus muss noch der Senat grünes Licht geben. Unklar ist aber, ob der Senat hierüber noch vor einer mehrwöchigen Sitzungspause abstimmen kann. Am Mittwochabend hatte die ehemalige US-Außenministerin Hillary Clinton Putin mit Hitler verglichen. Das Statement hatte sie kurz darauf wieder relativiert.
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und seine Amtskollegen aus den USA, Frankreich, Großbritannien und Italien beraten in Rom über die Krise in der Ukraine. Die Minister waren für eine Konferenz der Freunde Libyens in der italienischen Hauptstadt zusammengekommen. Ziel dieser zusätzlichen Gespräche zur Krim-Krise sei es, die Positionen der Länder zum EU-Sondergipfel in Brüssel abzustimmen, hieß es.
Gespräch zwischen Kerry und Lawrow
Das zweite Treffen von US-Außenminister John Kerry mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow hat keinen Durchbruch gebracht. „Im Moment können wir der internationalen Gemeinschaft nicht verkünden, dass wir eine Einigung gefunden “, sagte Lawrow am Donnerstag nach dem Gespräch in Rom. Der Westen drängt Moskau zu direkten Gesprächen mit der neuen ukrainischen Regierung und fordert die Bildung einer internationalen Kontaktgruppe. Außerdem soll Moskau alle Truppen von der Krim abziehen beziehungsweise in die Kasernen der dort stationierten russischen Schwarzmeerflotte zurückbeordern.
Im ostukrainischen Donezk wurden bei Zusammenstößen zwischen prorussischen Demonstranten und Anhängern der neuen Führung in Kiew etwa zehn Menschen verletzt. Prorussischen Aktivisten übernahmen am Donnerstag kurzzeitig wieder die Kontrolle über den Sitz der Regionalregierung, aus dem sie am Vortag vertrieben wurden. Die ukrainische Polizei nahm bei ihrem Einsatz 75 Menschen fest.
Fragen zu abgehörtem Telefonat
Estlands Außenminister Urmas Paet hat sich in einem abgehörten Gespräch mit der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton beunruhigt gezeigt über die prowestliche Führung in Kiew. Die neue ukrainische Regierung wolle die Todesschüsse während der Proteste in Kiew offenbar nicht aufklären, sagte Paet in dem am Mittwoch vom Moskauer Staatsfernsehen veröffentlichten Telefonat. Paet bestätigte die Echtheit des Gesprächs von Ende Februar. Es blieb unklar, wer das Telefonat abfing.
Der estnische Außenminister erwähnt demnach auch den Verdacht einer ukrainischen Aktivistin, dass die Schüsse auf Demonstranten und Sicherheitskräfte von denselben Scharfschützen abgegeben worden seien. Es gebe mehr und mehr Hinweise, dass hinter den Mördern „nicht (der entmachtete Präsident Viktor) Janukowitsch, sondern jemand von der neuen Koalition“ stehe, sagte Paet in dem Telefonat.
Paet wies aber mit Nachdruck zurück, eine Beurteilung darüber abgegeben zu haben, dass die damalige Opposition in Kiew an der Gewalt beteiligt gewesen sei. „Es ist äußerst bedauerlich, dass Telefonate abgehört werden“, sagte er in Tallinn. Die Veröffentlichung des Anrufs sei „kein Zufall“.
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