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Konflikt im Osten der UkraineEndlich Feuerpause!

Die Ukraine und die prorussischen Separatisten beschließen eine Waffenruhe. Russische Medien berichten erstmals über eigene Soldaten im Nachbarland.

Das Schlimmste überstanden? Ukrainischer Soldat in Mariupol. Bild: Reuters

BERLIN taz | Im Ukrainekonflikt haben Unterhändler der Regierung in Kiew und der prorussischen Separatisten am Freitag in der weißrussischen Hauptstadt Minsk eine Waffenruhe für das umkämpfte Gebiet im Donbass vereinbart. Nach Angaben des ukrainischen Sicherheitsrates und der Aufständischen seien die Kampfhandlungen, wie vereinbart und von Präsident Petro Poroschenko am Nachmittag angeordnet, um 17 Uhr (MESZ) eingestellt worden.

Sowohl Poroschenko als auch die Rebellen hatten zuvor die Unterzeichnung des Waffenstillstandsabkommes bestätigt. Die Aufständischen streben jedoch nach den Worten ihres Anführers in Luhansk, Igor Plotnizki, weiter die Abspaltung von der Zentralregierung in Kiew an.

Die Vereinbarung, an deren Zustandekommen auch Vertreter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) beteiligt waren, besteht aus 14 Punkten. Unter anderem verständigten sich Kiew und die Separatisten auf einen Austausch aller Gefangenen. Dieser solle am Samstag beginnen, so der Sprecher des Sicherheitsrats, Andrei Lissenko. Zudem würden schwere Waffen aus den Kampfgebieten abgezogen, sagte ein OSZE-Vertreter. In die betroffenen Gebiete solle humanitäre Hilfe geschickt werden.

Genau diese Forderungen finden sich auch in einem Friedensplan, den Russlands Präsident Wladimir Putin am vergangenen Mittwoch vorgelegt hatte. Darüber hinaus sieht der Plan die Beendigung der aktiven Angriffsoperationen aller bewaffneten Kräfte, den Rückzug der ukrainischen Regierungstruppen sowie die Öffnung humanitärer Korridore für Flüchtlinge und die Lieferung von Hilfsgütern vor.

Engagement der „Soldatenmütter“

Am Freitag haben russische Staatsmedien erstmals ausführlich über russische Soldaten berichtet, die an der Seite der Separatisten im Osten der Ukraine kämpfen. Mehrere Fernsehkanäle strahlten Sendungen über „Freiwillige“ aus, die „im Kampf gegen die ukrainische Armee als Helden ihr Leben ließen“. Die Berichte scheinen eine Reaktion auf Enthüllungen regierungskritischer Medien zu sein. Diese dokumentieren seit Wochen geheime Beerdigungen von Soldaten.

Auch in der russischen Öffentlichkeit hatte sich in den vergangenen Wochen vermehrt Unmut breitgemacht – auch durch das Engagement der „Soldatenmütter“. Die Nichtregierungsorganisation hatte Zahlen von russischen Soldaten veröffentlicht, die bei den Kämpfen im Donbass getötet worden waren.

So wurde am Freitag im Ersten Kanal über den Fallschirmjäger Anatoli Trawkin berichtet. Er habe gleich nach seiner Hochzeit Urlaub genommen, sei in den Donbass gefahren und gefallen. Von seiner Entscheidung habe er weder seine Frau noch seine Kommandoeinheit unterrichtet. Zu Hause sei er mit allen militärischen Ehren bestattet worden. In dem gleichen Beitrag wird ein Kriegsveteran mit den Worten zitiert: „Wir müssen stolz sein auf unsere Jugend, die dem Ruf ihren Herzens folgt und ihre Pflicht erfüllt.“

Die Führung in Moskau hatte bisher stets dementiert, dass russische Soldaten in der Ukraine kämpfen. Separatistenführer Alexander Sachartschenko hatte hingegen von 4.000 Kämpfern aus dem Nachbarland gesprochen. Dass aber ein offizieller Kampfauftrag für russische Soldaten vorliegen soll, glauben Moskauer Militärexperten wie Pawel Felgenhauer nicht. „Dann wären nicht 4.000, sondern 20.000 Russen dort“, sagte er.

