Kompromiss bei der Billigfleischbremse: Der Hunger treibt’s rein
Bremen verteidigt den Auftrag für den Großkonzern Chefs Culinar bei der Umstellung auf regionale Biokost, fordert aber ökologischere Vergabekriterien.
Im konkreten Fall geht es um die „Training Kitchen“, für die 1,7 Millionen Euro ausgegeben werden sollen. Sie soll Köch*innen in Gemeinschaftsküchen beibringen, wie sie kostengünstig mit regionalen, saisonalen und gering verarbeiteten Bio-Lebensmitteln kochen, ohne dass am Ende viel weggeworfen wird. Das Konzept dafür – es kostet Bremen 100.000 Euro – darf eine Consulting-Tochterfirma von „Chefs Culinar“ schreiben: Das ist ein internationales Unternehmen aus Kiel, das mit so umstrittenen Großkonzernen wie Tönnies, Nestlé und Unilever kooperiert.
In der Bio-Branche hat das für heftige Kritik gesorgt: Jan Saffe, Grünen-Sprecher für Ernährung und Landwirtschaft in der Fraktion, kommentierte die Vergabeentscheidung mit den Worten: „Das ist ein Schlag in die Fresse.“ Und Marie Pigors vom Naturkost Kontor Bremen schloss eine Zusammenarbeit mit Chefs Culinar kategorisch aus.
Am vergangenen Donnerstag fand nun ein Krisengespräch statt – das Ergebnis ist eine Stellungnahme, die ABB-Sprecher Peter Bargfrede und Umwelt-Staatsrat Ronny Meyer (Grüne) unterschrieben haben. Man sei sich einig, dass „die Vergaberichtlinien und Ausschreibungen geändert werden müssen, damit regionale Wertschöpfungsketten und die bio-regionale Landwirtschaft gefördert werden“, heißt es darin. Ob die Vergabe an Chefs Culinar ein Fehler war? Nein, so das Ressort. „Wir bedauern selber oft, dass ökologische Kriterien bei der Ausschreibung nicht das angemessene Gewicht haben dürfen“, so Meyer. Bei der Reform des Vergaberechts seien Bund und EU gefragt.
Bei dem Vergabeverfahren waren laut Ressort 13 Unternehmen oder Organisationen angeschrieben worden, darunter zwei aus Bremen. Die KritikerInnen gehen davon aus, dass eine Vergabe auch so rechtskonform hätte erfolgen können, dass Chefs Culinar leer ausgegangen wäre. Das Ressort seht das anders. Die Training Kitchen ist Teil des „Aktionsplans 2025“, mit dem die Gemeinschaftsverpflegung in Bremen „schrittweise auf bis zu 100 Prozent Bioprodukte“ umgestellt werden soll.
„Mehr als unglücklich“
Nicht angefragt wurde unter anderem der niedersächsische Bio-Großhändler Kornkraft, der auch Gemeinschaftsverpflegung und ein umfangreiches Seminarprogramm anbietet. Dort ist man „mehr als unglücklich“, dass Chefs Culinar sich nun in Bremen als Bio-Botschafter darstellen könne. Die Vergabeentscheidung könne man „nicht ganz nachvollziehen“.
Neu ist, dass nun ein Projektbeirat gegründet wird, der mindestens zweimal jährlich tagt. „Das ist lange überfällig“, sagt Bargfrede, da sei in den letzten Jahren zu wenig passiert. Das ABB fordert aber eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe – die sei aber bisher an der Bildungsbehörde gescheitert. „Der Beirat ist genau das, was wir immer gefordert haben“, sagt Pigors, die gleichwohl dagegen ist, dass Chefs Culinar da mit am Tisch sitzt: „Ich sage denen nicht, wie ich meine, dass das funktioniert“ – das nötige Wissen sei auch in Bremen vorhanden.
Sie fürchtet, dass mit der Entscheidung für Chefs Culinar auch eine gegen die frische Zubereitung des Essens einhergeht. Nach dem Motto: Es gibt dann weiter fertigen Kartoffelbrei, nur ist der eben bio. „Die Vergabe des Konzepts hätte anbieterunabhängig an eine Einrichtung vergeben werden müssen, die keine wirtschaftlichen Interessen als potenzieller Lieferant hat“, kritisiert das ABB. Solche Einrichtungen hätten aber keinen Zuschlag bekommen. Das Einzige, was Chefs Culinar qualifiziere, sei der Vorrang von Kostenneutralität in ihrem Konzept, so das Bündnis.
Die Stellungnahme endet damit, dass mit der Vergabe des Konzepts noch „keine Festlegung auf Ergebnisse weiterer Ausschreibungen“ getroffen worden sei. „Wir haben Verständnis für die Befürchtungen der Bremer Biobranche und haben daher entsprechende Gestaltungsmöglichkeiten angeboten“, sagt Meyer. Es müsse „unbedingt verhindert werden“, dass bei der Umsetzung des Konzepts Chefs Culinar zum Zuge komme, sagt Bargfrede.
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