Bernhard Pötter über die neue Strategie zur Nachhaltigkeit: Konflikt statt Gequatsche
Der Begriff „Nachhaltigkeit“ leidet zu Recht unter einem Imageproblem. Die Vorurteile lauten: Wo „nachhaltig“ draufsteht, ist oft Augenwischerei und Täuschung drin. Es wird unglaublich langatmig gequatscht, ohne dass etwas passiert. Und das Ganze ist waaahnsinnig langweilig.
Da ist etwas dran. Oft sind die formulierten Ziele das Papier nicht wert, auf dem sie stehen. Umgesetzt werden sie nur, wenn sie sich dem Dogma des Wirtschaftswachstums unterordnen lassen. Sie werden zur Seite geschoben, wenn sie wie beim Flächenverbrauch oder der Artenvielfalt das „immer mehr, immer größer“ stören.
Umso wichtiger ist es, dass die Bundesregierung für ihre neue Strategie der Nachhaltigkeit die 17 Ziele der UN übernimmt, die 2015 mit großem Hallo beschlossen wurden – von der Armutsbekämpfung über Bildung und Frauenrechte bis zum Arten- und Meeresschutz. Diese „Ziele nachhaltiger Entwicklung“ verpflichten alle Staaten auf eine Politik, die fairer ist und an das Morgen denkt.
Soweit ist dieser Entwurf sehr gut und löblich. Aber er trägt das alte Problem der Konsensrepublik Deutschland in sich: Er tut so, als sei Nachhaltigkeit zur Zufriedenheit aller zu bekommen. Das aber ist falsch. Eine kluge Abwägung von wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Interessen muss auch klar sagen, was nicht geht und nicht gewünscht ist.
Der Entwurf der Regierung, der bis Herbst breit debattiert werden soll, ist deshalb eine große Chance: Er müsste, statt eine „Win-win-Situation“ zu simulieren, eindeutig die Konflikte benennen, die für eine nachhaltige Entwicklung zu lösen sind: Flächenfraß contra ländliche Entwicklung, Giftspritze auf dem Acker contra Ökolandbau, Armutsbekämpfung contra prekäre Jobs, Autos contra lebenswerte Städte, Braunkohle contra Klimaschutz.
Wenn über diese Konflikte offen und heftig gestritten würde, wäre Nachhaltigkeit einen großen Schritt weiter. Und vor allem plötzlich waaahnsinnig spannend.
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