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22 Kommentare

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  • 4G
    4845 (Profil gelöscht)

    Die ukrainische Regierung hat Ihre Soldaten nicht im Griff und Putin hat seine seperatistsichen Lakaien nicht im Griff... so ist das, halt, wenn man die Hunde von der Kette lässt...

  • Das mit der Feuerpause sehe ich skeptisch. Bis jetzt haben sich die ukrainischen Truppen noch an keine Feuerpause gehalten.

     

    Auch deswegen, weil viele der Truppen Kiew gar nicht mehr gehorchen. Die rechtsradikalen Freiwilligenbataillone haben von Beginn selbstständig agiert. Und die Truppenteile, die von reichen Oligarchen finanziert werden, stehen längst de facto unter dem Befehl dieser Oligarchen.

     

    Die Ukraine verwandelt sich in einen gescheiterten Staat, in welchem Warlords ihre Armeen ausrüsten und auf eigene Rechnung Krieg führen. Poroschenko hat die Kontrolle verloren.

    • @Frotzelphilip:

      In Donezk sollen in der Nacht zum Samstag vier Zivilisten durch ukrainisches Artelleriefeuer umgekommen sein. Es wurde auch von einzelnen Schießereien berichtet. Insgesamt soll es aber bislang recht ruhig geblieben sein. Den Menschen in der Ostukraine wäre es zu gönnen, wenn es dabei bliebe.

      Es wird natürlich nicht einfach. Die größte Gefahr geht m.E. nicht vom ukrainischen Militär oder der Volkswehr aus, sondern von den Kräften des Rechten Sektors, vielleicht auch den Privatbataillonen des Herrn Kolomojski. Diese haben ihre Daseinsberechtigung nur, solange es gegen "die Russen" geht, und diese Daseinsberechtigung werden sie sich nicht so schnell nehmen lassen.

      • @Der_Peter:

        Na ja, und dann gibt es natürlich auch Kommentatoren, die sagen, Poroschenko hätte sich nur auf den Waffenstillstand eingelassen, da er dringend seine Truppen neu strukturieren und aufrüsten müsse. Hoffen wir mal, daß die Feuerpause hält...

  • 9G
    90191 (Profil gelöscht)

    Wird ja glaub schon wieder weitergeballert, oder?

    • @90191 (Profil gelöscht):

      Ja, hier und da knallt es, aber (noch?) nicht "richtig"...

  • Danke!

  • „Volksgouverneur“ und Anführer der Volkswehr Donbass“

    Pawel Gubarew mit dem Hakenkreuz der RNE:

     

    https://news.pn/photo/c0616e4938678528d0ce4e5e039c26a3.i240x420x385.jpeg

     

    Pawel Gubarew, dritter von links:

     

    http://www.linkswende.org/images/stories/zeitung/177/pawel-gubarew_vordere_reihe-dritter_von_links-heute_volksmiliz_donbass-damals_faschistische_russische_paramilitrs-Russische_Nationale_Einheit_keincopyright.jpg

     

    ein Bild aus älteren Zeiten mit dem in Moskau lebenden ehemaligen „Verteidigungsminister“ Igor Girkin alias Igor Strelkow ( Oberst des russischen FSB) zusammen mit dem Gründer der „Russischen Nationale Einheit", Alexander Barkaschow, der bei deutschen Neonazis hohes Ansehen genießt. So wurde er 1994 von der mitgliederstarken "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige" (HNG), als "Freund des deutschen Volkes und seiner nationalen Rechten!" gefeiert. Am 26. April 2014 wurde Girkin von Dennis Puschilin, dem Führer der selbstproklamierten „Volksrepublik Donezk“ zum Anführer des Militär- und Sicherheitsbereichs ernannt.

     

    https://pp.vk.me/c408829/v408829552/5fee/jKSYOLi9NNo.jpg

    • @DJ Boemerang:

      Klar, der Typ, Igor Gilkin. eine gefährliche Knalltüte.

       

      Aber: 1. Er war weder ehemaliger russischer Verteidigungsminister noch "Verteidigungsminister"

       

      2. Nach Einschätzung der EU ist er russischer FSB-Mitarbeiter, was nicht heißt, dass er das ist. Er selbst hat von sich gesagt, er sei Reserveoberst beim FSB => fraglich, ob ein Geheimdienstler das von sich preis gibt, solang er in der Reserve ist...

