Kommunalwahlen in Russland: Gefährlicher Minimalkonsens
In Russland hat bei den Kommunalwahlen keiner so recht gewonnen. Die Opposition ist gefährlich diffus. Putins Regierungspartei hat alles im Griff.
W irklich gewonnen hat niemand die Kommunalwahlen in Russland am Sonntag. Die Opposition, die nach den zahlreichen Protesten gehofft hatte, eine höhere Wahlbeteiligung würde ihr zugutekommen, wurde enttäuscht. In Moskau war nur jedeR Fünfte beim Wählen. Zwar konnten sich einige Unabhängige durchsetzen, in Moskau ist die sozialliberale Jabloko–Partei gar erstmals mit einer eigenen Fraktion von vier Deputierten im Stadtrat vertreten.
Gleichzeitig wurden bekannte Vertreter von Einiges Russland wider Erwarten abgewählt. Doch insgesamt ist die Opposition enttäuscht, dass es ihr trotz der zahlreichen Proteste der vergangenen Wochen nicht gelungen ist, ihre Anhänger zur Stimmabgabe zu motivieren.
Die Putin-Partei Einiges Russland hat die Lage im Griff. Alle Gouverneure von Einiges Russland, die sich zur Wiederwahl gestellt hatten, wurden auch gewählt. Einiges Russland hat sich somit eine Peinlichkeit von 2018 erspart, als drei Putin-treue Kandidaten bei den Gouverneurswahlen durchgefallen sind.
Die niedrige Wahlbeteiligung sowie glaubwürdige Berichte über Unregelmäßigkeiten beim Stimmenzählen und die Nichtzulassung Dutzender von Oppositionskandidaten nehmen der Wahl weitgehend ihre Legitimation. In Russland wächst die Unzufriedenheit mit den Machthabern. Doch diese Unzufriedenheit schlägt bei den Wahlen nicht durch.
Gleichzeitig sollte man hinter der Bewegung des Oppositionspolitikers Alexei Nawalny nicht konstruktive Inhalte vermuten. Nawalny geht es nur darum, Putin zu bekämpfen. Seine Idee, mit dem „klugen Wählen“, einem Verfahren, den aussichtsreichsten Oppositionskandidaten zu empfehlen, mag zwar teilweise funktioniert haben. Doch wenn bei einer Wahlempfehlung völlig unwichtig ist, ob die zu empfehlende Person ein Nationalist ist oder ob sie die Zeit unter Stalin über den grünen Klee lobt, dann kann man von so einer Opposition nicht erwarten, die aktuellen Herausforderungen konstruktiv anzugehen.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Leak zu Zwei-Klassen-Struktur beim BSW
Sahras Knechte
Friedensforscherin
„Wir können nicht so tun, als lebten wir in Frieden“
Nach Hitlergruß von Trump-Berater Bannon
Rechtspopulist Bardella sagt Rede ab
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Bildungsforscher über Zukunft der Kinder
„Bitte nicht länger ignorieren“