Konflikt in der Ukraine: Im Osten wird weiter gekämpft
Nach der Eskalation in Odessa ruft die EU alle Seiten zu „größtmöglicher Zurückhaltung“ auf. In der Stadt herrscht Trauer, derweil kommt es in Kramatorsk zu Gefechten.
BRÜSSEL/MOSKAU/KRAMATORSK afp/ap/dpa | Nach der Eskalation der Gewalt in der ukrainischen Schwarzmeerstadt Odessa hat die Europäische Union alle Seiten zu „größtmöglicher Zurückhaltung“ aufgerufen. Die „Tragödie“ dürfe nicht instrumentalisiert werden, um den Konflikt im Osten der Ukraine weiter anzuheizen und noch „mehr Hass, Spaltung und sinnlose Gewalt“ zu schüren, erklärte die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton am Samstag in Brüssel.
Ashton forderte zudem eine „unabhängige Untersuchung“ des Brands, bei dem am Freitag mehr als 30 Menschen ums Leben gekommen waren. Das Feuer war in einem Gewerkschaftshaus in Odessa ausgebrochen. Die Übergangsregierung in Kiew sprach von „krimineller Brandstiftung“. Bei Straßenschlachten zwischen Anhängern der Regierungen in Moskau und Kiew in Odessa hatte es weitere Tote gegeben.
Die Behörden in Odessa riefen eine dreitägige Trauer aus. Viele kamen am Samstag und legten Blumen zu Ehren der Toten nieder. Waleri Kaurow, ein Anführer der Aufständischen in der Stadt, warnte im russischen Staatsfernsehen vor einer Fortsetzung der Proteste im Anschluss an die Trauerphase. Im Internet kursierten alsbald Listen mit Namen und Adressen von Menschen, die angeblich für die Feuertoten verantwortlich sein sollen, was eine erhöhte Gefahr von Racheakten nahelegte.
Der Sprecher des russischen Präsidenten Wladimir Putin, Dmitri Peskow, bezeichnete die Feuertragödie als Beweis dafür, dass die ukrainische Übergangsregierung nationalen Extremismus ermutige. „Ihre Arme stecken bis zu den Ellenbogen im Blut“, zitierten russische Nachrichtenagenturen Peskow.
„Offensive stürzt Ukraine in einen Brudermord“
Zudem hat Russland von den USA mehr Druck auf die Führung in Kiew gefordert. Die prowestliche Regierung der Ex-Sowjetrepublik müsse die Kampfhandlungen im Osten des Landes sofort stoppen und die Sicherheitskräfte abziehen, sagte Außenminister Sergej Lawrow am Samstag bei einem Telefonat mit seinem US-Kollegen John Kerry. „Die Offensive stürzt die Ukraine in einen Brudermord“, sagte Lawrow nach Angaben seines Ministeriums.
Bei einem Telefonat mit dem OSZE-Vorsitzenden Didier Burkhalter vereinbarte Russlands Chefdiplomat einen engen Dialog. Moskau und die OSZE wollten gemeinsam einen Weg aus der Krise suchen, sagte Lawrow.
Beim Einsatz ukrainischer Regierungstruppen gegen Separatisten in der Stadt Kramatorsk im Osten des Landes sind mindestens zwei Menschen getötet worden. Nach offiziellen Angaben wurden am Samstag zudem zwölf Menschen durch Schüsse verletzt. Ein örtliches Internetportal berichtete unter Berufung auf Mediziner von mindestens 5 Toten und 17 Verletzten. Über die Identität der Opfer wurden zunächst keine Angaben gemacht. Kramatorsk liegt rund 15 Kilometer südlich von Slawjansk, dem Schwerpunkt der Offensive.
Freigelassene Beobachter auf dem Weg nach Berlin
Ukrainische Truppen brachten in Kramatorsk einen Fernsehturm und das Hauptquartier des Geheimdienstes unter ihre Kontrolle. Seit der Morgendämmerung seien die Vorstöße gegen die Separatisten fortgesetzt worden, teilte Innenminister Arsen Awakow auf seiner Facebook-Seite mit. Auch in Slawjansk seien die Kämpfe wieder aufgenommen worden. „Wir werden nicht nachlassen“, erklärte er. In Slawjansk hatten Separatisten am Vortag zwei Kampfhubschrauber abgeschossen. Ukrainische Kräfte besetzten Vororte, aber die Separatisten behielten die Kontrolle über die größten Teile der 130.000 Einwohner zählenden Stadt.
Derweil sind die in der Ostukraine freigelassenen OSZE-Militärbeobachter unterwegs nach Deutschland. Das Flugzeug der Bundeswehr sei in Donezk gestartet, teilte die OSZE-Mission in der Ukraine am Samstagnachmittag mit. Die Männer, darunter vier Deutsche, wurden abends auf dem militärischen Teil des Flughafens Berlin-Tegel erwartet - unter anderem von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU).
Prorussische Separatisten in Slawjansk hatten das Team acht Tage lang in ihrer Gewalt. Am Samstag wurden die Militärbeobachter einem russischen Sondergesandten übergeben und kamen dann in die Obhut der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und des Unterstützerteams der Bundesregierung.
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