       

      3. Er ist bereits zurückgetreten aus der Volksrepublik (VSD) http://www.jungewelt.de/2014/08-21/018.php

       

      4. Die Russischen Nationale Einheit ist nicht Putinfan, im Gegenteil. Demos vor dem Kreml usw. https://www.antifainfoblatt.de/artikel/%C2%BBnationale-revolution%C2%AB-russland

  • Vorschlag zur Güte: Einigen wir uns darauf, daß alle Konfliktparteien verantwortungslos und verbrecherisch handeln. USA/NATO wie Putin-Rußland betreiben Geopolitik, die Kiewer Regierung verdankt ihre Existenz dem Sturz einer demokratisch gewählten Regierung und besteht zum großen Teil aus Faschisten, geleitet wird sie von einem Oligarchen; die sogenannten "Separatisten" sind vermutlich tatsächlich von Rußland aus gesteuerte Idioten, die das Morden für effektiver halten als zivilen Widerstand, mit dem sich wesentlich früher eine Volksabstimmung über das Schicksal der Ostukraine hätte herbeiführen lassen. Den Westen trifft bei alledem noch die besondere Schuld, seit 1990 konsequent die Zusagen gegenüber Rußland (keine Ost-Erweiterung der NATO) mißachtet und Putins Bedürfnis nach einer "strategischen Pufferzone" ignoriert zu haben. Eigentlich war seit den Annäherungsbemühungen von Ukraine und EU der weitere Verlauf proframmiert. Vielleicht war diese ignorante Politik des Westens auch Kalkül? - Jedenfalls wird solcherhart Macht- und Gewaltpolitik immer auf dem Rücken der "normalen", "einfachen" Leute ausgetragen, die in Frieden, Freiheit, Gerechtigkeit für sich und ihre Angehörigen wollen, aber mehr auch nicht. Ich plädiere nachdrücklich dafür, stets alle bewaffneten Parteien kritisch zu sehen. Macht korrumpiert, bewaffnete Macht erst recht. Die militärischen UNO-Missionen wären gesondert zu betrachten - alle sonstigen, unilateralen haben entgegen allen Beteuerungen nie den "Menschenrechten" gedient, sondern eigenen Interessen. Sonst müßten USA/SEATO auch in Nordkorea einmarschieren, was sie bisher nicht taten und vermutlich nie tun werden. Warum wohl?

    • @Albrecht Pohlmann:

      Das ist mir etwas zu einfach.

      Ich will nur ein paar Punkte aufgreifen:

      1. Die Regierung Janukowitsch war zwar demokratisch gewählt, agierte aber zunehmend autoritärer, so dass sich der Eindruck verfestigte die nächste Wahlen würden nach putinschem (oder noch schlimmer: lukaschenkaschem) Muster verlaufen. Dagegen gab es einen legitimen Widerstand.

      2. In der Regierung Jazenjuk gehören die Mehrzahl der Minister seiner Vaterlandspartei an oder sind parteilos. Swoboda besetzt derzeit nur vier, eher nachrangige Ministerien. Nicht schön, aber eben auch kein "großer Teil".

      3. Es gab in der Tat Anfang der 1990er Jahre mündliche Zusagen über eine Nichterweiterung der Nato in Richtung Osten, die aber nie vertraglich fixiert wurden. Insofern ist nachvollziehbar, dass russische Politiker von Wortbruch reden. Andererseits hat sich das innenpolitische Klima Rußlands seitdem erheblich verändert; ich erinnere nur an die zeitweiligen Erfolge Schirnowskis, die anhaltende Verklärung der Stalinära, ein wachsender Nationalismus und die zunehmende Repression gegenüber der Opposition. Dass gerade die NAchbarländer diese Entwicklung nicht gerade mit Begeisterung sehen, ist nachvollziehbar.

      Was ich daher nicht verstehe ist, warum das Sicherheitsbedürfnis etwa Polens oder der baltischen Staaten einen geringeren Stellenwert haben soll als das Rußlands. Auch dort gibt es historische Traumta, die ein wesentlicher Grund für ihre damaligen Beitrittsgesuche waren.

    • @Albrecht Pohlmann:

      Da kann ich sogar dem meisten zustimmen, bis auf "besteht zum großen Teil aus Faschisten". Das Kabinett Jazenjuk umfasst 20 Personen, dabei gehören 4 Personen der rechtsextremen Swoboda an (der Rest Vaterlandspartei oder parteilos). 4 von 20 ist bei mir keine Mehrheit und wenn Jazenjuk und co auch keine Sympathieträger sind, so sind sie nicht rechtsextrem.

       

      Was mich wirklich stört ist aber immer dieses Gerede, dass die NATO eiegentlich Schuld am Konflikt ist, weil sie Pufferzonen ignoriert. Ich finde diese ganze Puffer-Logik unerträglich, schließlich ist der kalte Krieg mit seinen blockfreien Staaten vorbei. Warum nimmt sich Russland denn das Recht raus, bestimmen zu wollen, mit wem seine Nachbarländer kooperieren? Wenn die Ukraine lieber mit der EU koopiereren möchte, dann ist das ihr gutes Recht als souveräne Nation. Kein Land hat das Recht, anderen Ländern seine Militärbündnisse vorzuschreiben. Und erst recht nicht gibt es Russland irgendwie das Recht, die Ukraine zu destabilisieren und teilweise zu annektieren.

      • @Dubiosos:

        Ich will das Mißverständnis gern beseitigen: Ich meine nicht, daß es ein Recht auf Pufferzonen gäbe - aber daß die russische Regierung eben so denkt und meint, sie brauche zur Sicherheit Pufferzonen. Das war bekannt, die russische Reaktion war vorhersehbar. Friedenserhaltende (kluge) Politik von EU und NATO hätte dies bedacht und auf Konfliktlösung und Einigung der Kontrahenten gedrängt. Das ist nicht geschehen, auch der westen hat gehörig zur Eskalation beigetragen.

      • @Dubiosos:

        Und falls die "Ukraine" lieber mit Russland kooperieren möchte, dann Erpressung, Staatsumsturz und Gewalt.

        • @Gregor Hecker:

          Äh, ist das jetzt die Verschwörungstheorie, dass der Aufstand gegen Janukowitsch vom Westen angezettelt und finanziert wurde? Scheint einfach für manche unvorstellbar zu sein, dass westliche Politiker nicht den ganzen Tag dasitzen und diabolische Pläne schmieden.

  • Hmm? Russlands Problem mit Freiwilligen russischen Soldaten in den Ostukraine- es sollen ca. 4000 Mann sein...

    Ist so ähnlich wie all die Freiwilligen Bürger der EU, die nach Syrien/Iraq gezogen sind um bei den ISis zu kämpfen...

    Beide Gruppierungen sind irgendwie ausserhalb der Staatsgesetze...

    Ein ScheissProblem ist das für die Innere Sicherheit der EU Staaten...

    • @vergessene Liebe:

      Bei der Isis gibt es aber keine Bundeswehrsoldaten, die mit Gewehr und Panzer im Urlaub sind. Ein gewaltiger Unterschied!

  • "Die Berichte scheinen eine Reaktion auf Enthüllungen regierungskritischer Medien zu sein."

     

    Was liest denn man da?

    In Russland?

    Regierungskritische Medien?

    Und der Staat muss auf die Berichte reagieren?

    Das kann doch nicht wahr sein?

    Sind sie nicht alle erschossen, gefoltert und längst in Gulag?

    Oder?

    • @Gregor Hecker:

      Zum Glück gibt es noch Journalisten in Russland, die trotz Repressalien ihre Stimme erheben. Zu viele zahlen dafür aber leider auch noch mit ihrem Leben. Wenn Sie das witzig finden...

      • @Joe Montana:

        Reporter ohne Grenzen stufen die Pressefreiheit in der russischen Förderation höher ein als die der Türkei.

         

        Ich persönlich mache mir auch lieber Gedanken, wie die BRD mal so viel Pressefreiheit wie ihre Nachbarländer Niederlande, Österreich, Luxemburg, Dänemark oder Norwegen und Schweden erreichen kann, bevor ich die Pressefreiheit in der russischen Förderation verändere. Von mehr Pressefreiheit hier würde ich mehr profitieren.

      • @Joe Montana:

        Ach stimmt! In Russland lebt Snowden. Ein Mann, der erzählt hat, wie die Bürger der Welt totalitär ausspioniert und überwacht werden. Kriegt er nicht dafür Folter und Elektrostuhl als Belohnung, wenn er Russland verlässt?

        • @Gregor Hecker:

          Snowden ist Journalist? Naja, ihr Szenario lässt sich eher mit Litvinenko vergleichen.